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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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und den Satz "'s ist nur a Kaiserstadt" dadurch zur Geltung zu bringen ge¬
sucht, daß er Wien als die Metropole aller Intelligenz, Humanität und Ritter¬
lichkeit darstellte, alles Andere aber in den Koth zog, hat er> endlich die ver¬
schiedenen Nationalitäten, zuerst die Italiener, dann die Ungarn und Slaven
und schließlich die Bewohner Deutschlands mit ebenso rohen als wüthenden
Ausfällen überschüttet.

Und ein großer Theil des wiener Publicums nahm diese Schmähungen
beifällig auf. Was für Begriffe müßte ein Italiener, der noch keine andere
Zeitung in deutscher Sprache gelesen, von der deutschen Journalistik fassen,
wenn er erführe, daß ein i" der Residenz Oestreichs erscheinendes Blatt un¬
gestraft wagen darf, von seinen Landsleuten als von "Salamiflegeln, Macca-
ronilümmeln und Polentalakeln" zu sprechen und ihnen mit "Prügeln, die sie
im nächsten Gab-Lenz am Benet-Et kriegen werden", zu drohen? Oder ein
Ungar, wen" man,von seinen Brüdern als von einem Gesindel spricht, unter
welchem es nur "Räuber und Lumpen" giebt. Oder der Böhme, wenn man
von "böhmischen Dickschädeln" reden und die uralte Königsstadt Prag ein
"Erdäpfelncst" im Bergleiche zu dem glanzvollen Wien nennen darf?*)

Es hieße sich an der Ehre des deutschen Volkes versündigen, wenn ich
auch das, was in gleicher Weise über Deutschland und seine Bewohner gesagt
wird, anführen wollte. Gemeindenkende und sich von der Gemeinheit Andrer
nährende Gesellen giebt es überall, und so würde ich dieses Beispiel unerwähnt
lasse", wenn nicht Blätter dieser Art -- denn mehre andere Journale schreiben
in gleicher Richtung -- bei uns ein ziemlich zahlreiches Publicum fänden. Diese
Erfolge trieben nun den fruchtbaren Autor zur Veröffentlichung einiger "Volks¬
stücke" und "Kriegsbilder", in welchen selbstverständlich allen", was östreichisch
und besonders allem, was Wienerisch ist, dicker Weihrauch gestreut und alles
Andere verlästert wird. -- Aber es geschickt dem Verfasser, der seine Figuren
eben nur aus dem ihm bekannten Material zu kneten versteht, daß seine Helden
so entsetzliche Tölpel find, daß man eben nicht begreift, wie sie zuletzt derartige
Heldenthaten verrichten können. Auch bewahrte diesmal das Publicum, ob¬
gleich dasselbe es nicht an Beifall fehlen ließ, wenigstens so viel Anstand, daß
es bei den zahlreichen Witzen über Deutschland und bei den allerübertriebensten
Nuhmreden sich still verhielt. Früher fehlte es auch nicht an den gröbsten Aus¬
fällen gegen Preußen. Mag nun aber der Verfasser einen officiellen Wink er¬
halten oder mag ihn die Erstürmung der düppler Schanzen auf andere Ge¬
sinnungen gebracht haben, -- genug er hat nun am Schlüsse des einen



'> Letztere Bemerkung fand sich in einem Journale, für welches der erwähnte Schriftsteller
die Feuilletons liefert. Es wurde i" dem betreffenden Artikel das Verlangen gestellt, Wien
zu einer reichsluunittclbare" Stadt zu erheben, und dabei wurde" die Hauptstädte aller Kron-
länder Dörfer und Nester genannt, deren Bewohner von den Wohlthaten der Residenz
abhingen.

und den Satz „'s ist nur a Kaiserstadt" dadurch zur Geltung zu bringen ge¬
sucht, daß er Wien als die Metropole aller Intelligenz, Humanität und Ritter¬
lichkeit darstellte, alles Andere aber in den Koth zog, hat er> endlich die ver¬
schiedenen Nationalitäten, zuerst die Italiener, dann die Ungarn und Slaven
und schließlich die Bewohner Deutschlands mit ebenso rohen als wüthenden
Ausfällen überschüttet.

Und ein großer Theil des wiener Publicums nahm diese Schmähungen
beifällig auf. Was für Begriffe müßte ein Italiener, der noch keine andere
Zeitung in deutscher Sprache gelesen, von der deutschen Journalistik fassen,
wenn er erführe, daß ein i» der Residenz Oestreichs erscheinendes Blatt un¬
gestraft wagen darf, von seinen Landsleuten als von „Salamiflegeln, Macca-
ronilümmeln und Polentalakeln" zu sprechen und ihnen mit „Prügeln, die sie
im nächsten Gab-Lenz am Benet-Et kriegen werden", zu drohen? Oder ein
Ungar, wen» man,von seinen Brüdern als von einem Gesindel spricht, unter
welchem es nur „Räuber und Lumpen" giebt. Oder der Böhme, wenn man
von „böhmischen Dickschädeln" reden und die uralte Königsstadt Prag ein
„Erdäpfelncst" im Bergleiche zu dem glanzvollen Wien nennen darf?*)

Es hieße sich an der Ehre des deutschen Volkes versündigen, wenn ich
auch das, was in gleicher Weise über Deutschland und seine Bewohner gesagt
wird, anführen wollte. Gemeindenkende und sich von der Gemeinheit Andrer
nährende Gesellen giebt es überall, und so würde ich dieses Beispiel unerwähnt
lasse», wenn nicht Blätter dieser Art — denn mehre andere Journale schreiben
in gleicher Richtung — bei uns ein ziemlich zahlreiches Publicum fänden. Diese
Erfolge trieben nun den fruchtbaren Autor zur Veröffentlichung einiger „Volks¬
stücke" und „Kriegsbilder", in welchen selbstverständlich allen«, was östreichisch
und besonders allem, was Wienerisch ist, dicker Weihrauch gestreut und alles
Andere verlästert wird. — Aber es geschickt dem Verfasser, der seine Figuren
eben nur aus dem ihm bekannten Material zu kneten versteht, daß seine Helden
so entsetzliche Tölpel find, daß man eben nicht begreift, wie sie zuletzt derartige
Heldenthaten verrichten können. Auch bewahrte diesmal das Publicum, ob¬
gleich dasselbe es nicht an Beifall fehlen ließ, wenigstens so viel Anstand, daß
es bei den zahlreichen Witzen über Deutschland und bei den allerübertriebensten
Nuhmreden sich still verhielt. Früher fehlte es auch nicht an den gröbsten Aus¬
fällen gegen Preußen. Mag nun aber der Verfasser einen officiellen Wink er¬
halten oder mag ihn die Erstürmung der düppler Schanzen auf andere Ge¬
sinnungen gebracht haben, — genug er hat nun am Schlüsse des einen



'> Letztere Bemerkung fand sich in einem Journale, für welches der erwähnte Schriftsteller
die Feuilletons liefert. Es wurde i» dem betreffenden Artikel das Verlangen gestellt, Wien
zu einer reichsluunittclbare» Stadt zu erheben, und dabei wurde» die Hauptstädte aller Kron-
länder Dörfer und Nester genannt, deren Bewohner von den Wohlthaten der Residenz
abhingen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/362>, abgerufen am 25.08.2024.