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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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die der sächsischen auf den Garten hinaus. Durch die Nußenthür gelangt man
auf die Diele und von dieser in die Küche, aus welcher man durch eine zweite
Thür in die Alltagsstubc tritt. Neben dieser liegt das Staatszimmer des
Bauern, und hinter diesem befinden sich einige kleinere Räume, eine Frcmden-
kammcr und zuweilen ein Brautgemach mit einem gewaltigen Himmelbett. Auf der
andern Seite der Küche findet man das Brauhaus, wo auch der Backofen steht,
und hieran stoßt die Torfscheune. Die Wohnräume haben deutsche Bezeichnungen,
die gewöhnliche Stube heißt wie in Holstein Doms. das Staatszimmer Pesel;
nur die Fremdenl'ammer hat einen skandinavischen Namen: sie wird Klöve ge¬
nannt, was an das isländische Kiehl erinnert.

Von selbst versteht sich, daß einzelne Abweichungen von dieser Art zu bauen
vorkommen. Wohlstand und Armuth, Laune und Zufall können das Eine
hinzuthun, das Andere weglassen. Die neue Zeit, welche ja auch den sächsischen
Häusern vielfach Schornsteine gegeben und die Pferdeköpfe weggenommen hat,
kann auch hier mancherlei anders belieben. Aber der angegebene Grundtypus
wiederholt sich allenthalben.

Und wie in der Bauart der Häuser so spricht sich auch in den Sitten des
Nvldschleswigers die nahe Verwandtschaft desselben mit dem Juden und die
etwas fernere mit dem Jnseldänen aus. Die Begräbnisse versammeln Massen
von Leidtragenden in dem betreffenden Gehöft, die dann mit einem Schmaus
(Aerrel -- Arveöl, Erbbier) bewirthet werden. Desgleichen laden die Wohlhabenden
zu Hochzeiten eine überaus große Zahl von Gästen, oft zwei, ja dreihundert
ein. Die Festlichkeiten dauern dann drei volle Tage, und es geht dabei hoch her.
Jeder Wagen mit neu eintreffenden Gästen wird mit schmetternder Blechmusik
und gewöhnlich vom Hochzeitsvater mit Darreichung eines Ehrentrunks empfangen.
Dem Zuge nach der Kirche sprengen Reiter voraus. Nach der Rückkehr von
da hebt die Mahlzeit an, welche mehre Stunden dauert, und bei welcher Rcis-
grütze das obligate Hauptgericht ist. Jeder, der einte Bauernhochzeit in Jütland
oder auf Seeland beiwohnt, erkennt diese Züge wieder, wogegen dieselben in
Südschleswig nur i" Angeln vorkommen und hier als Reste jüdischer Sitte an¬
zusehen sind.

Selbst in den Alltags- und Festtagsgerichten zeigt sich ein Unterschied
zwischen Süd- und Nordschleswig, Südjütcn und Deutschen. Die tägliche
Speise des Nordschleswigers ist Morgens und Abends dünne oder dicke Grütze
in Milch gekocht, und Meth ist ein beliebtes Getränk. Hält der Südjüte ein
Gelag, so kommt auf den Tisch als erstes Gericht eine Schüssel dickgekochte gelbe
Erbsen mit einem Klumpen Butter in der Mitte. Der zweite Gang besteht in
einer Rindfleisch- oder Hühnersuppe mit dem Fleisch in der Bouillon. Als
drittes Gericht fordert die Sitte Reisgrütze in Milch mit Butter. Bisweilen
wird die Hühnersuppe durch Weißkohl, seltener durch Stockfisch ersetzt.


die der sächsischen auf den Garten hinaus. Durch die Nußenthür gelangt man
auf die Diele und von dieser in die Küche, aus welcher man durch eine zweite
Thür in die Alltagsstubc tritt. Neben dieser liegt das Staatszimmer des
Bauern, und hinter diesem befinden sich einige kleinere Räume, eine Frcmden-
kammcr und zuweilen ein Brautgemach mit einem gewaltigen Himmelbett. Auf der
andern Seite der Küche findet man das Brauhaus, wo auch der Backofen steht,
und hieran stoßt die Torfscheune. Die Wohnräume haben deutsche Bezeichnungen,
die gewöhnliche Stube heißt wie in Holstein Doms. das Staatszimmer Pesel;
nur die Fremdenl'ammer hat einen skandinavischen Namen: sie wird Klöve ge¬
nannt, was an das isländische Kiehl erinnert.

Von selbst versteht sich, daß einzelne Abweichungen von dieser Art zu bauen
vorkommen. Wohlstand und Armuth, Laune und Zufall können das Eine
hinzuthun, das Andere weglassen. Die neue Zeit, welche ja auch den sächsischen
Häusern vielfach Schornsteine gegeben und die Pferdeköpfe weggenommen hat,
kann auch hier mancherlei anders belieben. Aber der angegebene Grundtypus
wiederholt sich allenthalben.

Und wie in der Bauart der Häuser so spricht sich auch in den Sitten des
Nvldschleswigers die nahe Verwandtschaft desselben mit dem Juden und die
etwas fernere mit dem Jnseldänen aus. Die Begräbnisse versammeln Massen
von Leidtragenden in dem betreffenden Gehöft, die dann mit einem Schmaus
(Aerrel — Arveöl, Erbbier) bewirthet werden. Desgleichen laden die Wohlhabenden
zu Hochzeiten eine überaus große Zahl von Gästen, oft zwei, ja dreihundert
ein. Die Festlichkeiten dauern dann drei volle Tage, und es geht dabei hoch her.
Jeder Wagen mit neu eintreffenden Gästen wird mit schmetternder Blechmusik
und gewöhnlich vom Hochzeitsvater mit Darreichung eines Ehrentrunks empfangen.
Dem Zuge nach der Kirche sprengen Reiter voraus. Nach der Rückkehr von
da hebt die Mahlzeit an, welche mehre Stunden dauert, und bei welcher Rcis-
grütze das obligate Hauptgericht ist. Jeder, der einte Bauernhochzeit in Jütland
oder auf Seeland beiwohnt, erkennt diese Züge wieder, wogegen dieselben in
Südschleswig nur i» Angeln vorkommen und hier als Reste jüdischer Sitte an¬
zusehen sind.

Selbst in den Alltags- und Festtagsgerichten zeigt sich ein Unterschied
zwischen Süd- und Nordschleswig, Südjütcn und Deutschen. Die tägliche
Speise des Nordschleswigers ist Morgens und Abends dünne oder dicke Grütze
in Milch gekocht, und Meth ist ein beliebtes Getränk. Hält der Südjüte ein
Gelag, so kommt auf den Tisch als erstes Gericht eine Schüssel dickgekochte gelbe
Erbsen mit einem Klumpen Butter in der Mitte. Der zweite Gang besteht in
einer Rindfleisch- oder Hühnersuppe mit dem Fleisch in der Bouillon. Als
drittes Gericht fordert die Sitte Reisgrütze in Milch mit Butter. Bisweilen
wird die Hühnersuppe durch Weißkohl, seltener durch Stockfisch ersetzt.


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[0422] die der sächsischen auf den Garten hinaus. Durch die Nußenthür gelangt man auf die Diele und von dieser in die Küche, aus welcher man durch eine zweite Thür in die Alltagsstubc tritt. Neben dieser liegt das Staatszimmer des Bauern, und hinter diesem befinden sich einige kleinere Räume, eine Frcmden- kammcr und zuweilen ein Brautgemach mit einem gewaltigen Himmelbett. Auf der andern Seite der Küche findet man das Brauhaus, wo auch der Backofen steht, und hieran stoßt die Torfscheune. Die Wohnräume haben deutsche Bezeichnungen, die gewöhnliche Stube heißt wie in Holstein Doms. das Staatszimmer Pesel; nur die Fremdenl'ammer hat einen skandinavischen Namen: sie wird Klöve ge¬ nannt, was an das isländische Kiehl erinnert. Von selbst versteht sich, daß einzelne Abweichungen von dieser Art zu bauen vorkommen. Wohlstand und Armuth, Laune und Zufall können das Eine hinzuthun, das Andere weglassen. Die neue Zeit, welche ja auch den sächsischen Häusern vielfach Schornsteine gegeben und die Pferdeköpfe weggenommen hat, kann auch hier mancherlei anders belieben. Aber der angegebene Grundtypus wiederholt sich allenthalben. Und wie in der Bauart der Häuser so spricht sich auch in den Sitten des Nvldschleswigers die nahe Verwandtschaft desselben mit dem Juden und die etwas fernere mit dem Jnseldänen aus. Die Begräbnisse versammeln Massen von Leidtragenden in dem betreffenden Gehöft, die dann mit einem Schmaus (Aerrel — Arveöl, Erbbier) bewirthet werden. Desgleichen laden die Wohlhabenden zu Hochzeiten eine überaus große Zahl von Gästen, oft zwei, ja dreihundert ein. Die Festlichkeiten dauern dann drei volle Tage, und es geht dabei hoch her. Jeder Wagen mit neu eintreffenden Gästen wird mit schmetternder Blechmusik und gewöhnlich vom Hochzeitsvater mit Darreichung eines Ehrentrunks empfangen. Dem Zuge nach der Kirche sprengen Reiter voraus. Nach der Rückkehr von da hebt die Mahlzeit an, welche mehre Stunden dauert, und bei welcher Rcis- grütze das obligate Hauptgericht ist. Jeder, der einte Bauernhochzeit in Jütland oder auf Seeland beiwohnt, erkennt diese Züge wieder, wogegen dieselben in Südschleswig nur i» Angeln vorkommen und hier als Reste jüdischer Sitte an¬ zusehen sind. Selbst in den Alltags- und Festtagsgerichten zeigt sich ein Unterschied zwischen Süd- und Nordschleswig, Südjütcn und Deutschen. Die tägliche Speise des Nordschleswigers ist Morgens und Abends dünne oder dicke Grütze in Milch gekocht, und Meth ist ein beliebtes Getränk. Hält der Südjüte ein Gelag, so kommt auf den Tisch als erstes Gericht eine Schüssel dickgekochte gelbe Erbsen mit einem Klumpen Butter in der Mitte. Der zweite Gang besteht in einer Rindfleisch- oder Hühnersuppe mit dem Fleisch in der Bouillon. Als drittes Gericht fordert die Sitte Reisgrütze in Milch mit Butter. Bisweilen wird die Hühnersuppe durch Weißkohl, seltener durch Stockfisch ersetzt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/422>, abgerufen am 23.07.2024.