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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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und wollen deshalb dos Charakteristische derselben hier näher feststellen, dem
Einzelnen den Vergleich und die Bestätigung obiger Behauptung anheim¬
stellend.

Die Erfolge der französischen Waffen werden besonders zugeschrieben:
1) Einer vorzüglichen Armeeleitnng. 2) Einer jeden Einzelnen belebenden
Thatkraft. 3) Der Kampstüchtigkeit im Einzelgcfecht.

Die Güte der Armeelcitung hat in der Krim wie in Italien sich nicht
nur in den militärischen Bewegungen, sondern auch in der Sorge sür das
Wohl der Soldaten geltend gemacht und ist basirt auf guten militärischen In¬
stitutionen und einer vorzüglichen Durchbildung des französischen Gcneralstabes.
In dieser Beziehung ist der Gegensatz gegen alle andern Armeen sehr bedeutend,
wie ein einfacher Vergleich darthut. Am entsprechendsten dem bisherigen Ge-
dankengange dieser Briefe würde ein Vergleich mit den preußischen Einrichtungen
sein, aber das ist unmöglich, weil die preußische Armee jeder festen Organisa¬
tion, jedes Reglements, jeder Instruction in dieser Beziehung entbehrt. Eine
Unmasse von Einzelbestimmungcn sind vorhanden, aber keine organisatorischen,
die leitenden Gesetze fehlen, und die Folge davon ist Unselbständigkeit der Be¬
hörden. In dem jetzigen kleinen und ganz localen Kriege hat sich dieser Uebel¬
stand gewiß geltend gemacht, und vielleicht steht eine Abhilfe bevor, ebenso wie
diese in England dem Krimkriege folgte. In Oestreich haben die Erfahrungen
des italienischen Krieges in dieser Beziehung nicht zu so raschem Resultate ge¬
führt, weit die Oeffentlichkeit nicht scharf genug die treibenden Segel bläht wie
in England.

Während in Frankreich alle Zweige der militärischen Befehlserthcilung so¬
wohl als der Verwaltung sich im Kriegsminister gipfeln, hatte England beim Be¬
ginn des Krimlncgs zwei Kriegsminister mit getrenntem Ressort, ein Arinee-
commando und ein Feldzcugmcistcramt, welche sich nunmehr in ein Armcecommando
und einen Kriegsminister reducirt haben, deren Geschäfte sich derart theilen, daß
bei dem erstern sich die gesammte Befehlscrtheilung, incl. Jurisdiction concentrirt,
während in dem Kriegsministerium die eigentliche Verwaltung und die Gesetz¬
gebung ruht. Die Einheit der französischen Einrichtung sichert eine viel raschere
und richtigere Erledigung aller Geschäfte und hat in der-Krim sich trefflich be¬
währt und die Nachtheile der damaligen englischen Organisation sehr klar ge¬
legt. -- Die jetzt in England eingeführte Theilung der Gewalten hat den
Vorzug, daß im Frieden die ihrer Natur nach conservative militärische Macht
von den Wandelbartciten der Politik unberührter bleibt und nicht mit jedem
neuen Ministerium andere Ansichten als leitend aufgestellt werden, im Kriege aber
bedarf es voller Einheit der beiden obern Stellen, wenn nicht Stockungen in die
Lebensadern kommen sollen, welche die Armee mit dem Vaterland verbinden.


und wollen deshalb dos Charakteristische derselben hier näher feststellen, dem
Einzelnen den Vergleich und die Bestätigung obiger Behauptung anheim¬
stellend.

Die Erfolge der französischen Waffen werden besonders zugeschrieben:
1) Einer vorzüglichen Armeeleitnng. 2) Einer jeden Einzelnen belebenden
Thatkraft. 3) Der Kampstüchtigkeit im Einzelgcfecht.

Die Güte der Armeelcitung hat in der Krim wie in Italien sich nicht
nur in den militärischen Bewegungen, sondern auch in der Sorge sür das
Wohl der Soldaten geltend gemacht und ist basirt auf guten militärischen In¬
stitutionen und einer vorzüglichen Durchbildung des französischen Gcneralstabes.
In dieser Beziehung ist der Gegensatz gegen alle andern Armeen sehr bedeutend,
wie ein einfacher Vergleich darthut. Am entsprechendsten dem bisherigen Ge-
dankengange dieser Briefe würde ein Vergleich mit den preußischen Einrichtungen
sein, aber das ist unmöglich, weil die preußische Armee jeder festen Organisa¬
tion, jedes Reglements, jeder Instruction in dieser Beziehung entbehrt. Eine
Unmasse von Einzelbestimmungcn sind vorhanden, aber keine organisatorischen,
die leitenden Gesetze fehlen, und die Folge davon ist Unselbständigkeit der Be¬
hörden. In dem jetzigen kleinen und ganz localen Kriege hat sich dieser Uebel¬
stand gewiß geltend gemacht, und vielleicht steht eine Abhilfe bevor, ebenso wie
diese in England dem Krimkriege folgte. In Oestreich haben die Erfahrungen
des italienischen Krieges in dieser Beziehung nicht zu so raschem Resultate ge¬
führt, weit die Oeffentlichkeit nicht scharf genug die treibenden Segel bläht wie
in England.

Während in Frankreich alle Zweige der militärischen Befehlserthcilung so¬
wohl als der Verwaltung sich im Kriegsminister gipfeln, hatte England beim Be¬
ginn des Krimlncgs zwei Kriegsminister mit getrenntem Ressort, ein Arinee-
commando und ein Feldzcugmcistcramt, welche sich nunmehr in ein Armcecommando
und einen Kriegsminister reducirt haben, deren Geschäfte sich derart theilen, daß
bei dem erstern sich die gesammte Befehlscrtheilung, incl. Jurisdiction concentrirt,
während in dem Kriegsministerium die eigentliche Verwaltung und die Gesetz¬
gebung ruht. Die Einheit der französischen Einrichtung sichert eine viel raschere
und richtigere Erledigung aller Geschäfte und hat in der-Krim sich trefflich be¬
währt und die Nachtheile der damaligen englischen Organisation sehr klar ge¬
legt. — Die jetzt in England eingeführte Theilung der Gewalten hat den
Vorzug, daß im Frieden die ihrer Natur nach conservative militärische Macht
von den Wandelbartciten der Politik unberührter bleibt und nicht mit jedem
neuen Ministerium andere Ansichten als leitend aufgestellt werden, im Kriege aber
bedarf es voller Einheit der beiden obern Stellen, wenn nicht Stockungen in die
Lebensadern kommen sollen, welche die Armee mit dem Vaterland verbinden.


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[0322] und wollen deshalb dos Charakteristische derselben hier näher feststellen, dem Einzelnen den Vergleich und die Bestätigung obiger Behauptung anheim¬ stellend. Die Erfolge der französischen Waffen werden besonders zugeschrieben: 1) Einer vorzüglichen Armeeleitnng. 2) Einer jeden Einzelnen belebenden Thatkraft. 3) Der Kampstüchtigkeit im Einzelgcfecht. Die Güte der Armeelcitung hat in der Krim wie in Italien sich nicht nur in den militärischen Bewegungen, sondern auch in der Sorge sür das Wohl der Soldaten geltend gemacht und ist basirt auf guten militärischen In¬ stitutionen und einer vorzüglichen Durchbildung des französischen Gcneralstabes. In dieser Beziehung ist der Gegensatz gegen alle andern Armeen sehr bedeutend, wie ein einfacher Vergleich darthut. Am entsprechendsten dem bisherigen Ge- dankengange dieser Briefe würde ein Vergleich mit den preußischen Einrichtungen sein, aber das ist unmöglich, weil die preußische Armee jeder festen Organisa¬ tion, jedes Reglements, jeder Instruction in dieser Beziehung entbehrt. Eine Unmasse von Einzelbestimmungcn sind vorhanden, aber keine organisatorischen, die leitenden Gesetze fehlen, und die Folge davon ist Unselbständigkeit der Be¬ hörden. In dem jetzigen kleinen und ganz localen Kriege hat sich dieser Uebel¬ stand gewiß geltend gemacht, und vielleicht steht eine Abhilfe bevor, ebenso wie diese in England dem Krimkriege folgte. In Oestreich haben die Erfahrungen des italienischen Krieges in dieser Beziehung nicht zu so raschem Resultate ge¬ führt, weit die Oeffentlichkeit nicht scharf genug die treibenden Segel bläht wie in England. Während in Frankreich alle Zweige der militärischen Befehlserthcilung so¬ wohl als der Verwaltung sich im Kriegsminister gipfeln, hatte England beim Be¬ ginn des Krimlncgs zwei Kriegsminister mit getrenntem Ressort, ein Arinee- commando und ein Feldzcugmcistcramt, welche sich nunmehr in ein Armcecommando und einen Kriegsminister reducirt haben, deren Geschäfte sich derart theilen, daß bei dem erstern sich die gesammte Befehlscrtheilung, incl. Jurisdiction concentrirt, während in dem Kriegsministerium die eigentliche Verwaltung und die Gesetz¬ gebung ruht. Die Einheit der französischen Einrichtung sichert eine viel raschere und richtigere Erledigung aller Geschäfte und hat in der-Krim sich trefflich be¬ währt und die Nachtheile der damaligen englischen Organisation sehr klar ge¬ legt. — Die jetzt in England eingeführte Theilung der Gewalten hat den Vorzug, daß im Frieden die ihrer Natur nach conservative militärische Macht von den Wandelbartciten der Politik unberührter bleibt und nicht mit jedem neuen Ministerium andere Ansichten als leitend aufgestellt werden, im Kriege aber bedarf es voller Einheit der beiden obern Stellen, wenn nicht Stockungen in die Lebensadern kommen sollen, welche die Armee mit dem Vaterland verbinden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/322>, abgerufen am 23.07.2024.