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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Wunsch für die preussische Armee, das; alle Veränderungen sich nicht ans die
Art der Ausbildung der Truppe", sonder" vor alle" Dingen auf die geistige
Belebung der Armeelei tu" g zu richte" haben').




Eine Erinnerung an den Communisten Wolff.

Die Zeitungen melde", daß der deutsche Literat
Wilhelm Wolff in Manchester verstorben sei. Jedem allen Breslauer steigt in diesem
Namen el" Stück-Lvcalgeschichtr, bestimmter "Geschichte der brcSlaucr Inten¬
tionen" vor die Seele. Ich glaube aber, wenn sich eine Feder funde, welche die
Biographie des armen Zeitungsschreibers mit so viel Liebe, so viel Breite und Tiefe
schriebe, wie die von Perthes oder von Elters gearbeitet ist, so würden mir eine
höchst merkwürdige Ergänzung zu jenen Bilder" von dem Cnlturlebeu unseres Jahr¬
hunderts erhalten, eine" Beitrag zur Geschichte des deutsche" Communismus.
Heute liegt diese furchtbare Verirrung des Geistes weit hinter uns. Dank den Be¬
strebungen eines Schulze und de" Arbeite" unserer Nationalökonomen, vorzüglich
Dank der Preßfreiheit und den wenigen Quadratfuß, die auch der Redefreiheit 1848
erkämpft worden sind, ist der Spuk selbst aus den Köpfen der wandernden Hand¬
werker, der Arbeiter so gut wie ganz verschwrmdcn, und wir halten den Rückfall
in inne starken Irrthümer für unmöglich. Die Jüngsten vermöge" kaum mehr zu
begreifen, wie sie denn möglich waren, während die Leichtfertigen gar zu gern der
Zeit vergessen, da sich "in dem Schooß der Städte der Fcuerzunder still
sanfte". Wolff war cuicr der Manier, dk sich mit Stolz als Pionnicrc der Revo¬
lution bezeichneten und deren ganze Lust darin bestand, den Zunder zusammenzu¬
bringen und mit dem Fuirkcn in der Hand dem Augenblick e"lgege"z"sehen, wo er
ihn mit Aussicht ans Erfolg zum Brande aufflammen liebe. Dabei war er der
weichste, der gutmüthigste Mensch von der Erde.

Er war, wie A""o 1840--1848 ziemlich alle Breslauer. Theolog, aber er hatte
much wirtlich die Theologie zum Gegenstände des Studiums gemacht. Seine Lehrer sind
nun schon alle verstorben und wer wird todte Menschen anklage"? Aber wir dürfen
doch daran erinuer", daß die theologische Wissenschaft und das kirchliche Leben einen
tiefen, schweren Schlaf thaten, bis jene durch Strauß und die Tübinger, diese durch
das "tolle Jahr" aufgerüttelt wurde" und nun wenigstens Wege zur Wahrheit,
Wege, diese ins Volt zu bringen suchten. Der sogenannte vulgäre Rationalis-
mus hat sich durch seine Gleichgültigkeit gegen das Volkswohl ebenso schwer ver-



-) Da diese Mittheilung vom Verfasser als Schluß der "Militärischen Briefe" bezeichnet
wird, erlaubt sich d. Red. in, Interesse der Sache de" Wunsch, daß der Verfasser den Inhalt
der Briefe in einer besondern Schrift zusammenfasse. Denn die kurzen Urtheile und Vor-
schlage der Briefe scheinen uns ..... in nicht gewöhnlicher Weise -- genau das auSzusprecheii,
was die preußische Armee hat und was ihr von, militärischen Standpunkt zu wünschen ist.

Wunsch für die preussische Armee, das; alle Veränderungen sich nicht ans die
Art der Ausbildung der Truppe», sonder» vor alle» Dingen auf die geistige
Belebung der Armeelei tu» g zu richte» haben').




Eine Erinnerung an den Communisten Wolff.

Die Zeitungen melde», daß der deutsche Literat
Wilhelm Wolff in Manchester verstorben sei. Jedem allen Breslauer steigt in diesem
Namen el» Stück-Lvcalgeschichtr, bestimmter „Geschichte der brcSlaucr Inten¬
tionen" vor die Seele. Ich glaube aber, wenn sich eine Feder funde, welche die
Biographie des armen Zeitungsschreibers mit so viel Liebe, so viel Breite und Tiefe
schriebe, wie die von Perthes oder von Elters gearbeitet ist, so würden mir eine
höchst merkwürdige Ergänzung zu jenen Bilder» von dem Cnlturlebeu unseres Jahr¬
hunderts erhalten, eine» Beitrag zur Geschichte des deutsche» Communismus.
Heute liegt diese furchtbare Verirrung des Geistes weit hinter uns. Dank den Be¬
strebungen eines Schulze und de» Arbeite» unserer Nationalökonomen, vorzüglich
Dank der Preßfreiheit und den wenigen Quadratfuß, die auch der Redefreiheit 1848
erkämpft worden sind, ist der Spuk selbst aus den Köpfen der wandernden Hand¬
werker, der Arbeiter so gut wie ganz verschwrmdcn, und wir halten den Rückfall
in inne starken Irrthümer für unmöglich. Die Jüngsten vermöge» kaum mehr zu
begreifen, wie sie denn möglich waren, während die Leichtfertigen gar zu gern der
Zeit vergessen, da sich „in dem Schooß der Städte der Fcuerzunder still
sanfte". Wolff war cuicr der Manier, dk sich mit Stolz als Pionnicrc der Revo¬
lution bezeichneten und deren ganze Lust darin bestand, den Zunder zusammenzu¬
bringen und mit dem Fuirkcn in der Hand dem Augenblick e»lgege»z»sehen, wo er
ihn mit Aussicht ans Erfolg zum Brande aufflammen liebe. Dabei war er der
weichste, der gutmüthigste Mensch von der Erde.

Er war, wie A»»o 1840—1848 ziemlich alle Breslauer. Theolog, aber er hatte
much wirtlich die Theologie zum Gegenstände des Studiums gemacht. Seine Lehrer sind
nun schon alle verstorben und wer wird todte Menschen anklage»? Aber wir dürfen
doch daran erinuer», daß die theologische Wissenschaft und das kirchliche Leben einen
tiefen, schweren Schlaf thaten, bis jene durch Strauß und die Tübinger, diese durch
das „tolle Jahr" aufgerüttelt wurde» und nun wenigstens Wege zur Wahrheit,
Wege, diese ins Volt zu bringen suchten. Der sogenannte vulgäre Rationalis-
mus hat sich durch seine Gleichgültigkeit gegen das Volkswohl ebenso schwer ver-



-) Da diese Mittheilung vom Verfasser als Schluß der „Militärischen Briefe" bezeichnet
wird, erlaubt sich d. Red. in, Interesse der Sache de» Wunsch, daß der Verfasser den Inhalt
der Briefe in einer besondern Schrift zusammenfasse. Denn die kurzen Urtheile und Vor-
schlage der Briefe scheinen uns ..... in nicht gewöhnlicher Weise — genau das auSzusprecheii,
was die preußische Armee hat und was ihr von, militärischen Standpunkt zu wünschen ist.
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[0406] Wunsch für die preussische Armee, das; alle Veränderungen sich nicht ans die Art der Ausbildung der Truppe», sonder» vor alle» Dingen auf die geistige Belebung der Armeelei tu» g zu richte» haben'). Eine Erinnerung an den Communisten Wolff. Die Zeitungen melde», daß der deutsche Literat Wilhelm Wolff in Manchester verstorben sei. Jedem allen Breslauer steigt in diesem Namen el» Stück-Lvcalgeschichtr, bestimmter „Geschichte der brcSlaucr Inten¬ tionen" vor die Seele. Ich glaube aber, wenn sich eine Feder funde, welche die Biographie des armen Zeitungsschreibers mit so viel Liebe, so viel Breite und Tiefe schriebe, wie die von Perthes oder von Elters gearbeitet ist, so würden mir eine höchst merkwürdige Ergänzung zu jenen Bilder» von dem Cnlturlebeu unseres Jahr¬ hunderts erhalten, eine» Beitrag zur Geschichte des deutsche» Communismus. Heute liegt diese furchtbare Verirrung des Geistes weit hinter uns. Dank den Be¬ strebungen eines Schulze und de» Arbeite» unserer Nationalökonomen, vorzüglich Dank der Preßfreiheit und den wenigen Quadratfuß, die auch der Redefreiheit 1848 erkämpft worden sind, ist der Spuk selbst aus den Köpfen der wandernden Hand¬ werker, der Arbeiter so gut wie ganz verschwrmdcn, und wir halten den Rückfall in inne starken Irrthümer für unmöglich. Die Jüngsten vermöge» kaum mehr zu begreifen, wie sie denn möglich waren, während die Leichtfertigen gar zu gern der Zeit vergessen, da sich „in dem Schooß der Städte der Fcuerzunder still sanfte". Wolff war cuicr der Manier, dk sich mit Stolz als Pionnicrc der Revo¬ lution bezeichneten und deren ganze Lust darin bestand, den Zunder zusammenzu¬ bringen und mit dem Fuirkcn in der Hand dem Augenblick e»lgege»z»sehen, wo er ihn mit Aussicht ans Erfolg zum Brande aufflammen liebe. Dabei war er der weichste, der gutmüthigste Mensch von der Erde. Er war, wie A»»o 1840—1848 ziemlich alle Breslauer. Theolog, aber er hatte much wirtlich die Theologie zum Gegenstände des Studiums gemacht. Seine Lehrer sind nun schon alle verstorben und wer wird todte Menschen anklage»? Aber wir dürfen doch daran erinuer», daß die theologische Wissenschaft und das kirchliche Leben einen tiefen, schweren Schlaf thaten, bis jene durch Strauß und die Tübinger, diese durch das „tolle Jahr" aufgerüttelt wurde» und nun wenigstens Wege zur Wahrheit, Wege, diese ins Volt zu bringen suchten. Der sogenannte vulgäre Rationalis- mus hat sich durch seine Gleichgültigkeit gegen das Volkswohl ebenso schwer ver- -) Da diese Mittheilung vom Verfasser als Schluß der „Militärischen Briefe" bezeichnet wird, erlaubt sich d. Red. in, Interesse der Sache de» Wunsch, daß der Verfasser den Inhalt der Briefe in einer besondern Schrift zusammenfasse. Denn die kurzen Urtheile und Vor- schlage der Briefe scheinen uns ..... in nicht gewöhnlicher Weise — genau das auSzusprecheii, was die preußische Armee hat und was ihr von, militärischen Standpunkt zu wünschen ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/406>, abgerufen am 03.07.2024.