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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Tode auch der Anspruch der Herrschaft über Böhmen. Auch ohne dieses
gesteigerte persönliche Verhältniß zu den Vorgängen im Osten war der König
zunächst auf die Bewältigung seines Ervlandes angewiesen. Die cechische Er¬
hebung als die eine Seite der panslavistischen Bewegung, die zwei Menschenalter
hindurch die mitteleuropäische Welt in Spannung hielt, war lange vorbereitet.-
Immer einseitiger wurde der König in die Interessen seiner Haustaube hinein¬
gebannt. Und hätte er wenigstens jetzt seine Schritte klug und klar bemessen;
aber dank seiner unfertigen Natur taumelte seine Politik zwischen den Gesichts¬
punkten der früheren und der jetzigen Lage hin und her. Das zeigte sich nicht
blos in dem geradezu feindseligen Verhalten in der schleswigschen Frage, son¬
dern bezeichnender noch in der Art und Weise, wie er die polnisch-böhmischen
Angelegenheiten behandelte. Seine Opposition gegen den Papst, der mit der
Mehrzahl der deutschen Fürsten, unter denen natürlich auch der Burggraf war,
für den deutschen Orden eintrat, hatte den König in die Parteinahme für Po¬
len gedrängt, ja er vergaß sich so wett, unter der Hand dem König Wladis-
laus seine günstige Entscheidung eidlich zuzusagen. Mittlerweile war er zur
Besinnung gekommen und sein Schiedspruch fiel gegen, die Polen aus. Aber
während er schwach genug war. diesen auf ihre Bezüchtigungen zu erklären, daß
er von den Klerikern berückt worden sei, überspannte er andrerseits seine For¬
derungen gegen Böhmen in einem Augenblicke, wo es gelungen wäre, ihrer
Meister zu werden und dadurch gegen Polen den Rückhalt zu gewinnen. Dies
hätte erfolgen müssen, wenn er den Rath des Markgrafen geachtet hätte. Sein
Gedanke war gewesen. Sigismund solle mit Mäßigung gegen Böhmen ver¬
fahren, das er nur dann gewinnen könne, wenn er aufhöre, neben der politi¬
schen auch die religiöse Frage zu betonen. Er hörte nicht. Der Erfolg war
die grimmigere Auflehnung der Cechen, ihre erneute drohendere Verbindung
mit Polen. Schlimm genug, daß es gerade in dieser Zeit zwischen dem Kaiser
und dem Markgrafen zu einem andauernden Bruche kam, aber daß es so werden
würde, war vorauszusehen. Sigismunds Starrsinn trug die Schuld an der un¬
heilvollen Wendung, die Friedrich mit höchster Anstrengung zu verhüten gestrebt
hatte; nichtsdestoweniger war er es, der den größer" Theil der Arbeit, Mühsal
und Gefahr auf sich nahm, die daraus folgten. Er, dessen "Begehr gänzlich
aus Frieden stand", hat nun viele Jahre lang das Schwert nicht ir/die Scheide
stecken dürfen. Denn wieder lohte jetzt auf ein Mal allerorten das Feuer auf,
und durchaus nicht immer gelangen ihm so glückliche Schläge wie der bei Anger¬
münde, wo er (1420) seine Marken gegen die slavisch-dänischen Gelüste sicherte.
Man kennt vielmehr genugsam die traurigen Jahre der Böhmenkriege, die nicht
einzeln betrachtet werden sollen. Die Sache war einmal verkehrt angefaßt
und konnte nur bittre Früchte bringen. Nicht aber die unablässigen und frucht¬
losen Opfer, welche dem Markgrafen durch die falsche Behandlung der böhmischen


Tode auch der Anspruch der Herrschaft über Böhmen. Auch ohne dieses
gesteigerte persönliche Verhältniß zu den Vorgängen im Osten war der König
zunächst auf die Bewältigung seines Ervlandes angewiesen. Die cechische Er¬
hebung als die eine Seite der panslavistischen Bewegung, die zwei Menschenalter
hindurch die mitteleuropäische Welt in Spannung hielt, war lange vorbereitet.-
Immer einseitiger wurde der König in die Interessen seiner Haustaube hinein¬
gebannt. Und hätte er wenigstens jetzt seine Schritte klug und klar bemessen;
aber dank seiner unfertigen Natur taumelte seine Politik zwischen den Gesichts¬
punkten der früheren und der jetzigen Lage hin und her. Das zeigte sich nicht
blos in dem geradezu feindseligen Verhalten in der schleswigschen Frage, son¬
dern bezeichnender noch in der Art und Weise, wie er die polnisch-böhmischen
Angelegenheiten behandelte. Seine Opposition gegen den Papst, der mit der
Mehrzahl der deutschen Fürsten, unter denen natürlich auch der Burggraf war,
für den deutschen Orden eintrat, hatte den König in die Parteinahme für Po¬
len gedrängt, ja er vergaß sich so wett, unter der Hand dem König Wladis-
laus seine günstige Entscheidung eidlich zuzusagen. Mittlerweile war er zur
Besinnung gekommen und sein Schiedspruch fiel gegen, die Polen aus. Aber
während er schwach genug war. diesen auf ihre Bezüchtigungen zu erklären, daß
er von den Klerikern berückt worden sei, überspannte er andrerseits seine For¬
derungen gegen Böhmen in einem Augenblicke, wo es gelungen wäre, ihrer
Meister zu werden und dadurch gegen Polen den Rückhalt zu gewinnen. Dies
hätte erfolgen müssen, wenn er den Rath des Markgrafen geachtet hätte. Sein
Gedanke war gewesen. Sigismund solle mit Mäßigung gegen Böhmen ver¬
fahren, das er nur dann gewinnen könne, wenn er aufhöre, neben der politi¬
schen auch die religiöse Frage zu betonen. Er hörte nicht. Der Erfolg war
die grimmigere Auflehnung der Cechen, ihre erneute drohendere Verbindung
mit Polen. Schlimm genug, daß es gerade in dieser Zeit zwischen dem Kaiser
und dem Markgrafen zu einem andauernden Bruche kam, aber daß es so werden
würde, war vorauszusehen. Sigismunds Starrsinn trug die Schuld an der un¬
heilvollen Wendung, die Friedrich mit höchster Anstrengung zu verhüten gestrebt
hatte; nichtsdestoweniger war er es, der den größer» Theil der Arbeit, Mühsal
und Gefahr auf sich nahm, die daraus folgten. Er, dessen „Begehr gänzlich
aus Frieden stand", hat nun viele Jahre lang das Schwert nicht ir/die Scheide
stecken dürfen. Denn wieder lohte jetzt auf ein Mal allerorten das Feuer auf,
und durchaus nicht immer gelangen ihm so glückliche Schläge wie der bei Anger¬
münde, wo er (1420) seine Marken gegen die slavisch-dänischen Gelüste sicherte.
Man kennt vielmehr genugsam die traurigen Jahre der Böhmenkriege, die nicht
einzeln betrachtet werden sollen. Die Sache war einmal verkehrt angefaßt
und konnte nur bittre Früchte bringen. Nicht aber die unablässigen und frucht¬
losen Opfer, welche dem Markgrafen durch die falsche Behandlung der böhmischen


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[0029] Tode auch der Anspruch der Herrschaft über Böhmen. Auch ohne dieses gesteigerte persönliche Verhältniß zu den Vorgängen im Osten war der König zunächst auf die Bewältigung seines Ervlandes angewiesen. Die cechische Er¬ hebung als die eine Seite der panslavistischen Bewegung, die zwei Menschenalter hindurch die mitteleuropäische Welt in Spannung hielt, war lange vorbereitet.- Immer einseitiger wurde der König in die Interessen seiner Haustaube hinein¬ gebannt. Und hätte er wenigstens jetzt seine Schritte klug und klar bemessen; aber dank seiner unfertigen Natur taumelte seine Politik zwischen den Gesichts¬ punkten der früheren und der jetzigen Lage hin und her. Das zeigte sich nicht blos in dem geradezu feindseligen Verhalten in der schleswigschen Frage, son¬ dern bezeichnender noch in der Art und Weise, wie er die polnisch-böhmischen Angelegenheiten behandelte. Seine Opposition gegen den Papst, der mit der Mehrzahl der deutschen Fürsten, unter denen natürlich auch der Burggraf war, für den deutschen Orden eintrat, hatte den König in die Parteinahme für Po¬ len gedrängt, ja er vergaß sich so wett, unter der Hand dem König Wladis- laus seine günstige Entscheidung eidlich zuzusagen. Mittlerweile war er zur Besinnung gekommen und sein Schiedspruch fiel gegen, die Polen aus. Aber während er schwach genug war. diesen auf ihre Bezüchtigungen zu erklären, daß er von den Klerikern berückt worden sei, überspannte er andrerseits seine For¬ derungen gegen Böhmen in einem Augenblicke, wo es gelungen wäre, ihrer Meister zu werden und dadurch gegen Polen den Rückhalt zu gewinnen. Dies hätte erfolgen müssen, wenn er den Rath des Markgrafen geachtet hätte. Sein Gedanke war gewesen. Sigismund solle mit Mäßigung gegen Böhmen ver¬ fahren, das er nur dann gewinnen könne, wenn er aufhöre, neben der politi¬ schen auch die religiöse Frage zu betonen. Er hörte nicht. Der Erfolg war die grimmigere Auflehnung der Cechen, ihre erneute drohendere Verbindung mit Polen. Schlimm genug, daß es gerade in dieser Zeit zwischen dem Kaiser und dem Markgrafen zu einem andauernden Bruche kam, aber daß es so werden würde, war vorauszusehen. Sigismunds Starrsinn trug die Schuld an der un¬ heilvollen Wendung, die Friedrich mit höchster Anstrengung zu verhüten gestrebt hatte; nichtsdestoweniger war er es, der den größer» Theil der Arbeit, Mühsal und Gefahr auf sich nahm, die daraus folgten. Er, dessen „Begehr gänzlich aus Frieden stand", hat nun viele Jahre lang das Schwert nicht ir/die Scheide stecken dürfen. Denn wieder lohte jetzt auf ein Mal allerorten das Feuer auf, und durchaus nicht immer gelangen ihm so glückliche Schläge wie der bei Anger¬ münde, wo er (1420) seine Marken gegen die slavisch-dänischen Gelüste sicherte. Man kennt vielmehr genugsam die traurigen Jahre der Böhmenkriege, die nicht einzeln betrachtet werden sollen. Die Sache war einmal verkehrt angefaßt und konnte nur bittre Früchte bringen. Nicht aber die unablässigen und frucht¬ losen Opfer, welche dem Markgrafen durch die falsche Behandlung der böhmischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/29>, abgerufen am 23.07.2024.