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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Handhabung war einfach, die Munition aber hatte beim Gewehr durch Ein¬
führung des Zündhütchens neben der Patrone statt der frühern Seldstauf-
fchüttung, an Einfachheit verloren.

Das gute und weite Treffen erreichte man durch das Ziehen des Rohrs. in
dem man mittelst Entfernung des Spielraums ^die Kugel zwang den Zügen
des Rohrs unh der ihr im Rohr gegebenen Richtung streng zu folgen; endlich
durch Einführung der Spitzkugel, welche besser geeignet ist die Luft zu durchschneiden.

Am Gewehr waren die Vortheile des gezogenen Rohrs schon im 16. Jahr¬
hundert bekannt; auch entfernte man damals den Spielraum wie heut noch
beim schweizer Stutzen mittelst Talgpflaster, in welche die Kugel eingewickelt
und durch das Rohr aus die Ladung geteilt wurde, aber diese Art der Ladung
eignet sich wenig für eine Kriegswaffe.

Die Erfindungen der Neuzeit suchten möglichst einfache Entfernung des
Spielraums und die beste Form der Kugel; die ersten in größerem Ma߬
stab zur Anwendung gekommenen Resultate waren die Dorn- und Kammer¬
gewehre. An denselben ist der Lauf, wie an allen ferner zu nennenden Ge¬
wehren gezogen. unten aber ist ein Dorn oder ein Rand am Rohr angebracht,
auf welchen die Kugel über dem Pulver zum Aufsitzen kommt. Mittelst einiger
kräftiger Stöße des Ladcstocks auf die Kugel wird diese auseinandergetrieben,
bis sie den Lauf im Durchschnitt ganz ausfüllt, und deshalb beider Entladung
genöthigt in die Züge zu treten.

Diese Gewehre schießen sehr gut und weit, aber die Züge verbleien leicht,
die zum Erweitern der Kugeln angewendete Kraft ist nicht geregelt und infolge
dessen der Dorn fragiler Natur. Im Krimfcldzuge wurden die Gewehre ganzer
französischer Bataillone wegen dieser Mängel zeitweise gefechtsuntauglich. --

Die thouveninsche Dornbüchse ist noch als Wallbüchse, als Jägergewehr
in einzelnen deutschen Kontingenten und in der russischen Armee im Gebrauch.
Das delvignesche Kammcrgewehr (mit dem Rande über der Pulverkammer)
aber finden wir noch in der französischen, östreichischen und sardinischen Armee
in theilweiser Anwendung. Um die Fehler der beiden genannten Systeme zu
vermeiden, erfand Miris seine Spitzkugeln mit einer Höhlung in der untern
Fläche, die Pulvergase treten in die Höhle und treiben die Wände auseinander
und in die Züge. Hierdurch wurde nicht allein die Ladung vereinfacht und
eine geringere Bleimasse in die Züge getrieben, sondern es wurde auch möglich,
dieses System an den vorhandenen Waffendeständen in Anwendung zu bringen.
Man schießt die MinMugel mit großer Präcision aus dem glatten Gewehr und
aus allen auch nur schwach gezogenen Rohren. Man konnte alle bereits vor-
handenen Gewehre mit schwachen Zügen versehen und zu Präcisionswaffen
umwandeln; man konnte ferner das Mimi6geschoß in Kammer- und Dorn-
gewehren verwenden. -- Diese ökonomische Seite mußte dem Minisgeschoß rasch


Grenzboten II. 1864. 6

Handhabung war einfach, die Munition aber hatte beim Gewehr durch Ein¬
führung des Zündhütchens neben der Patrone statt der frühern Seldstauf-
fchüttung, an Einfachheit verloren.

Das gute und weite Treffen erreichte man durch das Ziehen des Rohrs. in
dem man mittelst Entfernung des Spielraums ^die Kugel zwang den Zügen
des Rohrs unh der ihr im Rohr gegebenen Richtung streng zu folgen; endlich
durch Einführung der Spitzkugel, welche besser geeignet ist die Luft zu durchschneiden.

Am Gewehr waren die Vortheile des gezogenen Rohrs schon im 16. Jahr¬
hundert bekannt; auch entfernte man damals den Spielraum wie heut noch
beim schweizer Stutzen mittelst Talgpflaster, in welche die Kugel eingewickelt
und durch das Rohr aus die Ladung geteilt wurde, aber diese Art der Ladung
eignet sich wenig für eine Kriegswaffe.

Die Erfindungen der Neuzeit suchten möglichst einfache Entfernung des
Spielraums und die beste Form der Kugel; die ersten in größerem Ma߬
stab zur Anwendung gekommenen Resultate waren die Dorn- und Kammer¬
gewehre. An denselben ist der Lauf, wie an allen ferner zu nennenden Ge¬
wehren gezogen. unten aber ist ein Dorn oder ein Rand am Rohr angebracht,
auf welchen die Kugel über dem Pulver zum Aufsitzen kommt. Mittelst einiger
kräftiger Stöße des Ladcstocks auf die Kugel wird diese auseinandergetrieben,
bis sie den Lauf im Durchschnitt ganz ausfüllt, und deshalb beider Entladung
genöthigt in die Züge zu treten.

Diese Gewehre schießen sehr gut und weit, aber die Züge verbleien leicht,
die zum Erweitern der Kugeln angewendete Kraft ist nicht geregelt und infolge
dessen der Dorn fragiler Natur. Im Krimfcldzuge wurden die Gewehre ganzer
französischer Bataillone wegen dieser Mängel zeitweise gefechtsuntauglich. —

Die thouveninsche Dornbüchse ist noch als Wallbüchse, als Jägergewehr
in einzelnen deutschen Kontingenten und in der russischen Armee im Gebrauch.
Das delvignesche Kammcrgewehr (mit dem Rande über der Pulverkammer)
aber finden wir noch in der französischen, östreichischen und sardinischen Armee
in theilweiser Anwendung. Um die Fehler der beiden genannten Systeme zu
vermeiden, erfand Miris seine Spitzkugeln mit einer Höhlung in der untern
Fläche, die Pulvergase treten in die Höhle und treiben die Wände auseinander
und in die Züge. Hierdurch wurde nicht allein die Ladung vereinfacht und
eine geringere Bleimasse in die Züge getrieben, sondern es wurde auch möglich,
dieses System an den vorhandenen Waffendeständen in Anwendung zu bringen.
Man schießt die MinMugel mit großer Präcision aus dem glatten Gewehr und
aus allen auch nur schwach gezogenen Rohren. Man konnte alle bereits vor-
handenen Gewehre mit schwachen Zügen versehen und zu Präcisionswaffen
umwandeln; man konnte ferner das Mimi6geschoß in Kammer- und Dorn-
gewehren verwenden. — Diese ökonomische Seite mußte dem Minisgeschoß rasch


Grenzboten II. 1864. 6
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[0041] Handhabung war einfach, die Munition aber hatte beim Gewehr durch Ein¬ führung des Zündhütchens neben der Patrone statt der frühern Seldstauf- fchüttung, an Einfachheit verloren. Das gute und weite Treffen erreichte man durch das Ziehen des Rohrs. in dem man mittelst Entfernung des Spielraums ^die Kugel zwang den Zügen des Rohrs unh der ihr im Rohr gegebenen Richtung streng zu folgen; endlich durch Einführung der Spitzkugel, welche besser geeignet ist die Luft zu durchschneiden. Am Gewehr waren die Vortheile des gezogenen Rohrs schon im 16. Jahr¬ hundert bekannt; auch entfernte man damals den Spielraum wie heut noch beim schweizer Stutzen mittelst Talgpflaster, in welche die Kugel eingewickelt und durch das Rohr aus die Ladung geteilt wurde, aber diese Art der Ladung eignet sich wenig für eine Kriegswaffe. Die Erfindungen der Neuzeit suchten möglichst einfache Entfernung des Spielraums und die beste Form der Kugel; die ersten in größerem Ma߬ stab zur Anwendung gekommenen Resultate waren die Dorn- und Kammer¬ gewehre. An denselben ist der Lauf, wie an allen ferner zu nennenden Ge¬ wehren gezogen. unten aber ist ein Dorn oder ein Rand am Rohr angebracht, auf welchen die Kugel über dem Pulver zum Aufsitzen kommt. Mittelst einiger kräftiger Stöße des Ladcstocks auf die Kugel wird diese auseinandergetrieben, bis sie den Lauf im Durchschnitt ganz ausfüllt, und deshalb beider Entladung genöthigt in die Züge zu treten. Diese Gewehre schießen sehr gut und weit, aber die Züge verbleien leicht, die zum Erweitern der Kugeln angewendete Kraft ist nicht geregelt und infolge dessen der Dorn fragiler Natur. Im Krimfcldzuge wurden die Gewehre ganzer französischer Bataillone wegen dieser Mängel zeitweise gefechtsuntauglich. — Die thouveninsche Dornbüchse ist noch als Wallbüchse, als Jägergewehr in einzelnen deutschen Kontingenten und in der russischen Armee im Gebrauch. Das delvignesche Kammcrgewehr (mit dem Rande über der Pulverkammer) aber finden wir noch in der französischen, östreichischen und sardinischen Armee in theilweiser Anwendung. Um die Fehler der beiden genannten Systeme zu vermeiden, erfand Miris seine Spitzkugeln mit einer Höhlung in der untern Fläche, die Pulvergase treten in die Höhle und treiben die Wände auseinander und in die Züge. Hierdurch wurde nicht allein die Ladung vereinfacht und eine geringere Bleimasse in die Züge getrieben, sondern es wurde auch möglich, dieses System an den vorhandenen Waffendeständen in Anwendung zu bringen. Man schießt die MinMugel mit großer Präcision aus dem glatten Gewehr und aus allen auch nur schwach gezogenen Rohren. Man konnte alle bereits vor- handenen Gewehre mit schwachen Zügen versehen und zu Präcisionswaffen umwandeln; man konnte ferner das Mimi6geschoß in Kammer- und Dorn- gewehren verwenden. — Diese ökonomische Seite mußte dem Minisgeschoß rasch Grenzboten II. 1864. 6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/41>, abgerufen am 25.08.2024.