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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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als Neuerung, sie waren konservativ aus Phlegma. Noch andere waren An¬
hänger der deutschen Partei aus Nützlichkeitsgründcn. In ziemlicher Anzahl
kamen Petitionen um Vereinigung der schleswigschen und holsteinischen Stände
auch aus dem Norden, namentlich aus dem Sundewitt und selbst aus Alsen
bei derselben ein, und in Flensburg wurde eine derartige Petition in einer
Bürgerversammlung fast einstimmig beschlossen und später von mehr als acht¬
hundert Bürgern unterschrieben. Indeß, die dänische Propaganda war gut
organistrt, unermüdlich und rücksichtslos, die deutsche Gegenbewegung ohne
rechten Zusammenhang, wenig geschickt, vom holsteinischen Phlegma gehemmt
und ziemlich gutmüthig. Auch schadete ihr, daß der Herzog von Augustenburg,
damals wohl der unpopulärste Gutsherr in Nordschleswig, als ihre Seele er¬
schien. Die Stände nahmen den von Neuem eingebrachten Antrag Lorcnzens
von Lilholt aus Billigkeitsrücksichten und weil sie das letzte Ziel desselben nicht
durchschauten, an, wenn auch mit geringer Majorität, und die dänische Pro¬
paganda feierte ihren ersten Triumph. Ermuntert dadurch schritt sie, während
die deutsche Agitation bei ihrem bisherigen langsamen Ganze blieb und in
wenig sachgemäßem Tone, vor allem aber meist in deutsch, statt in dänisch ge¬
schriebenen Zeitungen und Flugblättern ihre Sache verfocht, rüstig und con-
sequent auf dem betretenen Wege weiter. Doch waren ihre Erfolge auch jetzt
auf dem Platten Lande noch nicht sehr sichtbar, ja es konnte noch vorkommen,
daß die Bauernschaften von zwölf nordschleswigschen Kirchspielen (bei Apenrade
und Lygumklvstcr) sich mit der Bitte an ihren Propst wandten. Sorge zu
tragen, daß ihren Schulen der deutsche Unterricht nicht verloren gehe. Dagegen
brachten die folgenden Jahre hier schon bessere Früchte.

Im Mai 1839 wurde in Kopenhagen eine "Schlcswigsche Gesellschaft" ge¬
gründet, welche die Danisirung Nordschleswigs ernstlicher als die Preßfreiheiis-
gesellschaft in Angriff nahm, obwohl nach ihren Statuten politische Tendenzen
eigentlich ausgeschlossen sein sollten. Unter den Mitgliedern derselben waren
selbstverständlich Paulsen und Flor. Zweck sollte sein, für Schleswig circulirende
Leihbibliotheken einzurichten, gute Bücher gratis zu vertheilen, den Schles¬
wigern den nächsten Weg zu eröffnen zur Beschaffung dänischer Lectüre. Dieses
Institut, für welches in Nordschleswig mehre Landpfarrer und Dorfschullehrer
und der Student Riß Hansen besonders eifrig wirkten, brach den Plänen der
kopenhagner Patrioten breitere Bahn. Bald erhielt mein Berichte, welche mel¬
deten, wie die Liebe zur dänischen Sprache in Schleswig immer mehr zunehme,
und zu Ende des Jahres hatte man einen dänischen Lesesaal in Sonderburg
und dreißig Volksbibliotheken, in denen natürlich Zeitungen wie Fädrelandet-,
Folkebladet. Flyvendc Blade u. d. nicht fehlten, gegründet und an diese über
Zweitausend Bände dänischer Schriften übersandt; auch rühmten die Agenten,
daß Nordschleswig bereits in zwei "Provinzen" eingetheilt sei, deren eine unter


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als Neuerung, sie waren konservativ aus Phlegma. Noch andere waren An¬
hänger der deutschen Partei aus Nützlichkeitsgründcn. In ziemlicher Anzahl
kamen Petitionen um Vereinigung der schleswigschen und holsteinischen Stände
auch aus dem Norden, namentlich aus dem Sundewitt und selbst aus Alsen
bei derselben ein, und in Flensburg wurde eine derartige Petition in einer
Bürgerversammlung fast einstimmig beschlossen und später von mehr als acht¬
hundert Bürgern unterschrieben. Indeß, die dänische Propaganda war gut
organistrt, unermüdlich und rücksichtslos, die deutsche Gegenbewegung ohne
rechten Zusammenhang, wenig geschickt, vom holsteinischen Phlegma gehemmt
und ziemlich gutmüthig. Auch schadete ihr, daß der Herzog von Augustenburg,
damals wohl der unpopulärste Gutsherr in Nordschleswig, als ihre Seele er¬
schien. Die Stände nahmen den von Neuem eingebrachten Antrag Lorcnzens
von Lilholt aus Billigkeitsrücksichten und weil sie das letzte Ziel desselben nicht
durchschauten, an, wenn auch mit geringer Majorität, und die dänische Pro¬
paganda feierte ihren ersten Triumph. Ermuntert dadurch schritt sie, während
die deutsche Agitation bei ihrem bisherigen langsamen Ganze blieb und in
wenig sachgemäßem Tone, vor allem aber meist in deutsch, statt in dänisch ge¬
schriebenen Zeitungen und Flugblättern ihre Sache verfocht, rüstig und con-
sequent auf dem betretenen Wege weiter. Doch waren ihre Erfolge auch jetzt
auf dem Platten Lande noch nicht sehr sichtbar, ja es konnte noch vorkommen,
daß die Bauernschaften von zwölf nordschleswigschen Kirchspielen (bei Apenrade
und Lygumklvstcr) sich mit der Bitte an ihren Propst wandten. Sorge zu
tragen, daß ihren Schulen der deutsche Unterricht nicht verloren gehe. Dagegen
brachten die folgenden Jahre hier schon bessere Früchte.

Im Mai 1839 wurde in Kopenhagen eine „Schlcswigsche Gesellschaft" ge¬
gründet, welche die Danisirung Nordschleswigs ernstlicher als die Preßfreiheiis-
gesellschaft in Angriff nahm, obwohl nach ihren Statuten politische Tendenzen
eigentlich ausgeschlossen sein sollten. Unter den Mitgliedern derselben waren
selbstverständlich Paulsen und Flor. Zweck sollte sein, für Schleswig circulirende
Leihbibliotheken einzurichten, gute Bücher gratis zu vertheilen, den Schles¬
wigern den nächsten Weg zu eröffnen zur Beschaffung dänischer Lectüre. Dieses
Institut, für welches in Nordschleswig mehre Landpfarrer und Dorfschullehrer
und der Student Riß Hansen besonders eifrig wirkten, brach den Plänen der
kopenhagner Patrioten breitere Bahn. Bald erhielt mein Berichte, welche mel¬
deten, wie die Liebe zur dänischen Sprache in Schleswig immer mehr zunehme,
und zu Ende des Jahres hatte man einen dänischen Lesesaal in Sonderburg
und dreißig Volksbibliotheken, in denen natürlich Zeitungen wie Fädrelandet-,
Folkebladet. Flyvendc Blade u. d. nicht fehlten, gegründet und an diese über
Zweitausend Bände dänischer Schriften übersandt; auch rühmten die Agenten,
daß Nordschleswig bereits in zwei „Provinzen" eingetheilt sei, deren eine unter


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/467>, abgerufen am 23.07.2024.