Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.Gloster und seiner Frau, die seinen Ehrgeiz zu wecken sucht (Frl. Knaufs spielte nehmt meinen, Majestät! in bitterer Anspielung auf die Armuth ihres väterlichen Hauses. Ob aber 33
Gloster und seiner Frau, die seinen Ehrgeiz zu wecken sucht (Frl. Knaufs spielte nehmt meinen, Majestät! in bitterer Anspielung auf die Armuth ihres väterlichen Hauses. Ob aber 33
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0267" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188828"/> <p xml:id="ID_882" prev="#ID_881"> Gloster und seiner Frau, die seinen Ehrgeiz zu wecken sucht (Frl. Knaufs spielte<lb/> diese und die Bußescene mit Verständniß und Liebe), folgt nun eine gänzlich<lb/> von Dingelstedt componirte Scene, die an die Stelle der weggelassenen Zauber¬<lb/> scene (Shakespeare I, 4) getreten ist. Hume und Bessie Burke. Betrüger und<lb/> Betrügerin, bringen der Herzogin die Antworten des höllischen Geistes auf die<lb/> von ihr gestellten Fragen: die Handschrift Eleonorens mit den sie compromit-<lb/> tirendcn Fragen nach dem Geschick des Königs u. s. w. behaupten die Gauner<lb/> verbrannt zu haben, verkaufen dieselbe aber an die Feinde der Herzogin. Alles<lb/> dies ist in der Darstellung, großentheils auch in der Sache Arbeit Dingelstcdts.<lb/> recht geschickt erfunden, wenn man einmal das Princip zugiebt, jedenfalls aber,<lb/> sollte ich denken, noch bedeutend zu kürzen. In der sich anschließenden Scene<lb/> der Bittsteller zeigte sich Suffolk (Herr Dahn) erfreulich: ebenso Margarethe<lb/> (Frau Hettstcdt), in welcher überhaupt die wcimarische Bühne eine sehr tüchtige<lb/> Kraft besitzt. Jetzt folgte als 5. Scene des 1. Auszugs die erste des 2. Aus¬<lb/> zugs bei Shakespeare. Diese Streitscene ging vortrefflich. Daran war von<lb/> Dingelstedt zurückgreifend I, 3 gereiht: die ersten Angriffe gegen Gloster ver¬<lb/> setzen diesen in Wuth, die derselbe (Herr Milde, der für seine maßvolle Dar¬<lb/> stellung überhaupt alles Lob verdient) mit tiefem Eindruck durch die Weise mar-<lb/> kirte. wie er sich zur Mäßigung zwang und auf einige Minuten den Saal<lb/> verließ. Nun aber beginnen wieder die Interpolationen. Zuerst die Fächer¬<lb/> scene. In Shakespeare läßt die Königin den Fächer fallen, und da die Herzogin<lb/> von Gloster denselben ans ihren Befehl nicht aufhebt, giebt sie ihr einfach eine<lb/> Ohrfeige. Einfach, aber heutzutage allerdings schwierig auf der Bühne aus¬<lb/> zuführen: wir stehen da wieder an der berühmten, von Lessing discutirten<lb/> Frage von der Ohrfeige des Essex. Was thun? Könnte nicht die Königin statt<lb/> der effectiven Ohrfeige mit der Ecke des Taschentuchs Eleonore schlagend be¬<lb/> rühren und dadurch ebensogut ihre Rache entflamme»? Dingelstedt hat eine<lb/> andere Fassung gewählt. Auf die Aufforderung der Königin den Fächer auf¬<lb/> zuheben entgegnet bei ihm Eleonore, indem sie mit tiefer Verbeugung derselben<lb/> ihren eignen überreicht, ungefähr:</p><lb/> <quote> nehmt meinen, Majestät!<lb/> Der eure ist zu schlecht ihn aufzuheben,</quote><lb/> <p xml:id="ID_883" next="#ID_884"> in bitterer Anspielung auf die Armuth ihres väterlichen Hauses. Ob aber<lb/> diese moralische Ohrfeige, der Königin applicirt, nicht am Ende-schlimmer als<lb/> eine physische auf den Wangen der Herzogin brennt, möchte ich beinahe be¬<lb/> zweifeln. Daran schließt sich nun, als Rache für die Königin, die Anklage<lb/> gegen Eleonore als Zauberin, welche durch ihre eigene Handschrift überführt<lb/> mit den Worten: „Ich lüge niemals!" sich schuldig bekennt. Und hier hat<lb/> Dingelstedt auch Gelegenheit gefunden, das mit dem 1. Theil Weggelassene<lb/> wenigstens erzählend beiläufig anzuführen, indem an die Anklage gegen die<lb/> *</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 33</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0267]
Gloster und seiner Frau, die seinen Ehrgeiz zu wecken sucht (Frl. Knaufs spielte
diese und die Bußescene mit Verständniß und Liebe), folgt nun eine gänzlich
von Dingelstedt componirte Scene, die an die Stelle der weggelassenen Zauber¬
scene (Shakespeare I, 4) getreten ist. Hume und Bessie Burke. Betrüger und
Betrügerin, bringen der Herzogin die Antworten des höllischen Geistes auf die
von ihr gestellten Fragen: die Handschrift Eleonorens mit den sie compromit-
tirendcn Fragen nach dem Geschick des Königs u. s. w. behaupten die Gauner
verbrannt zu haben, verkaufen dieselbe aber an die Feinde der Herzogin. Alles
dies ist in der Darstellung, großentheils auch in der Sache Arbeit Dingelstcdts.
recht geschickt erfunden, wenn man einmal das Princip zugiebt, jedenfalls aber,
sollte ich denken, noch bedeutend zu kürzen. In der sich anschließenden Scene
der Bittsteller zeigte sich Suffolk (Herr Dahn) erfreulich: ebenso Margarethe
(Frau Hettstcdt), in welcher überhaupt die wcimarische Bühne eine sehr tüchtige
Kraft besitzt. Jetzt folgte als 5. Scene des 1. Auszugs die erste des 2. Aus¬
zugs bei Shakespeare. Diese Streitscene ging vortrefflich. Daran war von
Dingelstedt zurückgreifend I, 3 gereiht: die ersten Angriffe gegen Gloster ver¬
setzen diesen in Wuth, die derselbe (Herr Milde, der für seine maßvolle Dar¬
stellung überhaupt alles Lob verdient) mit tiefem Eindruck durch die Weise mar-
kirte. wie er sich zur Mäßigung zwang und auf einige Minuten den Saal
verließ. Nun aber beginnen wieder die Interpolationen. Zuerst die Fächer¬
scene. In Shakespeare läßt die Königin den Fächer fallen, und da die Herzogin
von Gloster denselben ans ihren Befehl nicht aufhebt, giebt sie ihr einfach eine
Ohrfeige. Einfach, aber heutzutage allerdings schwierig auf der Bühne aus¬
zuführen: wir stehen da wieder an der berühmten, von Lessing discutirten
Frage von der Ohrfeige des Essex. Was thun? Könnte nicht die Königin statt
der effectiven Ohrfeige mit der Ecke des Taschentuchs Eleonore schlagend be¬
rühren und dadurch ebensogut ihre Rache entflamme»? Dingelstedt hat eine
andere Fassung gewählt. Auf die Aufforderung der Königin den Fächer auf¬
zuheben entgegnet bei ihm Eleonore, indem sie mit tiefer Verbeugung derselben
ihren eignen überreicht, ungefähr:
nehmt meinen, Majestät!
Der eure ist zu schlecht ihn aufzuheben,
in bitterer Anspielung auf die Armuth ihres väterlichen Hauses. Ob aber
diese moralische Ohrfeige, der Königin applicirt, nicht am Ende-schlimmer als
eine physische auf den Wangen der Herzogin brennt, möchte ich beinahe be¬
zweifeln. Daran schließt sich nun, als Rache für die Königin, die Anklage
gegen Eleonore als Zauberin, welche durch ihre eigene Handschrift überführt
mit den Worten: „Ich lüge niemals!" sich schuldig bekennt. Und hier hat
Dingelstedt auch Gelegenheit gefunden, das mit dem 1. Theil Weggelassene
wenigstens erzählend beiläufig anzuführen, indem an die Anklage gegen die
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