Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.Was von dem Oder-Appellationsgericht wiederholt für rechtswidrig erklärt Wenn das dem Gutsherrn zugestandene polizeirichterlichc Amt über die "Die Ortsobrigkeit ist nicht befugt, wegen der bezeichneten Dienstvergehen Es ist wohl schon auffallend genug, wenn einem Manne ohne alle juri¬ 57*
Was von dem Oder-Appellationsgericht wiederholt für rechtswidrig erklärt Wenn das dem Gutsherrn zugestandene polizeirichterlichc Amt über die „Die Ortsobrigkeit ist nicht befugt, wegen der bezeichneten Dienstvergehen Es ist wohl schon auffallend genug, wenn einem Manne ohne alle juri¬ 57*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0459" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189020"/> <p xml:id="ID_1551"> Was von dem Oder-Appellationsgericht wiederholt für rechtswidrig erklärt<lb/> ist, weis nach dem Ausspruch des Ministers selbst von mehrern höheren und<lb/> niederen Gerichten in gleicher Weise beurtheilt und daher jedenfalls bestritten<lb/> und zweifelhaft war, das ist jetzt im Interesse des Gutsherrn gesetzlich dahin<lb/> festgestellt, daß dieser über Dienstvergehen seiner Gutsleute, selbst in Fällen,<lb/> wo es sich um sein eigenes Interesse handelt, als Polizeiherr richtet; und die<lb/> Denkschrift sagt den auswärtigen Regierungen, daß durch das Gesetz ein bisher<lb/> anerkanntes Recht nur eine neue Sanction erhalten habe und daß der alleinige<lb/> neue Inhalt dieses Gesetzes in einer Beschränkung jenes Rechtes und der Ein¬<lb/> führung eines umfassenden Schutzes gegen dessen Mißbrauch bestehe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1552"> Wenn das dem Gutsherrn zugestandene polizeirichterlichc Amt über die<lb/> Dienstwidrigkeiten seiner Gutsleute schon an sich aller Vertheidigungsvcrsuche<lb/> spotten würde, selbst wenn die Regierung ihre Behauptung, daß es aner¬<lb/> kannten und zweifellosen Rechtes wäre, zu beweisen vermöchte, so erscheint die<lb/> ganze Institution noch monströser, wenn man die Strafen in Betracht zieht, zu<lb/> deren Verhängung das Gesetz den Gutsherrn ermächtigt.<lb/> Der §. 2 des Gesetzes bestimmt hierüber:</p><lb/> <p xml:id="ID_1553"> „Die Ortsobrigkeit ist nicht befugt, wegen der bezeichneten Dienstvergehen<lb/> auf eine höhere Strafe als eine Geldstrafe von fünf Thalern, oder eine Gefäng¬<lb/> nißstrafe von einer Woche — sieben Tagen — oder, soweit nach den Verord¬<lb/> nungen vom 29. Jan. 1852 und vom 27. Jan. 18S3 körperliche Züchtigung<lb/> statthaft ist, fünfundzwanzig Streiche, in Gemäßheit der Bestimmungen des<lb/> §. 3 der Verordnung vom 4. Jan. 1839, polizeilich zu erkennen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1554" next="#ID_1555"> Es ist wohl schon auffallend genug, wenn einem Manne ohne alle juri¬<lb/> stische Bildung und richterliche Befähigung das Recht eingeräumt wird.-seinen<lb/> Dienern und Arbeitern wegen irgend einer Sache, die er mit dem Namen<lb/> eines Dienstvergehens glaubt bezeichnen zu können, Geld- und Gefängnißstrafen<lb/> aufzuerlegen, und wenn dies selbst in solchen Fällen, wo sein eigenes Interesse<lb/> in Frage steht, zur Anwendung kommen soll. Es wird daran auch durch den<lb/> Umstand nichts geändert, auf welchen die Denkschrift ein ganz ungeziemendes<lb/> Gewicht legt, daß der Gutsherr für die von ihm selbst geführten Untersuchun¬<lb/> gen und gefällten Straferkenntnisse Sporteln nicht wahrnehmen darf. Denn<lb/> die Geldstrafe fließt in die eigene Tasche des Gutsherrn, welcher sie verhängt,<lb/> und auch ohne Sporteln bereichert er sich daher, wenn er das ihm zugestan¬<lb/> dene Strafrecht zur Verhängung von Geldstrafen benutzt, die er überdies als<lb/> Arbeitgeber leicht eintreiben kann, da er sie nur vom Arbeitslohn zurückzube¬<lb/> halten braucht. Aber dies alles verschwindet gegen die grauenvolle Thatsache,<lb/> daß das Gesetz ihm auch den Stock in die Hand drückt und daß er an seinen<lb/> Dienern und Arbeitern, an seinen Knechten und Mägden, an seinen verhei¬<lb/> rateten Tagelöhnern und deren Frauen und Kindern die begangene Dienst-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 57*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0459]
Was von dem Oder-Appellationsgericht wiederholt für rechtswidrig erklärt
ist, weis nach dem Ausspruch des Ministers selbst von mehrern höheren und
niederen Gerichten in gleicher Weise beurtheilt und daher jedenfalls bestritten
und zweifelhaft war, das ist jetzt im Interesse des Gutsherrn gesetzlich dahin
festgestellt, daß dieser über Dienstvergehen seiner Gutsleute, selbst in Fällen,
wo es sich um sein eigenes Interesse handelt, als Polizeiherr richtet; und die
Denkschrift sagt den auswärtigen Regierungen, daß durch das Gesetz ein bisher
anerkanntes Recht nur eine neue Sanction erhalten habe und daß der alleinige
neue Inhalt dieses Gesetzes in einer Beschränkung jenes Rechtes und der Ein¬
führung eines umfassenden Schutzes gegen dessen Mißbrauch bestehe.
Wenn das dem Gutsherrn zugestandene polizeirichterlichc Amt über die
Dienstwidrigkeiten seiner Gutsleute schon an sich aller Vertheidigungsvcrsuche
spotten würde, selbst wenn die Regierung ihre Behauptung, daß es aner¬
kannten und zweifellosen Rechtes wäre, zu beweisen vermöchte, so erscheint die
ganze Institution noch monströser, wenn man die Strafen in Betracht zieht, zu
deren Verhängung das Gesetz den Gutsherrn ermächtigt.
Der §. 2 des Gesetzes bestimmt hierüber:
„Die Ortsobrigkeit ist nicht befugt, wegen der bezeichneten Dienstvergehen
auf eine höhere Strafe als eine Geldstrafe von fünf Thalern, oder eine Gefäng¬
nißstrafe von einer Woche — sieben Tagen — oder, soweit nach den Verord¬
nungen vom 29. Jan. 1852 und vom 27. Jan. 18S3 körperliche Züchtigung
statthaft ist, fünfundzwanzig Streiche, in Gemäßheit der Bestimmungen des
§. 3 der Verordnung vom 4. Jan. 1839, polizeilich zu erkennen."
Es ist wohl schon auffallend genug, wenn einem Manne ohne alle juri¬
stische Bildung und richterliche Befähigung das Recht eingeräumt wird.-seinen
Dienern und Arbeitern wegen irgend einer Sache, die er mit dem Namen
eines Dienstvergehens glaubt bezeichnen zu können, Geld- und Gefängnißstrafen
aufzuerlegen, und wenn dies selbst in solchen Fällen, wo sein eigenes Interesse
in Frage steht, zur Anwendung kommen soll. Es wird daran auch durch den
Umstand nichts geändert, auf welchen die Denkschrift ein ganz ungeziemendes
Gewicht legt, daß der Gutsherr für die von ihm selbst geführten Untersuchun¬
gen und gefällten Straferkenntnisse Sporteln nicht wahrnehmen darf. Denn
die Geldstrafe fließt in die eigene Tasche des Gutsherrn, welcher sie verhängt,
und auch ohne Sporteln bereichert er sich daher, wenn er das ihm zugestan¬
dene Strafrecht zur Verhängung von Geldstrafen benutzt, die er überdies als
Arbeitgeber leicht eintreiben kann, da er sie nur vom Arbeitslohn zurückzube¬
halten braucht. Aber dies alles verschwindet gegen die grauenvolle Thatsache,
daß das Gesetz ihm auch den Stock in die Hand drückt und daß er an seinen
Dienern und Arbeitern, an seinen Knechten und Mägden, an seinen verhei¬
rateten Tagelöhnern und deren Frauen und Kindern die begangene Dienst-
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