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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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mit den einfachen Anlagen begabt, ohne welche die anderen unfruchtbar bleiben.
Arbeitsam, ausdauernd, von seinem Werke leidenschaftlich durchdrungen, keinen
Tag, keinen Augenblick daran verzagend, besaß er zugleich die Kunst zu über¬
zeugen, hinzureißen und Vertrauen einzuflößen, durch die Art. wie er es forderte.
Er besaß das, was einen großen Politiker schafft und vervollkommnet: über¬
legten Eifer,'unermüdliche Thätigkeit, durchdringenden Verstand, den günstigen
Zeitpunkt, Kenntniß seiner Zeit, eine Fülle von Hilfsquellen, vorurtheilsfreien
Geist, ein von jedem Hasse freies Herz. Zum Kampfe erzogen und für die
Freiheit geboren, war er überdies von dem stolzen Geschlechte der Unklugen,
welche sich dem Glücke kühn mit der Gewißheit anvertrauen, daß es sich nicht
so undankbar erweisen könne, ihnen untreu zu sein" <de la Rive, I. 37--38).
-- Wenn wir dieser Schilderung noch ein Wort hinzufügen dürften, so würde
es sein: Er war in jedem Zoll ein Mann. Das möchten wir zumal denen ent¬
gegenhalten, die einen diplomatischen Ränkeschmied aus ihm machen. Wer un¬
befangen sein politisches Thun betrachtete, wie der, welker persönlich mit ihm
verkehrte, mußte es empfinden. Es war ein ganzer Mann, ein Mann aus
einem Gusse, dem Stahl vergleichbar zwar biegsam und elastisch, aber auch eben¬
so hart und treu wie dieser. Und was auch der Herr Oberstbrigadier und
Ritter Nüstow sagen möge, das freie Italien ist in erster Linie sein Werk:

"Victor Emanuel und Garibaldi sind zwei mächtige Arbeiter an dem Werke,
das doch das Werk Cavours bleibt. Wenn Italien heute zu dem Range einer
Nation erhoben wurde, so verdankt es dies dem Manne, der Europa hin¬
reichendes Vertrauen, um die Freiheit seines Vaterlandes zu erlangen und
genügende Achtung einzuflößen wußte, um Stärkeren gegenüber die Würde des
Schwächeren unangetastet zu erhalten. Der, welcher am Tage nach 1848 die
Freiheit, am Tage nach Novara die Unabhängigkeit, am Tage nach dem pariser
Frieden den Krieg und am Tage nach Villafranca die Einheit hoffte; der, welcher
die Kühnheit, seine Pläne zu verkünden, die Kunst, sie aufzudringen und den
Muth besaß, sie zu erfüllen; der, welcher durch die Nation regierte, der die
Revolution ohne Gewaltanwendung zermalmte und der die Reaction in Schranken
hielt, ohne das monarchische Prestige zu schwächen; der. welcher als ein mit
seiner Aufgabe eng verknüpfter Arbeiter keinen Augenblick der Ruhe kennt und
an der Mühe starb: dieser ist wohl der große Arbeiter. Cavour konnte, wie
Jedermann fühlt, nicht ersetzt werden; aber er hat Nachfolger gefunden, und
dies ist die glänzendste Huldigung,' welche sein Land seinem Genie dargebracht
hat. Er gehört nicht zu jenen stolzen Egoisten, die nichts überlebt als ihr
eigener Ruhm. Sein Leben war kurz, aber in zehn Jahren hatte er sein Vater¬
land gegründet." (De la Rive, Cavour II, 255--56.)

Freilich, seine stolze Hoffnung, Italien seine natürliche Hauptstadt und
zwar auf dem Wege der Güte, nicht der Eroberung (col me/xi moriüi, non


mit den einfachen Anlagen begabt, ohne welche die anderen unfruchtbar bleiben.
Arbeitsam, ausdauernd, von seinem Werke leidenschaftlich durchdrungen, keinen
Tag, keinen Augenblick daran verzagend, besaß er zugleich die Kunst zu über¬
zeugen, hinzureißen und Vertrauen einzuflößen, durch die Art. wie er es forderte.
Er besaß das, was einen großen Politiker schafft und vervollkommnet: über¬
legten Eifer,'unermüdliche Thätigkeit, durchdringenden Verstand, den günstigen
Zeitpunkt, Kenntniß seiner Zeit, eine Fülle von Hilfsquellen, vorurtheilsfreien
Geist, ein von jedem Hasse freies Herz. Zum Kampfe erzogen und für die
Freiheit geboren, war er überdies von dem stolzen Geschlechte der Unklugen,
welche sich dem Glücke kühn mit der Gewißheit anvertrauen, daß es sich nicht
so undankbar erweisen könne, ihnen untreu zu sein" <de la Rive, I. 37—38).
— Wenn wir dieser Schilderung noch ein Wort hinzufügen dürften, so würde
es sein: Er war in jedem Zoll ein Mann. Das möchten wir zumal denen ent¬
gegenhalten, die einen diplomatischen Ränkeschmied aus ihm machen. Wer un¬
befangen sein politisches Thun betrachtete, wie der, welker persönlich mit ihm
verkehrte, mußte es empfinden. Es war ein ganzer Mann, ein Mann aus
einem Gusse, dem Stahl vergleichbar zwar biegsam und elastisch, aber auch eben¬
so hart und treu wie dieser. Und was auch der Herr Oberstbrigadier und
Ritter Nüstow sagen möge, das freie Italien ist in erster Linie sein Werk:

„Victor Emanuel und Garibaldi sind zwei mächtige Arbeiter an dem Werke,
das doch das Werk Cavours bleibt. Wenn Italien heute zu dem Range einer
Nation erhoben wurde, so verdankt es dies dem Manne, der Europa hin¬
reichendes Vertrauen, um die Freiheit seines Vaterlandes zu erlangen und
genügende Achtung einzuflößen wußte, um Stärkeren gegenüber die Würde des
Schwächeren unangetastet zu erhalten. Der, welcher am Tage nach 1848 die
Freiheit, am Tage nach Novara die Unabhängigkeit, am Tage nach dem pariser
Frieden den Krieg und am Tage nach Villafranca die Einheit hoffte; der, welcher
die Kühnheit, seine Pläne zu verkünden, die Kunst, sie aufzudringen und den
Muth besaß, sie zu erfüllen; der, welcher durch die Nation regierte, der die
Revolution ohne Gewaltanwendung zermalmte und der die Reaction in Schranken
hielt, ohne das monarchische Prestige zu schwächen; der. welcher als ein mit
seiner Aufgabe eng verknüpfter Arbeiter keinen Augenblick der Ruhe kennt und
an der Mühe starb: dieser ist wohl der große Arbeiter. Cavour konnte, wie
Jedermann fühlt, nicht ersetzt werden; aber er hat Nachfolger gefunden, und
dies ist die glänzendste Huldigung,' welche sein Land seinem Genie dargebracht
hat. Er gehört nicht zu jenen stolzen Egoisten, die nichts überlebt als ihr
eigener Ruhm. Sein Leben war kurz, aber in zehn Jahren hatte er sein Vater¬
land gegründet." (De la Rive, Cavour II, 255—56.)

Freilich, seine stolze Hoffnung, Italien seine natürliche Hauptstadt und
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[0310] mit den einfachen Anlagen begabt, ohne welche die anderen unfruchtbar bleiben. Arbeitsam, ausdauernd, von seinem Werke leidenschaftlich durchdrungen, keinen Tag, keinen Augenblick daran verzagend, besaß er zugleich die Kunst zu über¬ zeugen, hinzureißen und Vertrauen einzuflößen, durch die Art. wie er es forderte. Er besaß das, was einen großen Politiker schafft und vervollkommnet: über¬ legten Eifer,'unermüdliche Thätigkeit, durchdringenden Verstand, den günstigen Zeitpunkt, Kenntniß seiner Zeit, eine Fülle von Hilfsquellen, vorurtheilsfreien Geist, ein von jedem Hasse freies Herz. Zum Kampfe erzogen und für die Freiheit geboren, war er überdies von dem stolzen Geschlechte der Unklugen, welche sich dem Glücke kühn mit der Gewißheit anvertrauen, daß es sich nicht so undankbar erweisen könne, ihnen untreu zu sein" <de la Rive, I. 37—38). — Wenn wir dieser Schilderung noch ein Wort hinzufügen dürften, so würde es sein: Er war in jedem Zoll ein Mann. Das möchten wir zumal denen ent¬ gegenhalten, die einen diplomatischen Ränkeschmied aus ihm machen. Wer un¬ befangen sein politisches Thun betrachtete, wie der, welker persönlich mit ihm verkehrte, mußte es empfinden. Es war ein ganzer Mann, ein Mann aus einem Gusse, dem Stahl vergleichbar zwar biegsam und elastisch, aber auch eben¬ so hart und treu wie dieser. Und was auch der Herr Oberstbrigadier und Ritter Nüstow sagen möge, das freie Italien ist in erster Linie sein Werk: „Victor Emanuel und Garibaldi sind zwei mächtige Arbeiter an dem Werke, das doch das Werk Cavours bleibt. Wenn Italien heute zu dem Range einer Nation erhoben wurde, so verdankt es dies dem Manne, der Europa hin¬ reichendes Vertrauen, um die Freiheit seines Vaterlandes zu erlangen und genügende Achtung einzuflößen wußte, um Stärkeren gegenüber die Würde des Schwächeren unangetastet zu erhalten. Der, welcher am Tage nach 1848 die Freiheit, am Tage nach Novara die Unabhängigkeit, am Tage nach dem pariser Frieden den Krieg und am Tage nach Villafranca die Einheit hoffte; der, welcher die Kühnheit, seine Pläne zu verkünden, die Kunst, sie aufzudringen und den Muth besaß, sie zu erfüllen; der, welcher durch die Nation regierte, der die Revolution ohne Gewaltanwendung zermalmte und der die Reaction in Schranken hielt, ohne das monarchische Prestige zu schwächen; der. welcher als ein mit seiner Aufgabe eng verknüpfter Arbeiter keinen Augenblick der Ruhe kennt und an der Mühe starb: dieser ist wohl der große Arbeiter. Cavour konnte, wie Jedermann fühlt, nicht ersetzt werden; aber er hat Nachfolger gefunden, und dies ist die glänzendste Huldigung,' welche sein Land seinem Genie dargebracht hat. Er gehört nicht zu jenen stolzen Egoisten, die nichts überlebt als ihr eigener Ruhm. Sein Leben war kurz, aber in zehn Jahren hatte er sein Vater¬ land gegründet." (De la Rive, Cavour II, 255—56.) Freilich, seine stolze Hoffnung, Italien seine natürliche Hauptstadt und zwar auf dem Wege der Güte, nicht der Eroberung (col me/xi moriüi, non

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/310>, abgerufen am 23.07.2024.