Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.den Ländchen zwischen der Schlei und der flensburger Föhrde stärkere Reste Wie diese Mundart sich zum Dänischen und andrerseits zum Deutschen ver¬ "Nu ka do go op o ring. Und der Küster antwortete: "Nu dommer hun. nu tonner Ann Post. Das heißt auf Dänisch: Nu kan du gaae op og ringe. Nu tonner Fruen fra Tolgaard. -- Nu Und auf Deutsch: Nun kannst du hinaufgehen und läuten. Nun kommt die Frau von Toll¬ Man sieht, die Wörter sind dänisch, aber der Artikel ist wie im Deutschen Die Einwanderung der Juden hatte die deutsche Nationalität um eine den Ländchen zwischen der Schlei und der flensburger Föhrde stärkere Reste Wie diese Mundart sich zum Dänischen und andrerseits zum Deutschen ver¬ „Nu ka do go op o ring. Und der Küster antwortete: „Nu dommer hun. nu tonner Ann Post. Das heißt auf Dänisch: Nu kan du gaae op og ringe. Nu tonner Fruen fra Tolgaard. — Nu Und auf Deutsch: Nun kannst du hinaufgehen und läuten. Nun kommt die Frau von Toll¬ Man sieht, die Wörter sind dänisch, aber der Artikel ist wie im Deutschen Die Einwanderung der Juden hatte die deutsche Nationalität um eine <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0413" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188974"/> <p xml:id="ID_1398" prev="#ID_1397"> den Ländchen zwischen der Schlei und der flensburger Föhrde stärkere Reste<lb/> desselben zurückgelassen zu haben. Die Landesmitte, so haben wir uns diesen<lb/> Proceß vorzustellen, leerte sich als der am wenigsten fruchtbare Theil zuerst und<lb/> am vollständigsten. Auch die beiden südlichen Halbinseln Schwcinsen und Dänisch-<lb/> Wohld wurden teilweise entvölkert, und nun begann eine Einwanderung von<lb/> Norden her. In die verlassnen Strecken rückten Juden ein, und dies hatte eine<lb/> fast totale Umgestaltung der Sprache im Gefolge. Die Angler wurden ein<lb/> Mischvolk aus südjütischen und ursprünglichen Elementen, von denen die ersteren<lb/> überwogen. In ganz Schleswig mit Ausnahme der friesischen Westküste und<lb/> der damals wenig besiedelten südlichen Landesmitte bis zum Dannewerk sprach<lb/> das Volk fortan den südjütischen Dialekt, in dem sich im Osten, namentlich<lb/> zwischen der Schlei und dem flensburger Busen einige Spuren des altanglischen<lb/> Idioms erhielten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1399"> Wie diese Mundart sich zum Dänischen und andrerseits zum Deutschen ver¬<lb/> hält, möge eine liedartige Ueberlieferung von der gestrengen Frau von Tollgaard<lb/> zeigen, die zu Pastor Jensens Zeit (1840) noch im Volksmunde war, und in der<lb/> sich wohl eine alte Göttin birgt. Der Sage nach durste der Gottesdienst nicht<lb/> Vor Ankunft der Dame beginnen. Erfolgte diese, so sang der Priester zum Küster:</p><lb/> <quote> „Nu ka do go op o ring.<lb/> Nu tonner ä Fron fra Tollgaard."</quote><lb/> <p xml:id="ID_1400"> Und der Küster antwortete:</p><lb/> <quote> „Nu dommer hun. nu tonner Ann Post.<lb/> Fra Tollgaard över Tingwaj<lb/> Med hier wied Oeg<lb/> Med Knopper Hör<lb/> O Stücker Smör<lb/> O seur Raulief."</quote><lb/> <p xml:id="ID_1401"> Das heißt auf Dänisch:</p><lb/> <p xml:id="ID_1402"> Nu kan du gaae op og ringe. Nu tonner Fruen fra Tolgaard. — Nu<lb/> tonner hun. nu tonner Ane Post, fra Tolgaard over Tingvei med fire holde<lb/> Oeg. med Knipper Hör og Stykker Smör og störe Nugbröd.</p><lb/> <p xml:id="ID_1403"> Und auf Deutsch:</p><lb/> <p xml:id="ID_1404"> Nun kannst du hinaufgehen und läuten. Nun kommt die Frau von Toll¬<lb/> gaard. Nun kommt sie. nun kommt Anne Post, von Tollgard über den Ge¬<lb/> richtsweg mit vier weißen Pferden, mit Bünden Flachs, mit Stücken Butter<lb/> und großem Roggenbrod.</p><lb/> <p xml:id="ID_1405"> Man sieht, die Wörter sind dänisch, aber der Artikel ist wie im Deutschen<lb/> vorgesetzt, nicht wie im Skandinavischen angehängt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1406" next="#ID_1407"> Die Einwanderung der Juden hatte die deutsche Nationalität um eine<lb/> gute Anzahl von Quadratmeilen gebracht. Aber das von derselben verlorene</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0413]
den Ländchen zwischen der Schlei und der flensburger Föhrde stärkere Reste
desselben zurückgelassen zu haben. Die Landesmitte, so haben wir uns diesen
Proceß vorzustellen, leerte sich als der am wenigsten fruchtbare Theil zuerst und
am vollständigsten. Auch die beiden südlichen Halbinseln Schwcinsen und Dänisch-
Wohld wurden teilweise entvölkert, und nun begann eine Einwanderung von
Norden her. In die verlassnen Strecken rückten Juden ein, und dies hatte eine
fast totale Umgestaltung der Sprache im Gefolge. Die Angler wurden ein
Mischvolk aus südjütischen und ursprünglichen Elementen, von denen die ersteren
überwogen. In ganz Schleswig mit Ausnahme der friesischen Westküste und
der damals wenig besiedelten südlichen Landesmitte bis zum Dannewerk sprach
das Volk fortan den südjütischen Dialekt, in dem sich im Osten, namentlich
zwischen der Schlei und dem flensburger Busen einige Spuren des altanglischen
Idioms erhielten.
Wie diese Mundart sich zum Dänischen und andrerseits zum Deutschen ver¬
hält, möge eine liedartige Ueberlieferung von der gestrengen Frau von Tollgaard
zeigen, die zu Pastor Jensens Zeit (1840) noch im Volksmunde war, und in der
sich wohl eine alte Göttin birgt. Der Sage nach durste der Gottesdienst nicht
Vor Ankunft der Dame beginnen. Erfolgte diese, so sang der Priester zum Küster:
„Nu ka do go op o ring.
Nu tonner ä Fron fra Tollgaard."
Und der Küster antwortete:
„Nu dommer hun. nu tonner Ann Post.
Fra Tollgaard över Tingwaj
Med hier wied Oeg
Med Knopper Hör
O Stücker Smör
O seur Raulief."
Das heißt auf Dänisch:
Nu kan du gaae op og ringe. Nu tonner Fruen fra Tolgaard. — Nu
tonner hun. nu tonner Ane Post, fra Tolgaard over Tingvei med fire holde
Oeg. med Knipper Hör og Stykker Smör og störe Nugbröd.
Und auf Deutsch:
Nun kannst du hinaufgehen und läuten. Nun kommt die Frau von Toll¬
gaard. Nun kommt sie. nun kommt Anne Post, von Tollgard über den Ge¬
richtsweg mit vier weißen Pferden, mit Bünden Flachs, mit Stücken Butter
und großem Roggenbrod.
Man sieht, die Wörter sind dänisch, aber der Artikel ist wie im Deutschen
vorgesetzt, nicht wie im Skandinavischen angehängt.
Die Einwanderung der Juden hatte die deutsche Nationalität um eine
gute Anzahl von Quadratmeilen gebracht. Aber das von derselben verlorene
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