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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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gesündigt. Kommen Sie z. B. zu uns nach Wien, hören und sehen Sie sich
die pomphafte Manier an. mit der sie hier die Leistungen der Oestreichs im
Kriege mit den Dänen als unerhörte Großthaten preisen und gepriesen wissen
Wollen, und das zu hochgespannte Selbstgefühl des Verfassers der preußischen
Proclamationen und Schlachtherichte wird ihnen daneben fast wie Bescheiden¬
heit, wenigstens maßvoll vorkommen. Hier ists Natur, zeitweiliges, mit Eile
zu entschuldigendes Vergessen der Geschichte. Ueberhebung in der ersten Freude
über das Gelingen, vielleicht ein bloßer Stilfehler. Bei uns dagegen ist diese
Hinaufschraubung mäßiger Gefechte zum Range von Schlachten, dieses unauf¬
hörliche Renommiren mit Erfolgen zweifelhafter Art wie mit weltumgestaltenden
Siegen nichts als der reine studirte Humbug. bei dem man allenthalben die
Absicht merkt.

Vor kurzem schrieb ich Ihnen von dem Spectakelstück. ,zu dem man die
Einbringung der bei Schleswig eroberten Geschütze umgestaltete. Es ist aber
weit mehr der Art zu melden, und die Ehronck lächerlichster Uebertreibungen
ist durch die Regierung selbst und noch mehr durch eine gewisse Classe von
Leuten, die aus den Beifall der Negierung speculiren. noch um manche Seite
voll Komik bereichert worden. Einiges davon sei hier noch mitgetheilt.

Nicht ohne Grund wurden bisher die östreichischen Orden und Ehrenzeichen
denen mancher anderer Staaten im Range vorgesetzt, einmal weil man, wenn
auch bei der Wahl der Persönlichkeiten und der zu belohnender Leistungen nicht
immer das wahre Verdienst berücksichtigt wurde, doch mit der Vertheilung spar-
samer als anderswo zu Werke ging; dann weil -- in unserer materiellen Zeit
ein nicht unbedeutender Factor -- mehre dieser Ehrenzeichen, z. B. der
Theresienordcn. die goldene und die große silberne Medaille, mit einer Geld¬
zulage verbunden sind. Bis zum Jahre 1848 wurden Soldaten, welche sich
ausgezeichnet hatten, jedoch keine Medaille erhalten konnten, auch wohl mit
Geld (gewöhnlich waren es Ducaten) belohnt. Um den kriegerischen Stolz zu
erhöhen, wohl auch aus Gründen nothwendiger Sparsamkeit, schaffte man spä¬
ter diese Geldgeschenke ab und verlieh an deren Stelle kleine silberne Medaillen,
mit welchen keine Gcldzulage verbunden war. Ebenso wurde für die Offiziere
das Verdienstkreuz gestiftet, womit die früher übliche Beförderung außer der
Nangstvur. Gnadengehalte und Tabatisren oder Brillantringc bei Seite ge¬
schafft wurden. Wurden hierdurch die Belohnungen,geringhaltiger. so konnten
dafür jetzt mehre beglückt und nebenbei Ersparungen erzielt werden, um einige
besonders Bevorzugte desto ausgiebiger mit Geld und Ehren überschütten zu
können.

Indessen ist zuzugeben, daß man in den Jahren 1848 und 1849 und
ebenso in dem letzten französisch-italienischen Kriege noch durchaus in den
Schranken der Ueberlegung verblieb und bei der Austheilung der Belohnungen


gesündigt. Kommen Sie z. B. zu uns nach Wien, hören und sehen Sie sich
die pomphafte Manier an. mit der sie hier die Leistungen der Oestreichs im
Kriege mit den Dänen als unerhörte Großthaten preisen und gepriesen wissen
Wollen, und das zu hochgespannte Selbstgefühl des Verfassers der preußischen
Proclamationen und Schlachtherichte wird ihnen daneben fast wie Bescheiden¬
heit, wenigstens maßvoll vorkommen. Hier ists Natur, zeitweiliges, mit Eile
zu entschuldigendes Vergessen der Geschichte. Ueberhebung in der ersten Freude
über das Gelingen, vielleicht ein bloßer Stilfehler. Bei uns dagegen ist diese
Hinaufschraubung mäßiger Gefechte zum Range von Schlachten, dieses unauf¬
hörliche Renommiren mit Erfolgen zweifelhafter Art wie mit weltumgestaltenden
Siegen nichts als der reine studirte Humbug. bei dem man allenthalben die
Absicht merkt.

Vor kurzem schrieb ich Ihnen von dem Spectakelstück. ,zu dem man die
Einbringung der bei Schleswig eroberten Geschütze umgestaltete. Es ist aber
weit mehr der Art zu melden, und die Ehronck lächerlichster Uebertreibungen
ist durch die Regierung selbst und noch mehr durch eine gewisse Classe von
Leuten, die aus den Beifall der Negierung speculiren. noch um manche Seite
voll Komik bereichert worden. Einiges davon sei hier noch mitgetheilt.

Nicht ohne Grund wurden bisher die östreichischen Orden und Ehrenzeichen
denen mancher anderer Staaten im Range vorgesetzt, einmal weil man, wenn
auch bei der Wahl der Persönlichkeiten und der zu belohnender Leistungen nicht
immer das wahre Verdienst berücksichtigt wurde, doch mit der Vertheilung spar-
samer als anderswo zu Werke ging; dann weil — in unserer materiellen Zeit
ein nicht unbedeutender Factor — mehre dieser Ehrenzeichen, z. B. der
Theresienordcn. die goldene und die große silberne Medaille, mit einer Geld¬
zulage verbunden sind. Bis zum Jahre 1848 wurden Soldaten, welche sich
ausgezeichnet hatten, jedoch keine Medaille erhalten konnten, auch wohl mit
Geld (gewöhnlich waren es Ducaten) belohnt. Um den kriegerischen Stolz zu
erhöhen, wohl auch aus Gründen nothwendiger Sparsamkeit, schaffte man spä¬
ter diese Geldgeschenke ab und verlieh an deren Stelle kleine silberne Medaillen,
mit welchen keine Gcldzulage verbunden war. Ebenso wurde für die Offiziere
das Verdienstkreuz gestiftet, womit die früher übliche Beförderung außer der
Nangstvur. Gnadengehalte und Tabatisren oder Brillantringc bei Seite ge¬
schafft wurden. Wurden hierdurch die Belohnungen,geringhaltiger. so konnten
dafür jetzt mehre beglückt und nebenbei Ersparungen erzielt werden, um einige
besonders Bevorzugte desto ausgiebiger mit Geld und Ehren überschütten zu
können.

Indessen ist zuzugeben, daß man in den Jahren 1848 und 1849 und
ebenso in dem letzten französisch-italienischen Kriege noch durchaus in den
Schranken der Ueberlegung verblieb und bei der Austheilung der Belohnungen


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[0357] gesündigt. Kommen Sie z. B. zu uns nach Wien, hören und sehen Sie sich die pomphafte Manier an. mit der sie hier die Leistungen der Oestreichs im Kriege mit den Dänen als unerhörte Großthaten preisen und gepriesen wissen Wollen, und das zu hochgespannte Selbstgefühl des Verfassers der preußischen Proclamationen und Schlachtherichte wird ihnen daneben fast wie Bescheiden¬ heit, wenigstens maßvoll vorkommen. Hier ists Natur, zeitweiliges, mit Eile zu entschuldigendes Vergessen der Geschichte. Ueberhebung in der ersten Freude über das Gelingen, vielleicht ein bloßer Stilfehler. Bei uns dagegen ist diese Hinaufschraubung mäßiger Gefechte zum Range von Schlachten, dieses unauf¬ hörliche Renommiren mit Erfolgen zweifelhafter Art wie mit weltumgestaltenden Siegen nichts als der reine studirte Humbug. bei dem man allenthalben die Absicht merkt. Vor kurzem schrieb ich Ihnen von dem Spectakelstück. ,zu dem man die Einbringung der bei Schleswig eroberten Geschütze umgestaltete. Es ist aber weit mehr der Art zu melden, und die Ehronck lächerlichster Uebertreibungen ist durch die Regierung selbst und noch mehr durch eine gewisse Classe von Leuten, die aus den Beifall der Negierung speculiren. noch um manche Seite voll Komik bereichert worden. Einiges davon sei hier noch mitgetheilt. Nicht ohne Grund wurden bisher die östreichischen Orden und Ehrenzeichen denen mancher anderer Staaten im Range vorgesetzt, einmal weil man, wenn auch bei der Wahl der Persönlichkeiten und der zu belohnender Leistungen nicht immer das wahre Verdienst berücksichtigt wurde, doch mit der Vertheilung spar- samer als anderswo zu Werke ging; dann weil — in unserer materiellen Zeit ein nicht unbedeutender Factor — mehre dieser Ehrenzeichen, z. B. der Theresienordcn. die goldene und die große silberne Medaille, mit einer Geld¬ zulage verbunden sind. Bis zum Jahre 1848 wurden Soldaten, welche sich ausgezeichnet hatten, jedoch keine Medaille erhalten konnten, auch wohl mit Geld (gewöhnlich waren es Ducaten) belohnt. Um den kriegerischen Stolz zu erhöhen, wohl auch aus Gründen nothwendiger Sparsamkeit, schaffte man spä¬ ter diese Geldgeschenke ab und verlieh an deren Stelle kleine silberne Medaillen, mit welchen keine Gcldzulage verbunden war. Ebenso wurde für die Offiziere das Verdienstkreuz gestiftet, womit die früher übliche Beförderung außer der Nangstvur. Gnadengehalte und Tabatisren oder Brillantringc bei Seite ge¬ schafft wurden. Wurden hierdurch die Belohnungen,geringhaltiger. so konnten dafür jetzt mehre beglückt und nebenbei Ersparungen erzielt werden, um einige besonders Bevorzugte desto ausgiebiger mit Geld und Ehren überschütten zu können. Indessen ist zuzugeben, daß man in den Jahren 1848 und 1849 und ebenso in dem letzten französisch-italienischen Kriege noch durchaus in den Schranken der Ueberlegung verblieb und bei der Austheilung der Belohnungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/357>, abgerufen am 23.07.2024.