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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Marschen bis etwa zu der Linie Jmmenstedt, Sollerup, 'Bollingstedt, Fahren-
stedt. Weiter nördlich ist in der Landesmitte der Proceß der Verdeutschung
noch im Gange, und in dem einen Kirchspiel überwiegt das deutsche, in dem
andern das fremde Element.

Noch weiter im Norden des Herzogthums, von einer Linie an, die wir
vorläufig zwischen Tondern und Flensburg ziehen wollen, ist jener Proceß nicht
mehr oder doch nur in schwachen Spuren noch zu bemerken. Lediglich die
Städte und Flecken sind zum Theil von Deutschen bewohnt. Das Landvolk
sowie die Mehrzahl der Städter, namentlich sast die ganze niedere Classe, ge¬
hört einem Mischvolk an, welches keinen völlig bestimmten nationalen Charakter
hat, seiner Sprache und einigen andern Eigenthümlichkeiten nach aber jeden¬
falls näher mit den Dänen als mit den Deutschen verwandt oder, wenn wir
den Unterschied zwischen den Jnseldänen und der auf dem Festland wohnenden
Bevölkerung des Königreichs Dänemark betonen wollen, im Großen und Gan¬
zen dasselbe Volk ist wie die Bewohner des Südens von Jütland. Uebereifrige
Schleswig-Holsteiner werden sich dies vermuthlich ebenso ungern sagen lassen,
wie sie die Thatsache hören werden, daß die Verdeutschung mancher Bezirke im
Süden sich keineswegs von selbst gemacht hat, sondern auf künstlichem, wenn
auch nicht gerade, wie die Dänen behaupten, und wie selbst Etatsrath Fakel in
der Ständeversammlung einmal meinte, auf gewaltsamen Wege erreicht worden
ist. Doch werden sie. hoffen wir, mit unserm Endergebniß zufrieden sein.

Betrachten wir das Hauptkriterium der Nationalität, die Volkssprache,
so bemerken wir, daß Schleswig, von den Marschen und Inseln zwischen Husum
und dem Hcverstrom einerseits und der Wiedau andrerseits abgesehen, wo
meist friesisch geredet, aber zugleich von jedermann deutsch verstanden und ge¬
sprochen wird, in vier Districte oder Zonen zerfällt. Der erste Distnct ist
der, in welchem das Volk sich nur des Plattdeutschen als Umgangssprache'be¬
dient. Der zweite umfaßt die Striche, wo dasselbe alleinige Haus- und Ver¬
kehrssprache der großen Mehrzahl und das Hochdeutsche wohl bekannt ist. Der
dritte begreif! die Landestheile in sich, in welchen wenigstens die Erwachsenen,
namentlich die Männer, fast alle beider Sprachen, des Plattdeutschen sowie des
Idioms mächtig sind, welches wir vor der Hand als Plattdänisch oder Südjütisch
bezeichnen, und in denen zugleich noch einige Kenntniß des Hochdeutschen an¬
getroffen wird. Der vierte District endlich ist der Norden, wo auf dem Lande
das dänische Patois so gut wie ausschließlich herrscht, Kinder nirgends , Frauen
sehr selten, Männer nur ausnahmsweise irgendwelches Deutsch verstehen.

Zu der ersten Zone gehören zuvörderst die beiden Halbinseln Dänisch-
Wohld und Schwansen. Dann herrscht das Plattdeutsche ausschließlich in der
Landschaft Eiderstedt. Endlich wird in der Landesmitte von der Eider bis
hinaus zu der bereits erwähnten Linie Husum. Jmmenstedt, Sollerup, Bölling-


Marschen bis etwa zu der Linie Jmmenstedt, Sollerup, 'Bollingstedt, Fahren-
stedt. Weiter nördlich ist in der Landesmitte der Proceß der Verdeutschung
noch im Gange, und in dem einen Kirchspiel überwiegt das deutsche, in dem
andern das fremde Element.

Noch weiter im Norden des Herzogthums, von einer Linie an, die wir
vorläufig zwischen Tondern und Flensburg ziehen wollen, ist jener Proceß nicht
mehr oder doch nur in schwachen Spuren noch zu bemerken. Lediglich die
Städte und Flecken sind zum Theil von Deutschen bewohnt. Das Landvolk
sowie die Mehrzahl der Städter, namentlich sast die ganze niedere Classe, ge¬
hört einem Mischvolk an, welches keinen völlig bestimmten nationalen Charakter
hat, seiner Sprache und einigen andern Eigenthümlichkeiten nach aber jeden¬
falls näher mit den Dänen als mit den Deutschen verwandt oder, wenn wir
den Unterschied zwischen den Jnseldänen und der auf dem Festland wohnenden
Bevölkerung des Königreichs Dänemark betonen wollen, im Großen und Gan¬
zen dasselbe Volk ist wie die Bewohner des Südens von Jütland. Uebereifrige
Schleswig-Holsteiner werden sich dies vermuthlich ebenso ungern sagen lassen,
wie sie die Thatsache hören werden, daß die Verdeutschung mancher Bezirke im
Süden sich keineswegs von selbst gemacht hat, sondern auf künstlichem, wenn
auch nicht gerade, wie die Dänen behaupten, und wie selbst Etatsrath Fakel in
der Ständeversammlung einmal meinte, auf gewaltsamen Wege erreicht worden
ist. Doch werden sie. hoffen wir, mit unserm Endergebniß zufrieden sein.

Betrachten wir das Hauptkriterium der Nationalität, die Volkssprache,
so bemerken wir, daß Schleswig, von den Marschen und Inseln zwischen Husum
und dem Hcverstrom einerseits und der Wiedau andrerseits abgesehen, wo
meist friesisch geredet, aber zugleich von jedermann deutsch verstanden und ge¬
sprochen wird, in vier Districte oder Zonen zerfällt. Der erste Distnct ist
der, in welchem das Volk sich nur des Plattdeutschen als Umgangssprache'be¬
dient. Der zweite umfaßt die Striche, wo dasselbe alleinige Haus- und Ver¬
kehrssprache der großen Mehrzahl und das Hochdeutsche wohl bekannt ist. Der
dritte begreif! die Landestheile in sich, in welchen wenigstens die Erwachsenen,
namentlich die Männer, fast alle beider Sprachen, des Plattdeutschen sowie des
Idioms mächtig sind, welches wir vor der Hand als Plattdänisch oder Südjütisch
bezeichnen, und in denen zugleich noch einige Kenntniß des Hochdeutschen an¬
getroffen wird. Der vierte District endlich ist der Norden, wo auf dem Lande
das dänische Patois so gut wie ausschließlich herrscht, Kinder nirgends , Frauen
sehr selten, Männer nur ausnahmsweise irgendwelches Deutsch verstehen.

Zu der ersten Zone gehören zuvörderst die beiden Halbinseln Dänisch-
Wohld und Schwansen. Dann herrscht das Plattdeutsche ausschließlich in der
Landschaft Eiderstedt. Endlich wird in der Landesmitte von der Eider bis
hinaus zu der bereits erwähnten Linie Husum. Jmmenstedt, Sollerup, Bölling-


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[0410] Marschen bis etwa zu der Linie Jmmenstedt, Sollerup, 'Bollingstedt, Fahren- stedt. Weiter nördlich ist in der Landesmitte der Proceß der Verdeutschung noch im Gange, und in dem einen Kirchspiel überwiegt das deutsche, in dem andern das fremde Element. Noch weiter im Norden des Herzogthums, von einer Linie an, die wir vorläufig zwischen Tondern und Flensburg ziehen wollen, ist jener Proceß nicht mehr oder doch nur in schwachen Spuren noch zu bemerken. Lediglich die Städte und Flecken sind zum Theil von Deutschen bewohnt. Das Landvolk sowie die Mehrzahl der Städter, namentlich sast die ganze niedere Classe, ge¬ hört einem Mischvolk an, welches keinen völlig bestimmten nationalen Charakter hat, seiner Sprache und einigen andern Eigenthümlichkeiten nach aber jeden¬ falls näher mit den Dänen als mit den Deutschen verwandt oder, wenn wir den Unterschied zwischen den Jnseldänen und der auf dem Festland wohnenden Bevölkerung des Königreichs Dänemark betonen wollen, im Großen und Gan¬ zen dasselbe Volk ist wie die Bewohner des Südens von Jütland. Uebereifrige Schleswig-Holsteiner werden sich dies vermuthlich ebenso ungern sagen lassen, wie sie die Thatsache hören werden, daß die Verdeutschung mancher Bezirke im Süden sich keineswegs von selbst gemacht hat, sondern auf künstlichem, wenn auch nicht gerade, wie die Dänen behaupten, und wie selbst Etatsrath Fakel in der Ständeversammlung einmal meinte, auf gewaltsamen Wege erreicht worden ist. Doch werden sie. hoffen wir, mit unserm Endergebniß zufrieden sein. Betrachten wir das Hauptkriterium der Nationalität, die Volkssprache, so bemerken wir, daß Schleswig, von den Marschen und Inseln zwischen Husum und dem Hcverstrom einerseits und der Wiedau andrerseits abgesehen, wo meist friesisch geredet, aber zugleich von jedermann deutsch verstanden und ge¬ sprochen wird, in vier Districte oder Zonen zerfällt. Der erste Distnct ist der, in welchem das Volk sich nur des Plattdeutschen als Umgangssprache'be¬ dient. Der zweite umfaßt die Striche, wo dasselbe alleinige Haus- und Ver¬ kehrssprache der großen Mehrzahl und das Hochdeutsche wohl bekannt ist. Der dritte begreif! die Landestheile in sich, in welchen wenigstens die Erwachsenen, namentlich die Männer, fast alle beider Sprachen, des Plattdeutschen sowie des Idioms mächtig sind, welches wir vor der Hand als Plattdänisch oder Südjütisch bezeichnen, und in denen zugleich noch einige Kenntniß des Hochdeutschen an¬ getroffen wird. Der vierte District endlich ist der Norden, wo auf dem Lande das dänische Patois so gut wie ausschließlich herrscht, Kinder nirgends , Frauen sehr selten, Männer nur ausnahmsweise irgendwelches Deutsch verstehen. Zu der ersten Zone gehören zuvörderst die beiden Halbinseln Dänisch- Wohld und Schwansen. Dann herrscht das Plattdeutsche ausschließlich in der Landschaft Eiderstedt. Endlich wird in der Landesmitte von der Eider bis hinaus zu der bereits erwähnten Linie Husum. Jmmenstedt, Sollerup, Bölling-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/410>, abgerufen am 23.07.2024.