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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Vielleicht ist man inzwischen auch in Schwerin zu der Erkenntniß gelangt,
daß es wohl rathsamer gewesen sein möchte, die Strafverordnung im Archiv
des Staatsministeriums ruhen zu lassen als sich in jene Fluth von Ungelegen-
heiten und Schwierigkeiten zu stürzen, welche sich als die unmittelbare Folge
der Publication ergeben hat. Mit Ausnahme einiger weniger Organe der feu- ^
baten Partei, welche ihre Berichte über Mecklenburg von Beamten des schwcriner
Ministeriums zu beziehen pflegen, und allerdings auch mit Ausnahme der ge-
sammten mecklenburgischen Presse, welcher durch ein imperialistisches Vcrwarnungs-
system die Möglichkeit einer freien Meinungsäußerung längst entzogen ist, hat
die gesammte deutsche Presse gegen die Verordnung und gegen den darin zu
gesetzlichem Ansehen erhobenen gutspolizeiherrlichen Prügelstock einstimmig ihren
Abscheu ausgesprochen. Ohne Zweifel hatte man ein so starkes und allgemeines
Verwerfungsurtheil nicht vorausgesehen. Man würde sonst sicherlich wenigstens
einen anderen Zeitpunkt für die Publication gewählt und nicht wenige Wochen
vor dem Tage der Vermählung des Großherzogs die Verordnung der öffentlichen
Besprechung ausgesetzt haben. Die Zeit konnte nicht unpassender gewählt wer¬
den, und es konnte nicht fehlen, daß das Ereigniß sogleich lebhast und all¬
gemein lsesprochen ward. Man erzählt von Reibungen und scharfen Conflicten
in Darmstadt zwischen der hessischen und der mecklenburgischen Hofdienerschaft,
hervorgerufen durch Neckereien und Anspielungen Seitens der ersteren aus An¬
laß des mecklenburgischen Dienstvergehensstrafgesetzes; man will wissen, daß die
darmstädter Turner- und Sängervereine infolge der neuen mecklenburgischen
Verordnung der anfangs beabsichtigten Betheiligung an der festlichen Beglück¬
wünschung des hohen neuvermählten Paares sich enthalten haben. Mögen nun
diese und andere Gerüchte begründet sein oder nicht: immer bleibt es zu be¬
klagen, daß gerade in die Zeit des schönen Festes, dessen ungetrübten Genuß
man sowohl dem Großherzog wie seiner jungen Gemahlin aufrichtig gewünscht
hätte, durch die allgemeine Entrüstung über das Gesetz ein Schatten fallen
mußte. Man hätte sowohl dem Großherzog, welchen man weit entfernt ist für
den Inhalt der Verordnung verantwortlich zu machen, wie auch der hohen
Frau, die er in die neue Heimath geführt hat, in welche ihr der Ruf aller edlen
weiblichen Eigenschaften vorausgegangen ist. das traurige Angebinde gern er¬
spart gesehen, welches ihnen zu ihrem schönsten Festtage durch die Minister des
Landes aufgedrungen worden ist.

Der Großherzog '.oll seine Mißstimmung über den ihm nicht entgangenen
Eindruck der neuen Stiafverordnung schriftlich in sehr lebhaften Ausdrücken
gegen den Minister des Innern ausgesprochen haben. Vielleicht steht es damit
in Zusammenhang, daß unmittelbar vor der am 12. Mai in Darmstadt vollzogenen
Vermählung des Großherzogs ein allgemeines Aufgebot von Vertheidigungs¬
mitteln für, die angegriffene Strasverordnung in den Organen der feudalen


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Vielleicht ist man inzwischen auch in Schwerin zu der Erkenntniß gelangt,
daß es wohl rathsamer gewesen sein möchte, die Strafverordnung im Archiv
des Staatsministeriums ruhen zu lassen als sich in jene Fluth von Ungelegen-
heiten und Schwierigkeiten zu stürzen, welche sich als die unmittelbare Folge
der Publication ergeben hat. Mit Ausnahme einiger weniger Organe der feu- ^
baten Partei, welche ihre Berichte über Mecklenburg von Beamten des schwcriner
Ministeriums zu beziehen pflegen, und allerdings auch mit Ausnahme der ge-
sammten mecklenburgischen Presse, welcher durch ein imperialistisches Vcrwarnungs-
system die Möglichkeit einer freien Meinungsäußerung längst entzogen ist, hat
die gesammte deutsche Presse gegen die Verordnung und gegen den darin zu
gesetzlichem Ansehen erhobenen gutspolizeiherrlichen Prügelstock einstimmig ihren
Abscheu ausgesprochen. Ohne Zweifel hatte man ein so starkes und allgemeines
Verwerfungsurtheil nicht vorausgesehen. Man würde sonst sicherlich wenigstens
einen anderen Zeitpunkt für die Publication gewählt und nicht wenige Wochen
vor dem Tage der Vermählung des Großherzogs die Verordnung der öffentlichen
Besprechung ausgesetzt haben. Die Zeit konnte nicht unpassender gewählt wer¬
den, und es konnte nicht fehlen, daß das Ereigniß sogleich lebhast und all¬
gemein lsesprochen ward. Man erzählt von Reibungen und scharfen Conflicten
in Darmstadt zwischen der hessischen und der mecklenburgischen Hofdienerschaft,
hervorgerufen durch Neckereien und Anspielungen Seitens der ersteren aus An¬
laß des mecklenburgischen Dienstvergehensstrafgesetzes; man will wissen, daß die
darmstädter Turner- und Sängervereine infolge der neuen mecklenburgischen
Verordnung der anfangs beabsichtigten Betheiligung an der festlichen Beglück¬
wünschung des hohen neuvermählten Paares sich enthalten haben. Mögen nun
diese und andere Gerüchte begründet sein oder nicht: immer bleibt es zu be¬
klagen, daß gerade in die Zeit des schönen Festes, dessen ungetrübten Genuß
man sowohl dem Großherzog wie seiner jungen Gemahlin aufrichtig gewünscht
hätte, durch die allgemeine Entrüstung über das Gesetz ein Schatten fallen
mußte. Man hätte sowohl dem Großherzog, welchen man weit entfernt ist für
den Inhalt der Verordnung verantwortlich zu machen, wie auch der hohen
Frau, die er in die neue Heimath geführt hat, in welche ihr der Ruf aller edlen
weiblichen Eigenschaften vorausgegangen ist. das traurige Angebinde gern er¬
spart gesehen, welches ihnen zu ihrem schönsten Festtage durch die Minister des
Landes aufgedrungen worden ist.

Der Großherzog '.oll seine Mißstimmung über den ihm nicht entgangenen
Eindruck der neuen Stiafverordnung schriftlich in sehr lebhaften Ausdrücken
gegen den Minister des Innern ausgesprochen haben. Vielleicht steht es damit
in Zusammenhang, daß unmittelbar vor der am 12. Mai in Darmstadt vollzogenen
Vermählung des Großherzogs ein allgemeines Aufgebot von Vertheidigungs¬
mitteln für, die angegriffene Strasverordnung in den Organen der feudalen


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[0451] Vielleicht ist man inzwischen auch in Schwerin zu der Erkenntniß gelangt, daß es wohl rathsamer gewesen sein möchte, die Strafverordnung im Archiv des Staatsministeriums ruhen zu lassen als sich in jene Fluth von Ungelegen- heiten und Schwierigkeiten zu stürzen, welche sich als die unmittelbare Folge der Publication ergeben hat. Mit Ausnahme einiger weniger Organe der feu- ^ baten Partei, welche ihre Berichte über Mecklenburg von Beamten des schwcriner Ministeriums zu beziehen pflegen, und allerdings auch mit Ausnahme der ge- sammten mecklenburgischen Presse, welcher durch ein imperialistisches Vcrwarnungs- system die Möglichkeit einer freien Meinungsäußerung längst entzogen ist, hat die gesammte deutsche Presse gegen die Verordnung und gegen den darin zu gesetzlichem Ansehen erhobenen gutspolizeiherrlichen Prügelstock einstimmig ihren Abscheu ausgesprochen. Ohne Zweifel hatte man ein so starkes und allgemeines Verwerfungsurtheil nicht vorausgesehen. Man würde sonst sicherlich wenigstens einen anderen Zeitpunkt für die Publication gewählt und nicht wenige Wochen vor dem Tage der Vermählung des Großherzogs die Verordnung der öffentlichen Besprechung ausgesetzt haben. Die Zeit konnte nicht unpassender gewählt wer¬ den, und es konnte nicht fehlen, daß das Ereigniß sogleich lebhast und all¬ gemein lsesprochen ward. Man erzählt von Reibungen und scharfen Conflicten in Darmstadt zwischen der hessischen und der mecklenburgischen Hofdienerschaft, hervorgerufen durch Neckereien und Anspielungen Seitens der ersteren aus An¬ laß des mecklenburgischen Dienstvergehensstrafgesetzes; man will wissen, daß die darmstädter Turner- und Sängervereine infolge der neuen mecklenburgischen Verordnung der anfangs beabsichtigten Betheiligung an der festlichen Beglück¬ wünschung des hohen neuvermählten Paares sich enthalten haben. Mögen nun diese und andere Gerüchte begründet sein oder nicht: immer bleibt es zu be¬ klagen, daß gerade in die Zeit des schönen Festes, dessen ungetrübten Genuß man sowohl dem Großherzog wie seiner jungen Gemahlin aufrichtig gewünscht hätte, durch die allgemeine Entrüstung über das Gesetz ein Schatten fallen mußte. Man hätte sowohl dem Großherzog, welchen man weit entfernt ist für den Inhalt der Verordnung verantwortlich zu machen, wie auch der hohen Frau, die er in die neue Heimath geführt hat, in welche ihr der Ruf aller edlen weiblichen Eigenschaften vorausgegangen ist. das traurige Angebinde gern er¬ spart gesehen, welches ihnen zu ihrem schönsten Festtage durch die Minister des Landes aufgedrungen worden ist. Der Großherzog '.oll seine Mißstimmung über den ihm nicht entgangenen Eindruck der neuen Stiafverordnung schriftlich in sehr lebhaften Ausdrücken gegen den Minister des Innern ausgesprochen haben. Vielleicht steht es damit in Zusammenhang, daß unmittelbar vor der am 12. Mai in Darmstadt vollzogenen Vermählung des Großherzogs ein allgemeines Aufgebot von Vertheidigungs¬ mitteln für, die angegriffene Strasverordnung in den Organen der feudalen 56"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/451>, abgerufen am 23.07.2024.