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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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mit sich führen könnte. Man hegt, so scheint es, die Besorgnis;, daß ein un¬
bedingtes Vertreten der Schleswig-holsteinischen Selbständigkeit eine Koalition
heraufbeschwören könnte, der Preußen möglicher Weise isolirt und auf seine
eignen Kräfte beschränkt die Spitze zu bieten haben würde.

Diese Besorgniß entbehrt aber in jeder Beziehung der Begründung. Zunächst
ist es klar, daß Preußen einer etwa sich bildenden Koalition nicht isolirt gegen¬
überstehen würde. Es würde aus den Beistand Deutschlands rechnen können,
nicht etwa blos des schwerfälligen officiellen Deutschlands, wie es die Welt als
frankfurter Bundesversammlung kenn, sondern der gesammten deutschen Nation,
die unbedingt Preußen jede Forderung zugestehen würde, die dieses zum Zwecke
einer energischen Kriegführung und Politik zu stellen hätte. Mag immerhin
selbst in einigen liberalen Kreisen Deutschlands die Borussovhobie auch in dem
gegenwärtigen schicksalsvollen Augenblicke die Stimme des Patriotismus und der
gesunden Vernunft gewaltsam unterdrücken --, wenn Preußen das richtige
Wort gesprochen haben wird, wird es das Volk und die Regierungen fort¬
reißen und allen kleinlichen Eifersüchteleien Stillschweigen auferlegen. Daß
aber Preußen an der Spitze Deutschlands eine Koalition, die schon bei ihrem
Entstehen die Keime des Zerfalles in sich tragen würde, nicht zu scheue"
braucht, darüber herrscht wo1)l in Preußen, und wie wir glauben in Deutsch¬
land nur eine Stimme.

Somit ist also eine Jsolirung Preußens unter keinerlei Umständen zu
fürchten, und es könnte in der Gewißheit', die Gesammtkraft Deutschlands auf
seiner Seite zu haben, der Bildung jeder Koalition mit Nuhe entgegensehen.
Wir glauben aber auch ferner die Behauptung wagen zu dürfen, daß die Ge¬
fahr einer Koalition gegen Preußen, wenn überhaupt vorhanden, jedenfalls im
weiten Felde liegt. Einen wirtlichen Eifer, Dänemark aus seiner bedrohten
Lage zu reißen, hat bis jetzt nur England bewiesen. Ob dieser Eifer auf einer
vernünftigen Auffassung der Verhältnisse, oder auf einer fixen politischen Idee
beruht, ist gleichgültig, die Thatsache steht fest, daß England seinen ganzen
diplomatischen Apparat aufgeboten hat, um den Zerfall der dänischen Monarchie
zu hindern. Eine ganz andere Frage ist es, ob es die Neigung hat, seine
diplomatischen Anstrengungen auch mit den Waffen in der Hand zu unterstützen.
Wäre dies unbedingt der Fall, so würde es unerklärlich sein, daß es nicht be¬
reits im März eine Flotte in die Ostsee geschickt hat, daß es den Fall der
düppcler Schanzen ruhig bat geschehen lassen, ohne auch uur Miene zu machen,
die wichtigste Stellung des befreundeten Staates mit wirksameren Mitteln als
russischen Noten zu stützen. Es läßt die Haltung Englands, so weit sie über¬
haupt eine Erklärung zuläßt, sich nur so erklären, daß England ein isolirtes
Vorgehen gegen Deutschland scheut, daß es aber im Verein mit den andern
Großmächten, besonders mit Frankreich, im äußersten ihm selbst sehr uncrwünsch-


mit sich führen könnte. Man hegt, so scheint es, die Besorgnis;, daß ein un¬
bedingtes Vertreten der Schleswig-holsteinischen Selbständigkeit eine Koalition
heraufbeschwören könnte, der Preußen möglicher Weise isolirt und auf seine
eignen Kräfte beschränkt die Spitze zu bieten haben würde.

Diese Besorgniß entbehrt aber in jeder Beziehung der Begründung. Zunächst
ist es klar, daß Preußen einer etwa sich bildenden Koalition nicht isolirt gegen¬
überstehen würde. Es würde aus den Beistand Deutschlands rechnen können,
nicht etwa blos des schwerfälligen officiellen Deutschlands, wie es die Welt als
frankfurter Bundesversammlung kenn, sondern der gesammten deutschen Nation,
die unbedingt Preußen jede Forderung zugestehen würde, die dieses zum Zwecke
einer energischen Kriegführung und Politik zu stellen hätte. Mag immerhin
selbst in einigen liberalen Kreisen Deutschlands die Borussovhobie auch in dem
gegenwärtigen schicksalsvollen Augenblicke die Stimme des Patriotismus und der
gesunden Vernunft gewaltsam unterdrücken —, wenn Preußen das richtige
Wort gesprochen haben wird, wird es das Volk und die Regierungen fort¬
reißen und allen kleinlichen Eifersüchteleien Stillschweigen auferlegen. Daß
aber Preußen an der Spitze Deutschlands eine Koalition, die schon bei ihrem
Entstehen die Keime des Zerfalles in sich tragen würde, nicht zu scheue»
braucht, darüber herrscht wo1)l in Preußen, und wie wir glauben in Deutsch¬
land nur eine Stimme.

Somit ist also eine Jsolirung Preußens unter keinerlei Umständen zu
fürchten, und es könnte in der Gewißheit', die Gesammtkraft Deutschlands auf
seiner Seite zu haben, der Bildung jeder Koalition mit Nuhe entgegensehen.
Wir glauben aber auch ferner die Behauptung wagen zu dürfen, daß die Ge¬
fahr einer Koalition gegen Preußen, wenn überhaupt vorhanden, jedenfalls im
weiten Felde liegt. Einen wirtlichen Eifer, Dänemark aus seiner bedrohten
Lage zu reißen, hat bis jetzt nur England bewiesen. Ob dieser Eifer auf einer
vernünftigen Auffassung der Verhältnisse, oder auf einer fixen politischen Idee
beruht, ist gleichgültig, die Thatsache steht fest, daß England seinen ganzen
diplomatischen Apparat aufgeboten hat, um den Zerfall der dänischen Monarchie
zu hindern. Eine ganz andere Frage ist es, ob es die Neigung hat, seine
diplomatischen Anstrengungen auch mit den Waffen in der Hand zu unterstützen.
Wäre dies unbedingt der Fall, so würde es unerklärlich sein, daß es nicht be¬
reits im März eine Flotte in die Ostsee geschickt hat, daß es den Fall der
düppcler Schanzen ruhig bat geschehen lassen, ohne auch uur Miene zu machen,
die wichtigste Stellung des befreundeten Staates mit wirksameren Mitteln als
russischen Noten zu stützen. Es läßt die Haltung Englands, so weit sie über¬
haupt eine Erklärung zuläßt, sich nur so erklären, daß England ein isolirtes
Vorgehen gegen Deutschland scheut, daß es aber im Verein mit den andern
Großmächten, besonders mit Frankreich, im äußersten ihm selbst sehr uncrwünsch-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/290>, abgerufen am 23.07.2024.