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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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schen Obercommando gelungen wäre, bis jetzt die Dänen mehr zu beschädigen,
als geschehen. --

Wir hatten im Anschluß an die im jetzigen Kriege gesammelten Erfahrungen
die Ausbildung der preußischen Infanterie besprochen. Es ist vielleicht Man¬
chem aufgefallen, daß dabei der Kampfwcise der Franzosen gar keine Erwähnung
geschah, die doch als Ideal dessen angesehen wird, was eine militärische
Ausbildung erreichen tan" und erstreben muß. Allein diese Kampfweise ist eben
eine echt französische, sie kann von andern Völkern wohl abkonterfeit, aber nicht
in ihrem Wesen angenommen werden und kann deshalb auch nicht von uns
mit Vortheil gegen unsere Feinde verwandt werden. Der Soldat, wie jeder
Mensch, leistet am meisten durch die höchste Entwickelung der eigensten Natur
und nicht durch Aufpfropfen fremder Elemente. Einen Beleg zu dieser Behaup¬
tung gewährt der blutige Kampf, welcher der Wegnahme der Düppler Schan¬
zen im Terrain bis zum Brückenkopf folgte. Die preußischen Truppen, welche
durchgehends einen Unterricht im Bajonnetiren genossen und für den Kampf
Mann gegen Mann nur das Bajonnet als Waffe kennen gelernt haben, sind
nicht einen Moment in Zweifel gewesen, in obigem Gefecht, gerade wie vor
fünfzig Jahren, das Gewehr umzudrehen und mit dem Kolben auf den Gegner
loszuschlagen. Der Franzose aber bleibt dem Bajonnet zu allen Zeiten treu.
Wem der Sieg angehört, ob dem Bajonnet oder dem Kolben wird vielleicht die
Zukunft lehren, gewiß ist, daß im Jahr 1813 der Kolben, besser fluschte.
Deshalb bleibt doch das Bajonnetiren ebenso wie das Turnen ein sehr guter
Uebungszweig, um den Einzelnen gewandt und auch mit der Gefahr vertraut
zu machen.

Nicht die Kampfweise der Franzosen hat ihnen in Italien und in der
Krim den Sieg verschafft, sondern der in dieser Kampfweise echt fran¬
zösisch zum Ausdruck gekommene Grundsatz, daß die Leistung des Ganzen
unendlich gesteigert wird durch die vollste Entwicklung der Thatkraft des
Einzelnen. Das ist eine Wahrheit, welche die politische Entwicklung der
Völker der Neuzeit in die Kriegsgeschichte eingeführt hat und die, je nach¬
dem sie in verschiedenen Verfassungen sich anders ausdrückt, auch je nach
der Individualität der Völker eine andere Kampfwcise fordert. Der Franzose
ist im Allgemeinen ebenso intelligent wie eitel und stellt die Ehre Frankreichs
ebenso hoch wie seine eigene. Die vorwiegenden Eigenschaften des Deutschen
sind Fleiß und Gründlichkeit, verbunden mit einiger Gleichgiltigkeit gegen die
staatlichen Verhältnisse, so lange diese ihn nicht incommodiren. Diesen ver¬
schiedenen Eigenschaften beider Völker muß Rechnung getragen werden in
der Organisation, in der Art der Ausbildung und in der Kampfweise der
entsprechenden Armeen. Wir haben es hier nur mit der letztem zu thun


Grenzboten II. 18V4. 40

schen Obercommando gelungen wäre, bis jetzt die Dänen mehr zu beschädigen,
als geschehen. —

Wir hatten im Anschluß an die im jetzigen Kriege gesammelten Erfahrungen
die Ausbildung der preußischen Infanterie besprochen. Es ist vielleicht Man¬
chem aufgefallen, daß dabei der Kampfwcise der Franzosen gar keine Erwähnung
geschah, die doch als Ideal dessen angesehen wird, was eine militärische
Ausbildung erreichen tan» und erstreben muß. Allein diese Kampfweise ist eben
eine echt französische, sie kann von andern Völkern wohl abkonterfeit, aber nicht
in ihrem Wesen angenommen werden und kann deshalb auch nicht von uns
mit Vortheil gegen unsere Feinde verwandt werden. Der Soldat, wie jeder
Mensch, leistet am meisten durch die höchste Entwickelung der eigensten Natur
und nicht durch Aufpfropfen fremder Elemente. Einen Beleg zu dieser Behaup¬
tung gewährt der blutige Kampf, welcher der Wegnahme der Düppler Schan¬
zen im Terrain bis zum Brückenkopf folgte. Die preußischen Truppen, welche
durchgehends einen Unterricht im Bajonnetiren genossen und für den Kampf
Mann gegen Mann nur das Bajonnet als Waffe kennen gelernt haben, sind
nicht einen Moment in Zweifel gewesen, in obigem Gefecht, gerade wie vor
fünfzig Jahren, das Gewehr umzudrehen und mit dem Kolben auf den Gegner
loszuschlagen. Der Franzose aber bleibt dem Bajonnet zu allen Zeiten treu.
Wem der Sieg angehört, ob dem Bajonnet oder dem Kolben wird vielleicht die
Zukunft lehren, gewiß ist, daß im Jahr 1813 der Kolben, besser fluschte.
Deshalb bleibt doch das Bajonnetiren ebenso wie das Turnen ein sehr guter
Uebungszweig, um den Einzelnen gewandt und auch mit der Gefahr vertraut
zu machen.

Nicht die Kampfweise der Franzosen hat ihnen in Italien und in der
Krim den Sieg verschafft, sondern der in dieser Kampfweise echt fran¬
zösisch zum Ausdruck gekommene Grundsatz, daß die Leistung des Ganzen
unendlich gesteigert wird durch die vollste Entwicklung der Thatkraft des
Einzelnen. Das ist eine Wahrheit, welche die politische Entwicklung der
Völker der Neuzeit in die Kriegsgeschichte eingeführt hat und die, je nach¬
dem sie in verschiedenen Verfassungen sich anders ausdrückt, auch je nach
der Individualität der Völker eine andere Kampfwcise fordert. Der Franzose
ist im Allgemeinen ebenso intelligent wie eitel und stellt die Ehre Frankreichs
ebenso hoch wie seine eigene. Die vorwiegenden Eigenschaften des Deutschen
sind Fleiß und Gründlichkeit, verbunden mit einiger Gleichgiltigkeit gegen die
staatlichen Verhältnisse, so lange diese ihn nicht incommodiren. Diesen ver¬
schiedenen Eigenschaften beider Völker muß Rechnung getragen werden in
der Organisation, in der Art der Ausbildung und in der Kampfweise der
entsprechenden Armeen. Wir haben es hier nur mit der letztem zu thun


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[0321] schen Obercommando gelungen wäre, bis jetzt die Dänen mehr zu beschädigen, als geschehen. — Wir hatten im Anschluß an die im jetzigen Kriege gesammelten Erfahrungen die Ausbildung der preußischen Infanterie besprochen. Es ist vielleicht Man¬ chem aufgefallen, daß dabei der Kampfwcise der Franzosen gar keine Erwähnung geschah, die doch als Ideal dessen angesehen wird, was eine militärische Ausbildung erreichen tan» und erstreben muß. Allein diese Kampfweise ist eben eine echt französische, sie kann von andern Völkern wohl abkonterfeit, aber nicht in ihrem Wesen angenommen werden und kann deshalb auch nicht von uns mit Vortheil gegen unsere Feinde verwandt werden. Der Soldat, wie jeder Mensch, leistet am meisten durch die höchste Entwickelung der eigensten Natur und nicht durch Aufpfropfen fremder Elemente. Einen Beleg zu dieser Behaup¬ tung gewährt der blutige Kampf, welcher der Wegnahme der Düppler Schan¬ zen im Terrain bis zum Brückenkopf folgte. Die preußischen Truppen, welche durchgehends einen Unterricht im Bajonnetiren genossen und für den Kampf Mann gegen Mann nur das Bajonnet als Waffe kennen gelernt haben, sind nicht einen Moment in Zweifel gewesen, in obigem Gefecht, gerade wie vor fünfzig Jahren, das Gewehr umzudrehen und mit dem Kolben auf den Gegner loszuschlagen. Der Franzose aber bleibt dem Bajonnet zu allen Zeiten treu. Wem der Sieg angehört, ob dem Bajonnet oder dem Kolben wird vielleicht die Zukunft lehren, gewiß ist, daß im Jahr 1813 der Kolben, besser fluschte. Deshalb bleibt doch das Bajonnetiren ebenso wie das Turnen ein sehr guter Uebungszweig, um den Einzelnen gewandt und auch mit der Gefahr vertraut zu machen. Nicht die Kampfweise der Franzosen hat ihnen in Italien und in der Krim den Sieg verschafft, sondern der in dieser Kampfweise echt fran¬ zösisch zum Ausdruck gekommene Grundsatz, daß die Leistung des Ganzen unendlich gesteigert wird durch die vollste Entwicklung der Thatkraft des Einzelnen. Das ist eine Wahrheit, welche die politische Entwicklung der Völker der Neuzeit in die Kriegsgeschichte eingeführt hat und die, je nach¬ dem sie in verschiedenen Verfassungen sich anders ausdrückt, auch je nach der Individualität der Völker eine andere Kampfwcise fordert. Der Franzose ist im Allgemeinen ebenso intelligent wie eitel und stellt die Ehre Frankreichs ebenso hoch wie seine eigene. Die vorwiegenden Eigenschaften des Deutschen sind Fleiß und Gründlichkeit, verbunden mit einiger Gleichgiltigkeit gegen die staatlichen Verhältnisse, so lange diese ihn nicht incommodiren. Diesen ver¬ schiedenen Eigenschaften beider Völker muß Rechnung getragen werden in der Organisation, in der Art der Ausbildung und in der Kampfweise der entsprechenden Armeen. Wir haben es hier nur mit der letztem zu thun Grenzboten II. 18V4. 40

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/321>, abgerufen am 23.07.2024.