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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Feuer die Entwicklung der Brigade zu ermöglichen, dann sich dem Gegner zu
nähern, ihn zu betasten, den besten Angriffspunkt festzustellen und endlich dem
Gros die Durchführung des Gefechts mehr oder minder zu überlassen. Prinz
Friedrich Karl nennt diesen Truppentheil das Vortreffen und bestimmt dazu
per Brigade ein bis zwei Bataillone. Die Franzosen und Oestreicher haben zu
diesem Zweck einer Brigade ein Jägerbataillon zugetheilt und dies ungefähr
um die Hälfte stärker gemacht, als die andern Bataillone, so daß auf sechs
Bataillone a 800 Köpfe ein Bataillon Jäger ^ 1200 Mann kommt und also
der fünfte Theil des Ganzen zum Vvrtreffen bestimmt ist. Ob dieses Zahlen¬
verhältniß richtig ist, muß die Zukunft erst lehren; denn die stets weiter und
besser wirkende Kugel entfernt die beiden fechtenden Parteien immer weiter,
macht den von dem Bortreffen zu bahnenden Weg immer länger und fordert
also immer größere Kräfte desselben. Die Franzosen haben dieser Rücksicht
schon Rechnung getragen durch die Formation und Ausbildung der Zuaven-
regimenter und verdanken diesem Umstände unstreitig die raschen Erfolge,
welche sic 1859 in Italien gegen die Oestreicher errungen haben. -- Die An¬
forderungen an diese Art Jägertruppen also ist ein guter Schuß, eine bedeu¬
tende Findigkeit im Terrain und ein scharf auf die Entscheidung drängender
kriegerischer Geist.

In der preußischen Armee ist jedem Armeecorps, also siebenundzwanzig
Bataillonen, ein Jägerbataillon in gleicher Stärke, wie jene haben, beigegeben.
Schon in diesem Zahlenverhältniß liegt für die Jäger das Exclusive ihres
Wirkungskreises, noch mehr tritt dies hervor in dem besondern Werth, welcher
in der Ausbildung der preußischen Jäger auf das Schießen gelegt wird. Eine
besondere Instruction für den Gebrauch der Jäger giebt es in der preußischen
Armee nicht, bei den Manövern ist auch kein Grundsatz in dieser Beziehung
zu bemerken, und jetzt in Schleswig scheint man von der Anwendung der
Jäger, als solcher, trotzdem gerade hier eine Gelegenheit gewesen wäre, fast ganz
abgesehen zu haben. Griesheim, der preußische Taktiker par exLelltiuee, sagt
in seinen Vorlesungen über Taktik "die eigentliche leichte Infanterie sind die
Jäger, die fast nur aus gelernten Jägern bestehen, eine Truppe, die sich wäh¬
rend der hundert Jahre ihrer Dauer unter allen Umständen bewährt hat, so¬
bald dieselbe zweckmäßig verwendet wurde." -- Die Kriegsgeschichte weiß aber
von diesem Bewähren nur sehr wenig, wahrscheinlich weil die zweckmäßige Ver¬
wendung so schwierig war. Guntau in seiner Geschichte der Jäger erzählt eine
Menge Erfolge einzelner Jäger. Erfolge, wie sie einzelne Jnfanteristen oft ge¬
nug gehabt haben, aber von der Wegnahme einer Batterie oder selbst von
einem so klaren und entscheidenden Defensivgcfecht. wie Uork mit seinen Füsi¬
lieren bei Altenzaun geführt hat, weiß er nichts. Griesheim sagt auch: "Napo¬
leon hält die Büchse für die unglücklichste Waffe, die man dem Soldaten geben
könnte, und hat den hohen Werth der Jäger weder nach der einen noch nach


Feuer die Entwicklung der Brigade zu ermöglichen, dann sich dem Gegner zu
nähern, ihn zu betasten, den besten Angriffspunkt festzustellen und endlich dem
Gros die Durchführung des Gefechts mehr oder minder zu überlassen. Prinz
Friedrich Karl nennt diesen Truppentheil das Vortreffen und bestimmt dazu
per Brigade ein bis zwei Bataillone. Die Franzosen und Oestreicher haben zu
diesem Zweck einer Brigade ein Jägerbataillon zugetheilt und dies ungefähr
um die Hälfte stärker gemacht, als die andern Bataillone, so daß auf sechs
Bataillone a 800 Köpfe ein Bataillon Jäger ^ 1200 Mann kommt und also
der fünfte Theil des Ganzen zum Vvrtreffen bestimmt ist. Ob dieses Zahlen¬
verhältniß richtig ist, muß die Zukunft erst lehren; denn die stets weiter und
besser wirkende Kugel entfernt die beiden fechtenden Parteien immer weiter,
macht den von dem Bortreffen zu bahnenden Weg immer länger und fordert
also immer größere Kräfte desselben. Die Franzosen haben dieser Rücksicht
schon Rechnung getragen durch die Formation und Ausbildung der Zuaven-
regimenter und verdanken diesem Umstände unstreitig die raschen Erfolge,
welche sic 1859 in Italien gegen die Oestreicher errungen haben. — Die An¬
forderungen an diese Art Jägertruppen also ist ein guter Schuß, eine bedeu¬
tende Findigkeit im Terrain und ein scharf auf die Entscheidung drängender
kriegerischer Geist.

In der preußischen Armee ist jedem Armeecorps, also siebenundzwanzig
Bataillonen, ein Jägerbataillon in gleicher Stärke, wie jene haben, beigegeben.
Schon in diesem Zahlenverhältniß liegt für die Jäger das Exclusive ihres
Wirkungskreises, noch mehr tritt dies hervor in dem besondern Werth, welcher
in der Ausbildung der preußischen Jäger auf das Schießen gelegt wird. Eine
besondere Instruction für den Gebrauch der Jäger giebt es in der preußischen
Armee nicht, bei den Manövern ist auch kein Grundsatz in dieser Beziehung
zu bemerken, und jetzt in Schleswig scheint man von der Anwendung der
Jäger, als solcher, trotzdem gerade hier eine Gelegenheit gewesen wäre, fast ganz
abgesehen zu haben. Griesheim, der preußische Taktiker par exLelltiuee, sagt
in seinen Vorlesungen über Taktik „die eigentliche leichte Infanterie sind die
Jäger, die fast nur aus gelernten Jägern bestehen, eine Truppe, die sich wäh¬
rend der hundert Jahre ihrer Dauer unter allen Umständen bewährt hat, so¬
bald dieselbe zweckmäßig verwendet wurde." — Die Kriegsgeschichte weiß aber
von diesem Bewähren nur sehr wenig, wahrscheinlich weil die zweckmäßige Ver¬
wendung so schwierig war. Guntau in seiner Geschichte der Jäger erzählt eine
Menge Erfolge einzelner Jäger. Erfolge, wie sie einzelne Jnfanteristen oft ge¬
nug gehabt haben, aber von der Wegnahme einer Batterie oder selbst von
einem so klaren und entscheidenden Defensivgcfecht. wie Uork mit seinen Füsi¬
lieren bei Altenzaun geführt hat, weiß er nichts. Griesheim sagt auch: „Napo¬
leon hält die Büchse für die unglücklichste Waffe, die man dem Soldaten geben
könnte, und hat den hohen Werth der Jäger weder nach der einen noch nach


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/364>, abgerufen am 23.07.2024.