Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Action sich von selbst das richtige Programm ergeben mußte. Für Oestreich
liegen aber die Verhältnisse so, daß es sich entweder des offnen Preisgebens
der deutschen Sache schuldig machen, oder einer Lösung zustimmen muß, der
es bisher aus übel angebrachter Eifersucht gegen Preußen ernstlich widerstrebt
hat. Nachdem es lange Zeit hindurch jedem militärischen Erfolge, ja jeder
Ausdehnung der kriegerische" Operationen durch die zum Ueberdruß und man
mochte fast sagen mit einer gewissen Zudringlichkeit wiederholte und gewiß auf¬
richtig gemeinte Erklärung, daß es nach wie vor an der Integrität der dänischen
Monarchie festhalte, die Spitze abzubrechen gesucht hat, kann es sich nicht länger
die Thatsache verbergen, daß das Festhalten dieses Standpunktes eine Unmöglich¬
keit geworden ist; nicht als ob es schon zur Unterstützung der nationalen Wünsche
bereit wäre, aber es muß ihnen, und sollte es auch nur zum Schein sein,
Rechnung tragen. Denn allerdings vermögen wir in der Erklärung, daß eine
Prüfung der rechtlichen Seiten der Erbfvlgefragc unumgänglich sei (falls sie
wirklich gegeben ist) zunächst nur einen Schein zu sehen. Wer soll die Rechts¬
frage prüfen? Die Conferenz, deren Glieder noch der einen oder der andern
Seite Partei sind? Und welches Votum wird Oestreich in diesem hohen Gerichts¬
hof abgeben? Wer der Conferenz mehr überlassen will, als die Negistnrung
einer vollendeten Thatsache, der will überhaupt keine That, er will nur den
Schein einer That. Er will weiter nichts als die Verantwortung für seine
eignen antinationalen Gelüste dem gesammten Europa zuschieben.

Dennoch sehen wir jedes Zugeständniß Oestreichs, auch das widerwilligstc
und unaufrichtigste, als einen Fortschritt der nationalen Sache an, voraus¬
gesetzt, daß Preußen sich seinerseits von allen Bedenklichkeiten freigemacht hat^
und entschlossen ist Oestreich bei seinen Zugeständnissen nicht nur festzuhalte",
sondern es auch weiter auf der Bahn derselben zu drängen, allerdings auf die
Gefahr hin. das Bündniß mit Oestreich .ganz zu lösen; was indessen ein
geringerer Schaden wäre, als durch Festhalten an demselben die Sache, für die
unsere Krieger gekämpft und geblutet haben, ganz zu verderben. Gelingt es
der preußischen Diplomatie. Oestreich zu einer wirtlich deutschen Politik zu
drängen, so wird sie einen Beweis großer Geschicklichkeit geben; entschließt sie
siel', im Fall des Mißlingens die Sache der Herzogthümer ausschließlich im Verein
mit Deutschland zu vertreten, so wird sie damit einen Muth und eine That¬
kraft beweisen, die für Preußen um so heilsamer sein wird, je weniger man sie
>in Allgemeinen erwartet hat. Dazu scheint vor allem nöthig, daß Preußen
offen den Standpunkt einnimmt, den es bisher nur officiös und daher noch
nicht bindend angedeutet hat. Es darf die Zukunft der Herzogthümer nicht
wehr der Hoffnung überlassen, daß jedes ungenügende Programm an Däne¬
marks Hartnäckigkeit scheitern wird, und daß Dänemark somit selbst in den
Augen Europas dafür verantwortlich wirb, wenn Preußen, nachdem alle Ver-


Action sich von selbst das richtige Programm ergeben mußte. Für Oestreich
liegen aber die Verhältnisse so, daß es sich entweder des offnen Preisgebens
der deutschen Sache schuldig machen, oder einer Lösung zustimmen muß, der
es bisher aus übel angebrachter Eifersucht gegen Preußen ernstlich widerstrebt
hat. Nachdem es lange Zeit hindurch jedem militärischen Erfolge, ja jeder
Ausdehnung der kriegerische» Operationen durch die zum Ueberdruß und man
mochte fast sagen mit einer gewissen Zudringlichkeit wiederholte und gewiß auf¬
richtig gemeinte Erklärung, daß es nach wie vor an der Integrität der dänischen
Monarchie festhalte, die Spitze abzubrechen gesucht hat, kann es sich nicht länger
die Thatsache verbergen, daß das Festhalten dieses Standpunktes eine Unmöglich¬
keit geworden ist; nicht als ob es schon zur Unterstützung der nationalen Wünsche
bereit wäre, aber es muß ihnen, und sollte es auch nur zum Schein sein,
Rechnung tragen. Denn allerdings vermögen wir in der Erklärung, daß eine
Prüfung der rechtlichen Seiten der Erbfvlgefragc unumgänglich sei (falls sie
wirklich gegeben ist) zunächst nur einen Schein zu sehen. Wer soll die Rechts¬
frage prüfen? Die Conferenz, deren Glieder noch der einen oder der andern
Seite Partei sind? Und welches Votum wird Oestreich in diesem hohen Gerichts¬
hof abgeben? Wer der Conferenz mehr überlassen will, als die Negistnrung
einer vollendeten Thatsache, der will überhaupt keine That, er will nur den
Schein einer That. Er will weiter nichts als die Verantwortung für seine
eignen antinationalen Gelüste dem gesammten Europa zuschieben.

Dennoch sehen wir jedes Zugeständniß Oestreichs, auch das widerwilligstc
und unaufrichtigste, als einen Fortschritt der nationalen Sache an, voraus¬
gesetzt, daß Preußen sich seinerseits von allen Bedenklichkeiten freigemacht hat^
und entschlossen ist Oestreich bei seinen Zugeständnissen nicht nur festzuhalte»,
sondern es auch weiter auf der Bahn derselben zu drängen, allerdings auf die
Gefahr hin. das Bündniß mit Oestreich .ganz zu lösen; was indessen ein
geringerer Schaden wäre, als durch Festhalten an demselben die Sache, für die
unsere Krieger gekämpft und geblutet haben, ganz zu verderben. Gelingt es
der preußischen Diplomatie. Oestreich zu einer wirtlich deutschen Politik zu
drängen, so wird sie einen Beweis großer Geschicklichkeit geben; entschließt sie
siel', im Fall des Mißlingens die Sache der Herzogthümer ausschließlich im Verein
mit Deutschland zu vertreten, so wird sie damit einen Muth und eine That¬
kraft beweisen, die für Preußen um so heilsamer sein wird, je weniger man sie
>in Allgemeinen erwartet hat. Dazu scheint vor allem nöthig, daß Preußen
offen den Standpunkt einnimmt, den es bisher nur officiös und daher noch
nicht bindend angedeutet hat. Es darf die Zukunft der Herzogthümer nicht
wehr der Hoffnung überlassen, daß jedes ungenügende Programm an Däne¬
marks Hartnäckigkeit scheitern wird, und daß Dänemark somit selbst in den
Augen Europas dafür verantwortlich wirb, wenn Preußen, nachdem alle Ver-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0293" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188854"/>
          <p xml:id="ID_986" prev="#ID_985"> Action sich von selbst das richtige Programm ergeben mußte. Für Oestreich<lb/>
liegen aber die Verhältnisse so, daß es sich entweder des offnen Preisgebens<lb/>
der deutschen Sache schuldig machen, oder einer Lösung zustimmen muß, der<lb/>
es bisher aus übel angebrachter Eifersucht gegen Preußen ernstlich widerstrebt<lb/>
hat. Nachdem es lange Zeit hindurch jedem militärischen Erfolge, ja jeder<lb/>
Ausdehnung der kriegerische» Operationen durch die zum Ueberdruß und man<lb/>
mochte fast sagen mit einer gewissen Zudringlichkeit wiederholte und gewiß auf¬<lb/>
richtig gemeinte Erklärung, daß es nach wie vor an der Integrität der dänischen<lb/>
Monarchie festhalte, die Spitze abzubrechen gesucht hat, kann es sich nicht länger<lb/>
die Thatsache verbergen, daß das Festhalten dieses Standpunktes eine Unmöglich¬<lb/>
keit geworden ist; nicht als ob es schon zur Unterstützung der nationalen Wünsche<lb/>
bereit wäre, aber es muß ihnen, und sollte es auch nur zum Schein sein,<lb/>
Rechnung tragen. Denn allerdings vermögen wir in der Erklärung, daß eine<lb/>
Prüfung der rechtlichen Seiten der Erbfvlgefragc unumgänglich sei (falls sie<lb/>
wirklich gegeben ist) zunächst nur einen Schein zu sehen. Wer soll die Rechts¬<lb/>
frage prüfen? Die Conferenz, deren Glieder noch der einen oder der andern<lb/>
Seite Partei sind? Und welches Votum wird Oestreich in diesem hohen Gerichts¬<lb/>
hof abgeben? Wer der Conferenz mehr überlassen will, als die Negistnrung<lb/>
einer vollendeten Thatsache, der will überhaupt keine That, er will nur den<lb/>
Schein einer That. Er will weiter nichts als die Verantwortung für seine<lb/>
eignen antinationalen Gelüste dem gesammten Europa zuschieben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_987" next="#ID_988"> Dennoch sehen wir jedes Zugeständniß Oestreichs, auch das widerwilligstc<lb/>
und unaufrichtigste, als einen Fortschritt der nationalen Sache an, voraus¬<lb/>
gesetzt, daß Preußen sich seinerseits von allen Bedenklichkeiten freigemacht hat^<lb/>
und entschlossen ist Oestreich bei seinen Zugeständnissen nicht nur festzuhalte»,<lb/>
sondern es auch weiter auf der Bahn derselben zu drängen, allerdings auf die<lb/>
Gefahr hin. das Bündniß mit Oestreich .ganz zu lösen; was indessen ein<lb/>
geringerer Schaden wäre, als durch Festhalten an demselben die Sache, für die<lb/>
unsere Krieger gekämpft und geblutet haben, ganz zu verderben.  Gelingt es<lb/>
der preußischen Diplomatie. Oestreich zu einer wirtlich deutschen Politik zu<lb/>
drängen, so wird sie einen Beweis großer Geschicklichkeit geben; entschließt sie<lb/>
siel', im Fall des Mißlingens die Sache der Herzogthümer ausschließlich im Verein<lb/>
mit Deutschland zu vertreten, so wird sie damit einen Muth und eine That¬<lb/>
kraft beweisen, die für Preußen um so heilsamer sein wird, je weniger man sie<lb/>
&gt;in Allgemeinen erwartet hat.  Dazu scheint vor allem nöthig, daß Preußen<lb/>
offen den Standpunkt einnimmt, den es bisher nur officiös und daher noch<lb/>
nicht bindend angedeutet hat.  Es darf die Zukunft der Herzogthümer nicht<lb/>
wehr der Hoffnung überlassen, daß jedes ungenügende Programm an Däne¬<lb/>
marks Hartnäckigkeit scheitern wird, und daß Dänemark somit selbst in den<lb/>
Augen Europas dafür verantwortlich wirb, wenn Preußen, nachdem alle Ver-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0293] Action sich von selbst das richtige Programm ergeben mußte. Für Oestreich liegen aber die Verhältnisse so, daß es sich entweder des offnen Preisgebens der deutschen Sache schuldig machen, oder einer Lösung zustimmen muß, der es bisher aus übel angebrachter Eifersucht gegen Preußen ernstlich widerstrebt hat. Nachdem es lange Zeit hindurch jedem militärischen Erfolge, ja jeder Ausdehnung der kriegerische» Operationen durch die zum Ueberdruß und man mochte fast sagen mit einer gewissen Zudringlichkeit wiederholte und gewiß auf¬ richtig gemeinte Erklärung, daß es nach wie vor an der Integrität der dänischen Monarchie festhalte, die Spitze abzubrechen gesucht hat, kann es sich nicht länger die Thatsache verbergen, daß das Festhalten dieses Standpunktes eine Unmöglich¬ keit geworden ist; nicht als ob es schon zur Unterstützung der nationalen Wünsche bereit wäre, aber es muß ihnen, und sollte es auch nur zum Schein sein, Rechnung tragen. Denn allerdings vermögen wir in der Erklärung, daß eine Prüfung der rechtlichen Seiten der Erbfvlgefragc unumgänglich sei (falls sie wirklich gegeben ist) zunächst nur einen Schein zu sehen. Wer soll die Rechts¬ frage prüfen? Die Conferenz, deren Glieder noch der einen oder der andern Seite Partei sind? Und welches Votum wird Oestreich in diesem hohen Gerichts¬ hof abgeben? Wer der Conferenz mehr überlassen will, als die Negistnrung einer vollendeten Thatsache, der will überhaupt keine That, er will nur den Schein einer That. Er will weiter nichts als die Verantwortung für seine eignen antinationalen Gelüste dem gesammten Europa zuschieben. Dennoch sehen wir jedes Zugeständniß Oestreichs, auch das widerwilligstc und unaufrichtigste, als einen Fortschritt der nationalen Sache an, voraus¬ gesetzt, daß Preußen sich seinerseits von allen Bedenklichkeiten freigemacht hat^ und entschlossen ist Oestreich bei seinen Zugeständnissen nicht nur festzuhalte», sondern es auch weiter auf der Bahn derselben zu drängen, allerdings auf die Gefahr hin. das Bündniß mit Oestreich .ganz zu lösen; was indessen ein geringerer Schaden wäre, als durch Festhalten an demselben die Sache, für die unsere Krieger gekämpft und geblutet haben, ganz zu verderben. Gelingt es der preußischen Diplomatie. Oestreich zu einer wirtlich deutschen Politik zu drängen, so wird sie einen Beweis großer Geschicklichkeit geben; entschließt sie siel', im Fall des Mißlingens die Sache der Herzogthümer ausschließlich im Verein mit Deutschland zu vertreten, so wird sie damit einen Muth und eine That¬ kraft beweisen, die für Preußen um so heilsamer sein wird, je weniger man sie >in Allgemeinen erwartet hat. Dazu scheint vor allem nöthig, daß Preußen offen den Standpunkt einnimmt, den es bisher nur officiös und daher noch nicht bindend angedeutet hat. Es darf die Zukunft der Herzogthümer nicht wehr der Hoffnung überlassen, daß jedes ungenügende Programm an Däne¬ marks Hartnäckigkeit scheitern wird, und daß Dänemark somit selbst in den Augen Europas dafür verantwortlich wirb, wenn Preußen, nachdem alle Ver-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/293
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/293>, abgerufen am 23.07.2024.