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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Festlichkeit erblicken würde, in Umlauf gesetzt waren, so bemächtigte sich die Spe-
culation der Sache, so daß zuletzt die Karten um den drei- und vierfachen
Preis verkauft wurden, wobei nicht die Verwundeten, sondern einige Kellner
und Börscnagenten des letzten Ranges gewannen.

Der sehr geräumige aber höchst einfache Redoutensaal erschien allzu schmuck¬
los, man begann denselben zu decoriren. Blumen, Teppiche, Spiegel u. s. w.
wurden in Menge verwendet, waremaver nichts Neues. Vielleicht mochte den Fest-
arrangcurs etwas wie "Kriegstanz" oder "Waffenhalle" vorschweben, sie glaub¬
ten den Saal recht sinnig durch die Anbringung kriegerischer Embleme auszu¬
schmücken. Die dänischen Trophäen schienen sich besonders dazu zu eignen.
Man begnügte sich aber nicht damit, etwa in jeder Ecke eine Kanone aufzu¬
pflanzen oder aus einigen Säbeln, Bajonneten und Flinten eine hergebrachte
Pyramide zusammenzustellen, sondern mau ging so weit, selbst Nüstungs- und
Monturstücke, die man theils in Magazinen erbeutet, theils den Gefangenen
abgenommen, ja selbst auf dem Schlachtfelde aufgelesen hatte, zu verwenden!
Tschakos, in deren Innerem vielleicht noch etwas Kopfhaar eines dänischen
Jnfanteristen klebte, Patrontaschen, von welchen vielleicht erst das Blut abge¬
wischt werden mußte, Röcke. in welche sich die Phantasie nothwendig die ster¬
benden und im Blut erfrorenen dänischen Dragoner denken mußte, diese
und ähnliche Dinge waren die Verzierungen des Saales, in welchem sich
die Blüte der östreichischen Geburth- und Geldaristokratie amüsirte!---
Der Indianer, welcher sich bei seinen Festen mit den Skalps seiner Feinde
schmückt und der Malaye, welcher um die abgeschnittenen Köpfe seiner Schlacht-
opfer herumtanzt, werden fortan alt Unrecht von uns "Kannibalen und Bar¬
baren" gescholten.---Indessen scheint doch ein gewisses Gefühl des Un¬
schicklichen, welches man begangen, über einen Theil der Ballgäste gekommen
zu sein, denn als das Fest am 19. April (dem Geburtstage des gütigen
Ferdinand!) wirklich stattfand, zeigte sich eine verhältnißmäßig geringe Theil¬
nahme und Fröhlichkeit, ein großer Theil der Versammelten verließ den Saal
noch vor der Beendigung des Festes.

Vielleicht ist dies die letzte dramatische Activ", welche in diesem Genre
geliefert wurde, zumal da die bisherige Selbstüberschätzung durch die neuesten
Erfolge gegen die düppeler Schanzen auf das richtige Maß gestimmt werden
dürfte! --




Festlichkeit erblicken würde, in Umlauf gesetzt waren, so bemächtigte sich die Spe-
culation der Sache, so daß zuletzt die Karten um den drei- und vierfachen
Preis verkauft wurden, wobei nicht die Verwundeten, sondern einige Kellner
und Börscnagenten des letzten Ranges gewannen.

Der sehr geräumige aber höchst einfache Redoutensaal erschien allzu schmuck¬
los, man begann denselben zu decoriren. Blumen, Teppiche, Spiegel u. s. w.
wurden in Menge verwendet, waremaver nichts Neues. Vielleicht mochte den Fest-
arrangcurs etwas wie „Kriegstanz" oder „Waffenhalle" vorschweben, sie glaub¬
ten den Saal recht sinnig durch die Anbringung kriegerischer Embleme auszu¬
schmücken. Die dänischen Trophäen schienen sich besonders dazu zu eignen.
Man begnügte sich aber nicht damit, etwa in jeder Ecke eine Kanone aufzu¬
pflanzen oder aus einigen Säbeln, Bajonneten und Flinten eine hergebrachte
Pyramide zusammenzustellen, sondern mau ging so weit, selbst Nüstungs- und
Monturstücke, die man theils in Magazinen erbeutet, theils den Gefangenen
abgenommen, ja selbst auf dem Schlachtfelde aufgelesen hatte, zu verwenden!
Tschakos, in deren Innerem vielleicht noch etwas Kopfhaar eines dänischen
Jnfanteristen klebte, Patrontaschen, von welchen vielleicht erst das Blut abge¬
wischt werden mußte, Röcke. in welche sich die Phantasie nothwendig die ster¬
benden und im Blut erfrorenen dänischen Dragoner denken mußte, diese
und ähnliche Dinge waren die Verzierungen des Saales, in welchem sich
die Blüte der östreichischen Geburth- und Geldaristokratie amüsirte!---
Der Indianer, welcher sich bei seinen Festen mit den Skalps seiner Feinde
schmückt und der Malaye, welcher um die abgeschnittenen Köpfe seiner Schlacht-
opfer herumtanzt, werden fortan alt Unrecht von uns „Kannibalen und Bar¬
baren" gescholten.---Indessen scheint doch ein gewisses Gefühl des Un¬
schicklichen, welches man begangen, über einen Theil der Ballgäste gekommen
zu sein, denn als das Fest am 19. April (dem Geburtstage des gütigen
Ferdinand!) wirklich stattfand, zeigte sich eine verhältnißmäßig geringe Theil¬
nahme und Fröhlichkeit, ein großer Theil der Versammelten verließ den Saal
noch vor der Beendigung des Festes.

Vielleicht ist dies die letzte dramatische Activ», welche in diesem Genre
geliefert wurde, zumal da die bisherige Selbstüberschätzung durch die neuesten
Erfolge gegen die düppeler Schanzen auf das richtige Maß gestimmt werden
dürfte! —




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/242>, abgerufen am 03.07.2024.