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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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in hervorragender Weise von Schwegler und Zeller, letztere von Bischer, Strauß,
Reinhold Kostim besprochen. Für die theologische Kritik bildeten den Sammel¬
punkt die "chilenischen Jahrbücher", weiche Eduard Zeller im Jahre 1842
begründete und erst allein, dann in Verbindung mit Baur sechszehn Jai>rc
lang fortführte. Sie waren das eigentliche Organ der tübinger Schule. Hiev
wurden alle jene Einzeluntersuchungen über die Evangelien, über die Gegen¬
sätze und die Literatur des nachapostviischen Zeitalters niedergelegt, ausweichen
die späteren umfassenden Arbeiten, kritischen oder historischen Inhalts beruhten;
hier wurden jene Fragen einer immer wiederholten Prüfung unterworfen, die
Streitpunkte unter den Freunden erörtert, der Kampf mit den Gegnern geführt.
Unter den Mitarbeitern standen in erster Linie neben Baur und Zeller selbst:
A. Schwegler, K. Eh. Planck. Karl Kostim, später A. Hilgenfcld und Vvlckmar.

Die vielseitigste und wohl gediegenste straft war E. Zeller, der Baur
selbst am nächsten stand und durch eine Reihe von Abhandlungen, besonders
über die Offenbarung, über das Johanncsevangclium, über die äußeren Zeug¬
nisse für die Evangelien, über das LucaScvangclium und die Apostelgeschichte
wesentlich zur genaueren Begründung der baurschen Ansichten beitrug. Ins¬
besondere sind seine Untersuchungen über die Apostelgeschichte, die er in einer
eigenen Schrift ".18S4) zusammenfaßte, für diesen Gegenstand abschließend ge¬
worden. Schwarz nennt dieses Buch "vielleicht die reifste Frucht der baurschen
Kritik, das gediegenste Wert der ganzen Schule". Zeller ist zugleich derjenige,
welcher auch, nachdem er genöthigt war sich einem andern Felde zuzuwenden,
gleichwohl jenen Studien am treuesten geblieben und fort und fort für die Ver¬
breitung und Anerkennung der Ansichten der kritisch-historischen Schule thätig
ist. Von Kostim wäre seine Entwickelung mehrer ncutestamentlicher Lehr¬
begriffe, seine Abhandlung über die Pseudonyme Literatur der ältesten Kirche
und insbesondere sein größeres Werk: Ursprung und Composition der synop¬
tischen Evangelien (1853) hervorzuheben; allein wir verzichten selbstverständlich
darauf, die Menge der Einzeluntersuchungen, auch der hervorragenderen zu ver¬
zeichnen, und wenden uns vielmehr den ersten Versuchen einer geschichtlichen
Zusammenfassung der gewonnenen Resultate zu.

Diese Versuche wurden von den Schülern früher begonnen als von Vaur,
der es auch sonst geschehen ließ, daß die Jünger in die Oeffentlichkeit voraus¬
eilten gleichsam als Plänkler, denen er erst mit dem schweren Geschütz nach¬
rückte. Am wenigsten hätte er an eine zusammenhängende Geschichtserzählung
sich gewagt, bevor er das ganze Feld selbständig durchgeackert hatte. Als der
Muthigste wagte sich Ä. Schwegler vor, der seiner Monographie über den
Montanismus (1841Z fünf Jahre darauf sein "NachavostolischcS Zeitalter in
den Hauptmomenten seiner Entwickelung" folgen ließ. Schwegler war der ent¬
schlossenste, geistig bedeutendste unter den Jüngern; mit dein nachdrücklichsten


in hervorragender Weise von Schwegler und Zeller, letztere von Bischer, Strauß,
Reinhold Kostim besprochen. Für die theologische Kritik bildeten den Sammel¬
punkt die „chilenischen Jahrbücher", weiche Eduard Zeller im Jahre 1842
begründete und erst allein, dann in Verbindung mit Baur sechszehn Jai>rc
lang fortführte. Sie waren das eigentliche Organ der tübinger Schule. Hiev
wurden alle jene Einzeluntersuchungen über die Evangelien, über die Gegen¬
sätze und die Literatur des nachapostviischen Zeitalters niedergelegt, ausweichen
die späteren umfassenden Arbeiten, kritischen oder historischen Inhalts beruhten;
hier wurden jene Fragen einer immer wiederholten Prüfung unterworfen, die
Streitpunkte unter den Freunden erörtert, der Kampf mit den Gegnern geführt.
Unter den Mitarbeitern standen in erster Linie neben Baur und Zeller selbst:
A. Schwegler, K. Eh. Planck. Karl Kostim, später A. Hilgenfcld und Vvlckmar.

Die vielseitigste und wohl gediegenste straft war E. Zeller, der Baur
selbst am nächsten stand und durch eine Reihe von Abhandlungen, besonders
über die Offenbarung, über das Johanncsevangclium, über die äußeren Zeug¬
nisse für die Evangelien, über das LucaScvangclium und die Apostelgeschichte
wesentlich zur genaueren Begründung der baurschen Ansichten beitrug. Ins¬
besondere sind seine Untersuchungen über die Apostelgeschichte, die er in einer
eigenen Schrift «.18S4) zusammenfaßte, für diesen Gegenstand abschließend ge¬
worden. Schwarz nennt dieses Buch „vielleicht die reifste Frucht der baurschen
Kritik, das gediegenste Wert der ganzen Schule". Zeller ist zugleich derjenige,
welcher auch, nachdem er genöthigt war sich einem andern Felde zuzuwenden,
gleichwohl jenen Studien am treuesten geblieben und fort und fort für die Ver¬
breitung und Anerkennung der Ansichten der kritisch-historischen Schule thätig
ist. Von Kostim wäre seine Entwickelung mehrer ncutestamentlicher Lehr¬
begriffe, seine Abhandlung über die Pseudonyme Literatur der ältesten Kirche
und insbesondere sein größeres Werk: Ursprung und Composition der synop¬
tischen Evangelien (1853) hervorzuheben; allein wir verzichten selbstverständlich
darauf, die Menge der Einzeluntersuchungen, auch der hervorragenderen zu ver¬
zeichnen, und wenden uns vielmehr den ersten Versuchen einer geschichtlichen
Zusammenfassung der gewonnenen Resultate zu.

Diese Versuche wurden von den Schülern früher begonnen als von Vaur,
der es auch sonst geschehen ließ, daß die Jünger in die Oeffentlichkeit voraus¬
eilten gleichsam als Plänkler, denen er erst mit dem schweren Geschütz nach¬
rückte. Am wenigsten hätte er an eine zusammenhängende Geschichtserzählung
sich gewagt, bevor er das ganze Feld selbständig durchgeackert hatte. Als der
Muthigste wagte sich Ä. Schwegler vor, der seiner Monographie über den
Montanismus (1841Z fünf Jahre darauf sein „NachavostolischcS Zeitalter in
den Hauptmomenten seiner Entwickelung" folgen ließ. Schwegler war der ent¬
schlossenste, geistig bedeutendste unter den Jüngern; mit dein nachdrücklichsten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/230>, abgerufen am 23.07.2024.