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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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nistvoller Gast. Jene Unterirdischen aber wie dieser Hanskobold sind in allen
Zügen Verwandte der Phantasieschöpfungen dieser Art jenseits der Königsau
und der Belte, in wenigen Eigenschaften dagegen den deutschen Gespenstern
dieser Classe ähnlich. Auch das unheimliche "Helhest", das von dem gemeinen
Mann in Dänemark so gefürchtet wird, war früher in Nordschleswig bekannt,
und auch sonst, z. B. in der Redensart- "Han har tjöbt sich ab med ä Hel"
(er hat sich von der Hel losgekauft, von jemand gebraucht, der eine gefärliche
Krankheit überstanden hat) spielte hier die alte Todesgöttin Hel noch eine Rolle.

Eine Probe der Natur jener Haidegeister mag als besonders charakteristisch
hier Platz finden.

Im Kirchspiel Osterlygum, bei Hauerslund. nicht sehr weit von Apenrade,
liegt ein Hügel, der Händlern oder Hahnenberg. Nahe dabei ist ein Erlen-
brucb. Hier lag einmal ein junger Mensch, der schlief so lange, daß er erst
spät in der Nacht aufwachte. Da hörte er die lieblichste Musik rund um sich,
und da er um sich blickte, ward er zwei Mädchen gewahr, die hüpften und
tanzten und fragten ihn verschiedene Fragen, um ihn zum Sprechen zu bringen.
Er aber wußte Wohl, daß Gefahr dabei war, und so schwieg er. Da hörte
er ganz deutlich, wie sie sangen:


"O hör, do Ungersven! O wil do int'
Mac os i Jauten tact,

So stak, indem Kot gack,
Di solslaun Kuno

Red lig dire Hjaert i Dvael*)."


Da wurde ihm bange, und eben wollte er sprechen, als der Hahn krähte
und die Frauen verschwanden. Das sind aber keine deutschen Elben, sondern
dänische Ellcquvinder, und Müllenhoff hat bis zu'einem gewissen Grade recht,
wenn er in Bezug auf diese und andere nordschleswigsche Sagen meint, daß
da, wo dies erzählt wird, "die deutsche Nationalität ihre Grenze gefunden hat".

Und wie eine gewisse Sagengemcinschaft, so läßt sich auch eine Sprich-
wörtcrgcmeiuschaft zwischen Nordschleswig und Dänemark nachweisen. Redens¬
arten wie die auf Seeland und Fühnen gebrauchten: Hoad tonner det Soiree
vet, spät Fleslet t'oster (Was geht es das Schwein an. was der Speck kostet).
-- Det er for sittig at spare, naar man er kommen til Bünden (Es ist zu
spät zum Sparen, wenn man auf den Boden gekommen ist) -- Rigmands
Datier og Fattigmands Slud hupe ille gannet i Gaard (Reichen Mannes
Tochter und armen Manns Ochse werden nicht alt auf dem Hofe) -- Den der
givcr til han tigger, stak slaaes til han ligger (Wer giebt, bis er bettelt, soll



") O hör, du Junggesell, o willst du nicht mit uns heut Abend sprechen, so soll, ehe
der Hahn kräht, dein silberbeschlagenes Messer sogleich dein Herz zur Nuhe bringen.

nistvoller Gast. Jene Unterirdischen aber wie dieser Hanskobold sind in allen
Zügen Verwandte der Phantasieschöpfungen dieser Art jenseits der Königsau
und der Belte, in wenigen Eigenschaften dagegen den deutschen Gespenstern
dieser Classe ähnlich. Auch das unheimliche „Helhest", das von dem gemeinen
Mann in Dänemark so gefürchtet wird, war früher in Nordschleswig bekannt,
und auch sonst, z. B. in der Redensart- „Han har tjöbt sich ab med ä Hel"
(er hat sich von der Hel losgekauft, von jemand gebraucht, der eine gefärliche
Krankheit überstanden hat) spielte hier die alte Todesgöttin Hel noch eine Rolle.

Eine Probe der Natur jener Haidegeister mag als besonders charakteristisch
hier Platz finden.

Im Kirchspiel Osterlygum, bei Hauerslund. nicht sehr weit von Apenrade,
liegt ein Hügel, der Händlern oder Hahnenberg. Nahe dabei ist ein Erlen-
brucb. Hier lag einmal ein junger Mensch, der schlief so lange, daß er erst
spät in der Nacht aufwachte. Da hörte er die lieblichste Musik rund um sich,
und da er um sich blickte, ward er zwei Mädchen gewahr, die hüpften und
tanzten und fragten ihn verschiedene Fragen, um ihn zum Sprechen zu bringen.
Er aber wußte Wohl, daß Gefahr dabei war, und so schwieg er. Da hörte
er ganz deutlich, wie sie sangen:


„O hör, do Ungersven! O wil do int'
Mac os i Jauten tact,

So stak, indem Kot gack,
Di solslaun Kuno

Red lig dire Hjaert i Dvael*)."


Da wurde ihm bange, und eben wollte er sprechen, als der Hahn krähte
und die Frauen verschwanden. Das sind aber keine deutschen Elben, sondern
dänische Ellcquvinder, und Müllenhoff hat bis zu'einem gewissen Grade recht,
wenn er in Bezug auf diese und andere nordschleswigsche Sagen meint, daß
da, wo dies erzählt wird, „die deutsche Nationalität ihre Grenze gefunden hat".

Und wie eine gewisse Sagengemcinschaft, so läßt sich auch eine Sprich-
wörtcrgcmeiuschaft zwischen Nordschleswig und Dänemark nachweisen. Redens¬
arten wie die auf Seeland und Fühnen gebrauchten: Hoad tonner det Soiree
vet, spät Fleslet t'oster (Was geht es das Schwein an. was der Speck kostet).
— Det er for sittig at spare, naar man er kommen til Bünden (Es ist zu
spät zum Sparen, wenn man auf den Boden gekommen ist) — Rigmands
Datier og Fattigmands Slud hupe ille gannet i Gaard (Reichen Mannes
Tochter und armen Manns Ochse werden nicht alt auf dem Hofe) — Den der
givcr til han tigger, stak slaaes til han ligger (Wer giebt, bis er bettelt, soll



") O hör, du Junggesell, o willst du nicht mit uns heut Abend sprechen, so soll, ehe
der Hahn kräht, dein silberbeschlagenes Messer sogleich dein Herz zur Nuhe bringen.
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[0420] nistvoller Gast. Jene Unterirdischen aber wie dieser Hanskobold sind in allen Zügen Verwandte der Phantasieschöpfungen dieser Art jenseits der Königsau und der Belte, in wenigen Eigenschaften dagegen den deutschen Gespenstern dieser Classe ähnlich. Auch das unheimliche „Helhest", das von dem gemeinen Mann in Dänemark so gefürchtet wird, war früher in Nordschleswig bekannt, und auch sonst, z. B. in der Redensart- „Han har tjöbt sich ab med ä Hel" (er hat sich von der Hel losgekauft, von jemand gebraucht, der eine gefärliche Krankheit überstanden hat) spielte hier die alte Todesgöttin Hel noch eine Rolle. Eine Probe der Natur jener Haidegeister mag als besonders charakteristisch hier Platz finden. Im Kirchspiel Osterlygum, bei Hauerslund. nicht sehr weit von Apenrade, liegt ein Hügel, der Händlern oder Hahnenberg. Nahe dabei ist ein Erlen- brucb. Hier lag einmal ein junger Mensch, der schlief so lange, daß er erst spät in der Nacht aufwachte. Da hörte er die lieblichste Musik rund um sich, und da er um sich blickte, ward er zwei Mädchen gewahr, die hüpften und tanzten und fragten ihn verschiedene Fragen, um ihn zum Sprechen zu bringen. Er aber wußte Wohl, daß Gefahr dabei war, und so schwieg er. Da hörte er ganz deutlich, wie sie sangen: „O hör, do Ungersven! O wil do int' Mac os i Jauten tact, So stak, indem Kot gack, Di solslaun Kuno Red lig dire Hjaert i Dvael*)." Da wurde ihm bange, und eben wollte er sprechen, als der Hahn krähte und die Frauen verschwanden. Das sind aber keine deutschen Elben, sondern dänische Ellcquvinder, und Müllenhoff hat bis zu'einem gewissen Grade recht, wenn er in Bezug auf diese und andere nordschleswigsche Sagen meint, daß da, wo dies erzählt wird, „die deutsche Nationalität ihre Grenze gefunden hat". Und wie eine gewisse Sagengemcinschaft, so läßt sich auch eine Sprich- wörtcrgcmeiuschaft zwischen Nordschleswig und Dänemark nachweisen. Redens¬ arten wie die auf Seeland und Fühnen gebrauchten: Hoad tonner det Soiree vet, spät Fleslet t'oster (Was geht es das Schwein an. was der Speck kostet). — Det er for sittig at spare, naar man er kommen til Bünden (Es ist zu spät zum Sparen, wenn man auf den Boden gekommen ist) — Rigmands Datier og Fattigmands Slud hupe ille gannet i Gaard (Reichen Mannes Tochter und armen Manns Ochse werden nicht alt auf dem Hofe) — Den der givcr til han tigger, stak slaaes til han ligger (Wer giebt, bis er bettelt, soll ") O hör, du Junggesell, o willst du nicht mit uns heut Abend sprechen, so soll, ehe der Hahn kräht, dein silberbeschlagenes Messer sogleich dein Herz zur Nuhe bringen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/420>, abgerufen am 23.07.2024.