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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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die mit einiger Wahrscheinlichkeit anzunehmende Zahl der Ausgezeichneten nicht
überschritt.

Das fast gänzliche Aussterben der Theresienordensritter mag davon Zeug¬
niß ablegen. Man konnte bis jetzt bei dem Anblicke eines Decorirten noch
annehmen, daß er, wenn auch keine sehr hervorragende That vollbracht, wenig¬
stens seine Schuldigkeit und vielleicht etwas mehr gethan bade.

Die zwei oder drei zwar glücklichen, aber nicht bedeutenden Gefechte da¬
gegen, welche die östreichischen Truppen den Dänen geliefert haben, haben eine
wahre Sündfluth von Decorationen hervorgerufen. Bekanntlich spielte die
durch ihre oftmalige Wiederholung schon dem Spott verfallene Redensart:
"Jeder Einzelne der ganzen Truppe war ein Held" auch in den diesmaligen
Berichten häusig eine Rolle. -- Zur Zeit Nadetzkys hatte diese Phrase wenig¬
stens Sinn, da d'Aspre einst hinzufügte- "Ich decorire darum nur einen, und
es möge jeder andere den Rock, welchen er trägt, als die höchste Auszeichnung
betrachten." Jetzt aber glaubte man auch die ganze Truppe oder wenigstens
so viele mit Medaillen und Orden auszeichnen zu müssen, daß der Beobachter
eher die Nichtbethciligten als die Ausgezeichneten betrachten oder dieselben auch
für Subjecte, welche ihre Pflicht vernachlässigt hatten, halten konnte. Einem
einzigen Regimente, also einer Abtheilung von etwa ZS00 Mann wurden für
ein einziges Gefecht nahe an 300 Orden und Medaillen und vielleicht evenso-
viele Belobigungen ertheilt. Im Jahre 1850 erhielten die Vertheidiger von
Ofen, welche bekanntlich siebzehn Tage lang einer ungeheuren Uebermacht den
muthigsten Widerstand geleistet hatten, und die Truppen Urbans, welche einen
fast beispiellos beschwerlichen Winterfeldzug bestanden und ihre Anhänglichkeit
an die Dynastie uuter den drückendsten Verhältnissen bewahrt hatten, zur "Be¬
lohnung ihrer besonders hervorragenden Verdienste" zusammen nicht ganz hun¬
dert Medaillen und Orden. Und doch nannte man diese Austheilung eine
ziemlich reichliche, da beide Corps nicht viel mehr als 6000 Mann zählten,
für welche unter gewöhnlichen Umständen kaum die Hälfte jener Auszeichnungen
bewilligt worden wäre.

Aber abgesehen von der übermäßigen Menge der gegenwärtig verliehenen
Ehrenzeichen, wurde bei der Auswahl der zu Belohnenden und bei der Ver¬
keilung selbst auf eine Weise vorgegangen, welche nur den Aerger der Ver¬
nünftigen in der eigenen Armee erwecken, die ganze Sache selbst aber lächerlich
machen muß. Compagnien, welche kaum einige Minuten im Gefecht gewesen
waren, zählten ebensoviele Decorirtc, als Compagnien, welche die Hälfte ihrer
Mannschaft auf dem Platze gelassen hatten. Wie hätte man aber auch von
dem System abweichen können? Schon der reglementarischcn Gleichheit halber
mußte sich überall nur die gleiche Anzahl ausgezeichnet haben. Wenn, wie die
Journale berichteten, Herr v. Gablenz Vollmacht erhalten hatte, die Belohnungen


die mit einiger Wahrscheinlichkeit anzunehmende Zahl der Ausgezeichneten nicht
überschritt.

Das fast gänzliche Aussterben der Theresienordensritter mag davon Zeug¬
niß ablegen. Man konnte bis jetzt bei dem Anblicke eines Decorirten noch
annehmen, daß er, wenn auch keine sehr hervorragende That vollbracht, wenig¬
stens seine Schuldigkeit und vielleicht etwas mehr gethan bade.

Die zwei oder drei zwar glücklichen, aber nicht bedeutenden Gefechte da¬
gegen, welche die östreichischen Truppen den Dänen geliefert haben, haben eine
wahre Sündfluth von Decorationen hervorgerufen. Bekanntlich spielte die
durch ihre oftmalige Wiederholung schon dem Spott verfallene Redensart:
„Jeder Einzelne der ganzen Truppe war ein Held" auch in den diesmaligen
Berichten häusig eine Rolle. — Zur Zeit Nadetzkys hatte diese Phrase wenig¬
stens Sinn, da d'Aspre einst hinzufügte- „Ich decorire darum nur einen, und
es möge jeder andere den Rock, welchen er trägt, als die höchste Auszeichnung
betrachten." Jetzt aber glaubte man auch die ganze Truppe oder wenigstens
so viele mit Medaillen und Orden auszeichnen zu müssen, daß der Beobachter
eher die Nichtbethciligten als die Ausgezeichneten betrachten oder dieselben auch
für Subjecte, welche ihre Pflicht vernachlässigt hatten, halten konnte. Einem
einzigen Regimente, also einer Abtheilung von etwa ZS00 Mann wurden für
ein einziges Gefecht nahe an 300 Orden und Medaillen und vielleicht evenso-
viele Belobigungen ertheilt. Im Jahre 1850 erhielten die Vertheidiger von
Ofen, welche bekanntlich siebzehn Tage lang einer ungeheuren Uebermacht den
muthigsten Widerstand geleistet hatten, und die Truppen Urbans, welche einen
fast beispiellos beschwerlichen Winterfeldzug bestanden und ihre Anhänglichkeit
an die Dynastie uuter den drückendsten Verhältnissen bewahrt hatten, zur „Be¬
lohnung ihrer besonders hervorragenden Verdienste" zusammen nicht ganz hun¬
dert Medaillen und Orden. Und doch nannte man diese Austheilung eine
ziemlich reichliche, da beide Corps nicht viel mehr als 6000 Mann zählten,
für welche unter gewöhnlichen Umständen kaum die Hälfte jener Auszeichnungen
bewilligt worden wäre.

Aber abgesehen von der übermäßigen Menge der gegenwärtig verliehenen
Ehrenzeichen, wurde bei der Auswahl der zu Belohnenden und bei der Ver¬
keilung selbst auf eine Weise vorgegangen, welche nur den Aerger der Ver¬
nünftigen in der eigenen Armee erwecken, die ganze Sache selbst aber lächerlich
machen muß. Compagnien, welche kaum einige Minuten im Gefecht gewesen
waren, zählten ebensoviele Decorirtc, als Compagnien, welche die Hälfte ihrer
Mannschaft auf dem Platze gelassen hatten. Wie hätte man aber auch von
dem System abweichen können? Schon der reglementarischcn Gleichheit halber
mußte sich überall nur die gleiche Anzahl ausgezeichnet haben. Wenn, wie die
Journale berichteten, Herr v. Gablenz Vollmacht erhalten hatte, die Belohnungen


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[0358] die mit einiger Wahrscheinlichkeit anzunehmende Zahl der Ausgezeichneten nicht überschritt. Das fast gänzliche Aussterben der Theresienordensritter mag davon Zeug¬ niß ablegen. Man konnte bis jetzt bei dem Anblicke eines Decorirten noch annehmen, daß er, wenn auch keine sehr hervorragende That vollbracht, wenig¬ stens seine Schuldigkeit und vielleicht etwas mehr gethan bade. Die zwei oder drei zwar glücklichen, aber nicht bedeutenden Gefechte da¬ gegen, welche die östreichischen Truppen den Dänen geliefert haben, haben eine wahre Sündfluth von Decorationen hervorgerufen. Bekanntlich spielte die durch ihre oftmalige Wiederholung schon dem Spott verfallene Redensart: „Jeder Einzelne der ganzen Truppe war ein Held" auch in den diesmaligen Berichten häusig eine Rolle. — Zur Zeit Nadetzkys hatte diese Phrase wenig¬ stens Sinn, da d'Aspre einst hinzufügte- „Ich decorire darum nur einen, und es möge jeder andere den Rock, welchen er trägt, als die höchste Auszeichnung betrachten." Jetzt aber glaubte man auch die ganze Truppe oder wenigstens so viele mit Medaillen und Orden auszeichnen zu müssen, daß der Beobachter eher die Nichtbethciligten als die Ausgezeichneten betrachten oder dieselben auch für Subjecte, welche ihre Pflicht vernachlässigt hatten, halten konnte. Einem einzigen Regimente, also einer Abtheilung von etwa ZS00 Mann wurden für ein einziges Gefecht nahe an 300 Orden und Medaillen und vielleicht evenso- viele Belobigungen ertheilt. Im Jahre 1850 erhielten die Vertheidiger von Ofen, welche bekanntlich siebzehn Tage lang einer ungeheuren Uebermacht den muthigsten Widerstand geleistet hatten, und die Truppen Urbans, welche einen fast beispiellos beschwerlichen Winterfeldzug bestanden und ihre Anhänglichkeit an die Dynastie uuter den drückendsten Verhältnissen bewahrt hatten, zur „Be¬ lohnung ihrer besonders hervorragenden Verdienste" zusammen nicht ganz hun¬ dert Medaillen und Orden. Und doch nannte man diese Austheilung eine ziemlich reichliche, da beide Corps nicht viel mehr als 6000 Mann zählten, für welche unter gewöhnlichen Umständen kaum die Hälfte jener Auszeichnungen bewilligt worden wäre. Aber abgesehen von der übermäßigen Menge der gegenwärtig verliehenen Ehrenzeichen, wurde bei der Auswahl der zu Belohnenden und bei der Ver¬ keilung selbst auf eine Weise vorgegangen, welche nur den Aerger der Ver¬ nünftigen in der eigenen Armee erwecken, die ganze Sache selbst aber lächerlich machen muß. Compagnien, welche kaum einige Minuten im Gefecht gewesen waren, zählten ebensoviele Decorirtc, als Compagnien, welche die Hälfte ihrer Mannschaft auf dem Platze gelassen hatten. Wie hätte man aber auch von dem System abweichen können? Schon der reglementarischcn Gleichheit halber mußte sich überall nur die gleiche Anzahl ausgezeichnet haben. Wenn, wie die Journale berichteten, Herr v. Gablenz Vollmacht erhalten hatte, die Belohnungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/358>, abgerufen am 23.07.2024.