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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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das Bedürfniß zu schießen. Die Thätigkeit, das eigne Schießen unterdrückt die
Angst erfahrungsmäßig am besten und mehrt den Munitionsverbrauch ganz un¬
endlich, ohne daß die feindlichen Verluste sich vergrößern. Je schärfer das Ge¬
fecht aber auf einer Stelle ist, desto schmieriger wird auch dort der Munitions-
crsatz oder eine Ablösung der Truppen. Die Ausdauer im Gefecht aber ist eins
der nothwendigsten Dinge und läßt allein eine höhere Leitung in den Gefechten
zu. -- Alle andern, größern Armeen haben also die Vordcrladungsgewchre bei¬
behalten, durchgängig jedoch gezogene Rohre eingeführt. Der Werth des sichern
Schusses ist überall anerkannt, aber der schnelle Schuß ist verworfen. Diese
letztere Ansicht können wir nicht gutheißen, weil die Vorzüge des schnellen
Schusses viel größer sind als die Nachtheile und weil man die letztern, wenn
auch nicht aufheben, so doch auf ein Minimum zurückführen kann, indem
man: 1) die Zahl der Patronen, welche der Soldat mit sich führt, vermehrt;
2) den Patronenersatz besonders regelt; 3) aber den Verlauf der Gefechte be¬
schleunigt.

Den letztern Punkt wollen wir in einem nächsten Artikel erledigen, über
die beiden andern aber folgendes bemerken: Jetzt führt jeder Soldat 60 Pa¬
tronen bei sich; diese Zahl muß man verdoppeln, indem man einestheils die
Patronen leichter macht, andrerseits das sonst vom Soldaten geführte Gewicht
vermindert. Das Erstere ist statthaft, wenn man statt Bleikugeln eiserne Kugeln
einführt. Letztere haben noch den Vorzug, daß das härtere Metall eine größere
Durchschlagskrast hat und daß die Kugeln, weil sie leichter sind, mit einer
flacheren Flughahn dasselbe Ziel erreichen als die schwereren Bleikugeln.
Das andere ist zulässig durch Verminderung des Putzapparates und durch Ent¬
fernung aller überflüssigen Ausrüstungsgegcnstände, wie z. B. des schweren
Helmes und des Jnfanterieseitcngcwehrs. Für den Patronenersatz aber bedarf
es nur der rcglementcuischen Bestimmungen und tüchtiger Fricdensvorübungen.

Ebenso wie mit der Entwicklung der Gewehre verhält es sich mit der der
Artillerie. Hier haben die Franzosen von je die meisten Fortschritte gemacht
und auch heute ist es Napoleon der Dritte, der die gezogenen Geschütze in die Feld-
artilleric eingeführt hat und dem die andern Staaten gefolgt sind. Man ist
aber noch nirgend so weit gegangen, das gezogene Rohr für alle Geschütze an¬
zuwenden und zwar deshalb nicht, weil das glatte Rohr heute noch im Nah¬
gefecht mehr leistet als das gezogene. -- Es wird für die Leser dieses Blattes
genügen, wenn hier über gezogenes und glattes Rohr folgendes angeführt wird:

1) das gezogene Geschütz erfordert eine viel genauere Behandlung und
Richtung als das glatte und wirkt deshalb langsamer, also im Nahgefecht, wo
jede Kugel trifft, weniger.

2) Das Geschoß aus dem gezogenen Rohr hat eine viel höhere Kugelbahn
und bestreicht deshalb einen viel geringern Raum in der Mannshöhe.


das Bedürfniß zu schießen. Die Thätigkeit, das eigne Schießen unterdrückt die
Angst erfahrungsmäßig am besten und mehrt den Munitionsverbrauch ganz un¬
endlich, ohne daß die feindlichen Verluste sich vergrößern. Je schärfer das Ge¬
fecht aber auf einer Stelle ist, desto schmieriger wird auch dort der Munitions-
crsatz oder eine Ablösung der Truppen. Die Ausdauer im Gefecht aber ist eins
der nothwendigsten Dinge und läßt allein eine höhere Leitung in den Gefechten
zu. — Alle andern, größern Armeen haben also die Vordcrladungsgewchre bei¬
behalten, durchgängig jedoch gezogene Rohre eingeführt. Der Werth des sichern
Schusses ist überall anerkannt, aber der schnelle Schuß ist verworfen. Diese
letztere Ansicht können wir nicht gutheißen, weil die Vorzüge des schnellen
Schusses viel größer sind als die Nachtheile und weil man die letztern, wenn
auch nicht aufheben, so doch auf ein Minimum zurückführen kann, indem
man: 1) die Zahl der Patronen, welche der Soldat mit sich führt, vermehrt;
2) den Patronenersatz besonders regelt; 3) aber den Verlauf der Gefechte be¬
schleunigt.

Den letztern Punkt wollen wir in einem nächsten Artikel erledigen, über
die beiden andern aber folgendes bemerken: Jetzt führt jeder Soldat 60 Pa¬
tronen bei sich; diese Zahl muß man verdoppeln, indem man einestheils die
Patronen leichter macht, andrerseits das sonst vom Soldaten geführte Gewicht
vermindert. Das Erstere ist statthaft, wenn man statt Bleikugeln eiserne Kugeln
einführt. Letztere haben noch den Vorzug, daß das härtere Metall eine größere
Durchschlagskrast hat und daß die Kugeln, weil sie leichter sind, mit einer
flacheren Flughahn dasselbe Ziel erreichen als die schwereren Bleikugeln.
Das andere ist zulässig durch Verminderung des Putzapparates und durch Ent¬
fernung aller überflüssigen Ausrüstungsgegcnstände, wie z. B. des schweren
Helmes und des Jnfanterieseitcngcwehrs. Für den Patronenersatz aber bedarf
es nur der rcglementcuischen Bestimmungen und tüchtiger Fricdensvorübungen.

Ebenso wie mit der Entwicklung der Gewehre verhält es sich mit der der
Artillerie. Hier haben die Franzosen von je die meisten Fortschritte gemacht
und auch heute ist es Napoleon der Dritte, der die gezogenen Geschütze in die Feld-
artilleric eingeführt hat und dem die andern Staaten gefolgt sind. Man ist
aber noch nirgend so weit gegangen, das gezogene Rohr für alle Geschütze an¬
zuwenden und zwar deshalb nicht, weil das glatte Rohr heute noch im Nah¬
gefecht mehr leistet als das gezogene. — Es wird für die Leser dieses Blattes
genügen, wenn hier über gezogenes und glattes Rohr folgendes angeführt wird:

1) das gezogene Geschütz erfordert eine viel genauere Behandlung und
Richtung als das glatte und wirkt deshalb langsamer, also im Nahgefecht, wo
jede Kugel trifft, weniger.

2) Das Geschoß aus dem gezogenen Rohr hat eine viel höhere Kugelbahn
und bestreicht deshalb einen viel geringern Raum in der Mannshöhe.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/38>, abgerufen am 23.07.2024.