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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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diesem, so auch nach dem Anton Kaupy und gaben sie in denselben Kerker.
Jetzt waren wir schon sechs drinnen.

Da herrschte Freude, daß sie uns Ketzer wegführen werden, und sogleich
mußten die Fuhren kommen und wir wurden auf selbe aufgeladen. Das war
ein Schauspiel, Jung und Alt strömte herbei, so daß niemand wähnen möchte,
daß es so viel Volk in Oels gäbe. Als sie uns aber wegführten, da ließ sich
die Gottesstimme stark hören, indem es so donnerte, daß die Erde erbebte und
wir wurden so naß, daß kein Faden auf uns trocken blieb.

Als sie uns nach Kunstadt brachten, gaben sie einem jeden zwei große
Eisenfesseln auf die Füße und ließen uns vier Wochen im Kerker. Dann
ängstigten sie uns. daß sie uns nach Venedig schicken werden"), allein wir
ließen keiner Furcht über uns Herr werden. Sodann ließen sie uns zum Ver¬
hör, wie wir sprechen würden. Allein der Erste, als sie ihn hernahmen, sing
an zu leugnen und willigte ein Katholik zu bleiben, denn er war nicht be¬
festiget in der Wahrheit Gottes. Aber-wir fünfe: Gregor Jakubetz, Franz
Wayner, Josef Czlubek. Ignaz Pelischek und Thomas Pelischek ließen uns
nicht durch ihre Drohungen schrecken; denn Franz Wayner sagte uns, wenn
ihr Andern läugnen werdet, so sage ich von Euch alles heraus.

Als ich, Georg Jakubetz, als erster gerufen wurde, läugnete ich nichts, son¬
dern bekannte frei und sprach: alle Pflanzen, die der himmlische Vater nicht
gepflanzet, werden ausgereutet werden. Und worauf sie mich immerhin ge¬
fragt haben, das beantwortete ich. -- Als keiner abtrünnig wurde, trennten
sie uns von einander, damit keiner zum andern könne. Als auch so keiner
von der Wahrheit Gottes abtrat, hieß es. daß wir nach Brunn gebracht
werden und dort lebenslänglich auf dem Spielberge sitzen werden. Darnach
ängstigten sie uns mit neuen Schrecken. Alle Bücher und Schriften wurden
uns und noch mehren Nachbarn zu Hause genommen, und diese Bücher wurden
sammt jenen Nachbarn nach Kunstadt uns .nachgeführt.

Der Pfarrer kam auch und verbarg sich in das Nebenzimmer, aber wir
wußten nichts davon. Er ließ uns durch den Trabanten holen, daß wir zum
Herrn Oberamtmann hinaufkommen sollten. Der Herr Oberamtmann ver¬
kündete uns, daß wir nach Brünn müßten. Allein ich melde Euch noch, daß
Euer Herr Pfarrer hier anwesend ist, und gnädig zu Euch sein will, wenn Ihr
seinen Rath befolgen wollet, er wird nach Brünn zum h. Gubernium schrei¬
ben und Ihr könntet ein jeder wieder zu eurer Wirthschaft heimkehren und er
wird Euch Euern Irrthum beweisen. Wir antworteten darauf sogleich: Das
wünschen wir, daß er uns unsern Irrthum aufweise. Da rief sogleich der



") Auf die Galeeren.

diesem, so auch nach dem Anton Kaupy und gaben sie in denselben Kerker.
Jetzt waren wir schon sechs drinnen.

Da herrschte Freude, daß sie uns Ketzer wegführen werden, und sogleich
mußten die Fuhren kommen und wir wurden auf selbe aufgeladen. Das war
ein Schauspiel, Jung und Alt strömte herbei, so daß niemand wähnen möchte,
daß es so viel Volk in Oels gäbe. Als sie uns aber wegführten, da ließ sich
die Gottesstimme stark hören, indem es so donnerte, daß die Erde erbebte und
wir wurden so naß, daß kein Faden auf uns trocken blieb.

Als sie uns nach Kunstadt brachten, gaben sie einem jeden zwei große
Eisenfesseln auf die Füße und ließen uns vier Wochen im Kerker. Dann
ängstigten sie uns. daß sie uns nach Venedig schicken werden"), allein wir
ließen keiner Furcht über uns Herr werden. Sodann ließen sie uns zum Ver¬
hör, wie wir sprechen würden. Allein der Erste, als sie ihn hernahmen, sing
an zu leugnen und willigte ein Katholik zu bleiben, denn er war nicht be¬
festiget in der Wahrheit Gottes. Aber-wir fünfe: Gregor Jakubetz, Franz
Wayner, Josef Czlubek. Ignaz Pelischek und Thomas Pelischek ließen uns
nicht durch ihre Drohungen schrecken; denn Franz Wayner sagte uns, wenn
ihr Andern läugnen werdet, so sage ich von Euch alles heraus.

Als ich, Georg Jakubetz, als erster gerufen wurde, läugnete ich nichts, son¬
dern bekannte frei und sprach: alle Pflanzen, die der himmlische Vater nicht
gepflanzet, werden ausgereutet werden. Und worauf sie mich immerhin ge¬
fragt haben, das beantwortete ich. — Als keiner abtrünnig wurde, trennten
sie uns von einander, damit keiner zum andern könne. Als auch so keiner
von der Wahrheit Gottes abtrat, hieß es. daß wir nach Brunn gebracht
werden und dort lebenslänglich auf dem Spielberge sitzen werden. Darnach
ängstigten sie uns mit neuen Schrecken. Alle Bücher und Schriften wurden
uns und noch mehren Nachbarn zu Hause genommen, und diese Bücher wurden
sammt jenen Nachbarn nach Kunstadt uns .nachgeführt.

Der Pfarrer kam auch und verbarg sich in das Nebenzimmer, aber wir
wußten nichts davon. Er ließ uns durch den Trabanten holen, daß wir zum
Herrn Oberamtmann hinaufkommen sollten. Der Herr Oberamtmann ver¬
kündete uns, daß wir nach Brünn müßten. Allein ich melde Euch noch, daß
Euer Herr Pfarrer hier anwesend ist, und gnädig zu Euch sein will, wenn Ihr
seinen Rath befolgen wollet, er wird nach Brünn zum h. Gubernium schrei¬
ben und Ihr könntet ein jeder wieder zu eurer Wirthschaft heimkehren und er
wird Euch Euern Irrthum beweisen. Wir antworteten darauf sogleich: Das
wünschen wir, daß er uns unsern Irrthum aufweise. Da rief sogleich der



") Auf die Galeeren.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/196>, abgerufen am 23.07.2024.