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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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seligmachenden Glauben trennet? Wayner. Woraus wird diese Alleinselig-
macherei erkannt? Pfarren Unser Glaube ist ja durch Wunder bewahrheitet.
Wayner. Dem schenke ich keinen Glauben, denn was von dergleichen Wundern
gesagt wird, das sind lauter Verführungen; aber dies ist ein Wunder- Als
ich hierher ging, so regnete es und jetzt scheint schön die Sonne. Das ist
Gottes Wunder. Pfarrer antwortete: er möge sich doch nicht von ihnen
trennen und entließ ihn so.

Wayner fuhr sogleich nach Brunn und brachte Bibeln, welche auf kaiser¬
liche Kosten gedruckt wurden, zu uns nach Oels. Ein Bürger Namens
Johann Nemecck sagte, daß das vermaledeite Bibeln seien sammt den Leuten,
welche sie zuführen. Wayner wollte es nicht so hinnehmen, sondern ging mit
Andern in die Pfarre darüber zu klagen. Der Kaplan vertheidigte jedoch den
Nemccek. Da kam die Magd aus der Küche und sprach: El was. sie haben
ja ihren Bischof! (wobei sie auf mich Jakubetz hinzielte) und der Kaplan be¬
jahrte es. -- Ich Jakubetz, da ich dies horte, ging sogleich mit in das Pfarr¬
haus und fragte: aus welcher Ursache mich die Magd einen Bischof nenne?
Der Kaplan sagte: Ihr seid es ja! Jakubetz. So ich es bin, so bin ich also
der Bischof und Ihr seid nur ein Kaplan. Saget mir nun: Wie viele Bücher
enthält die Bibel? Und wer war der erste Märtyrer? Aber er wußte nichts,
und schickte sogleich nach dem Ortsvorstand. Ich sagte ihm: er möge beachten,
was jhm aus dem Arrestiren erblühen werde. Der Kaplan antwortete: Wir
werden Euch wohl bald wegschaffen. Jakubetz. Nicht sobald. Kaplan.
Wenn Eurer auch zwanzig wären! Jakubetz. O. wir sind mehr. Kaplan.
Wenn auch dreißig. Jakubetz. Noch mehr. Kaplan. Wenn auch sechzig,
Jakubetz. Immer noch mehr. Der Vorstand führte mich darauf in den Kerker,
wo jetzt bereits zwei waren. Da sing der Satan zu wüthen an.

Denn darnach gingen sechs von uns zimmern, nämlich: Jakob, Franz,
Ignaz und Thomas Pelischek, Georg Michel, und Georg starck -- alle Freunde
der Wahrheit Gottes. Aber die Feinde wußten nicht, auf welche Art sie diese
in den Kerker werfen könnten. Da liefen sie hin und her, aber die Furcht
des Herrn kam über sie, denn sie fürchteten, daß wir uns wehren werden-
Da kam man uns zu sagen, daß sie uns die Zimmerjacken wegnehmen wollten.
Da blieb Franz Pelischek zu Hause und dem Jakob Pelischcr mischte der Bier¬
brauer Gift in das Bier, daß es ihm seine Eingeweide herauftrieb. Als sie
nun sahen, daß wir weniger wurden, schickten sie nach zwei Trabanten, und
alle Nachbarn kamen zusammen und versteckten sich in den Häusern, .welche
gegenüber dem Platz lagen, wo wir arbeiteten. Da sielen sie von allen Seiten
auf uns wie auf Missethäter. Das war am Samstage vor dem Himmelfahrts--
feste und warfen auch diese vier in den Gemeindekerker.

Gerade kam auch Franz Wayner von Brünn. sogleich schickten sie nach


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seligmachenden Glauben trennet? Wayner. Woraus wird diese Alleinselig-
macherei erkannt? Pfarren Unser Glaube ist ja durch Wunder bewahrheitet.
Wayner. Dem schenke ich keinen Glauben, denn was von dergleichen Wundern
gesagt wird, das sind lauter Verführungen; aber dies ist ein Wunder- Als
ich hierher ging, so regnete es und jetzt scheint schön die Sonne. Das ist
Gottes Wunder. Pfarrer antwortete: er möge sich doch nicht von ihnen
trennen und entließ ihn so.

Wayner fuhr sogleich nach Brunn und brachte Bibeln, welche auf kaiser¬
liche Kosten gedruckt wurden, zu uns nach Oels. Ein Bürger Namens
Johann Nemecck sagte, daß das vermaledeite Bibeln seien sammt den Leuten,
welche sie zuführen. Wayner wollte es nicht so hinnehmen, sondern ging mit
Andern in die Pfarre darüber zu klagen. Der Kaplan vertheidigte jedoch den
Nemccek. Da kam die Magd aus der Küche und sprach: El was. sie haben
ja ihren Bischof! (wobei sie auf mich Jakubetz hinzielte) und der Kaplan be¬
jahrte es. — Ich Jakubetz, da ich dies horte, ging sogleich mit in das Pfarr¬
haus und fragte: aus welcher Ursache mich die Magd einen Bischof nenne?
Der Kaplan sagte: Ihr seid es ja! Jakubetz. So ich es bin, so bin ich also
der Bischof und Ihr seid nur ein Kaplan. Saget mir nun: Wie viele Bücher
enthält die Bibel? Und wer war der erste Märtyrer? Aber er wußte nichts,
und schickte sogleich nach dem Ortsvorstand. Ich sagte ihm: er möge beachten,
was jhm aus dem Arrestiren erblühen werde. Der Kaplan antwortete: Wir
werden Euch wohl bald wegschaffen. Jakubetz. Nicht sobald. Kaplan.
Wenn Eurer auch zwanzig wären! Jakubetz. O. wir sind mehr. Kaplan.
Wenn auch dreißig. Jakubetz. Noch mehr. Kaplan. Wenn auch sechzig,
Jakubetz. Immer noch mehr. Der Vorstand führte mich darauf in den Kerker,
wo jetzt bereits zwei waren. Da sing der Satan zu wüthen an.

Denn darnach gingen sechs von uns zimmern, nämlich: Jakob, Franz,
Ignaz und Thomas Pelischek, Georg Michel, und Georg starck — alle Freunde
der Wahrheit Gottes. Aber die Feinde wußten nicht, auf welche Art sie diese
in den Kerker werfen könnten. Da liefen sie hin und her, aber die Furcht
des Herrn kam über sie, denn sie fürchteten, daß wir uns wehren werden-
Da kam man uns zu sagen, daß sie uns die Zimmerjacken wegnehmen wollten.
Da blieb Franz Pelischek zu Hause und dem Jakob Pelischcr mischte der Bier¬
brauer Gift in das Bier, daß es ihm seine Eingeweide herauftrieb. Als sie
nun sahen, daß wir weniger wurden, schickten sie nach zwei Trabanten, und
alle Nachbarn kamen zusammen und versteckten sich in den Häusern, .welche
gegenüber dem Platz lagen, wo wir arbeiteten. Da sielen sie von allen Seiten
auf uns wie auf Missethäter. Das war am Samstage vor dem Himmelfahrts--
feste und warfen auch diese vier in den Gemeindekerker.

Gerade kam auch Franz Wayner von Brünn. sogleich schickten sie nach


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[0195] seligmachenden Glauben trennet? Wayner. Woraus wird diese Alleinselig- macherei erkannt? Pfarren Unser Glaube ist ja durch Wunder bewahrheitet. Wayner. Dem schenke ich keinen Glauben, denn was von dergleichen Wundern gesagt wird, das sind lauter Verführungen; aber dies ist ein Wunder- Als ich hierher ging, so regnete es und jetzt scheint schön die Sonne. Das ist Gottes Wunder. Pfarrer antwortete: er möge sich doch nicht von ihnen trennen und entließ ihn so. Wayner fuhr sogleich nach Brunn und brachte Bibeln, welche auf kaiser¬ liche Kosten gedruckt wurden, zu uns nach Oels. Ein Bürger Namens Johann Nemecck sagte, daß das vermaledeite Bibeln seien sammt den Leuten, welche sie zuführen. Wayner wollte es nicht so hinnehmen, sondern ging mit Andern in die Pfarre darüber zu klagen. Der Kaplan vertheidigte jedoch den Nemccek. Da kam die Magd aus der Küche und sprach: El was. sie haben ja ihren Bischof! (wobei sie auf mich Jakubetz hinzielte) und der Kaplan be¬ jahrte es. — Ich Jakubetz, da ich dies horte, ging sogleich mit in das Pfarr¬ haus und fragte: aus welcher Ursache mich die Magd einen Bischof nenne? Der Kaplan sagte: Ihr seid es ja! Jakubetz. So ich es bin, so bin ich also der Bischof und Ihr seid nur ein Kaplan. Saget mir nun: Wie viele Bücher enthält die Bibel? Und wer war der erste Märtyrer? Aber er wußte nichts, und schickte sogleich nach dem Ortsvorstand. Ich sagte ihm: er möge beachten, was jhm aus dem Arrestiren erblühen werde. Der Kaplan antwortete: Wir werden Euch wohl bald wegschaffen. Jakubetz. Nicht sobald. Kaplan. Wenn Eurer auch zwanzig wären! Jakubetz. O. wir sind mehr. Kaplan. Wenn auch dreißig. Jakubetz. Noch mehr. Kaplan. Wenn auch sechzig, Jakubetz. Immer noch mehr. Der Vorstand führte mich darauf in den Kerker, wo jetzt bereits zwei waren. Da sing der Satan zu wüthen an. Denn darnach gingen sechs von uns zimmern, nämlich: Jakob, Franz, Ignaz und Thomas Pelischek, Georg Michel, und Georg starck — alle Freunde der Wahrheit Gottes. Aber die Feinde wußten nicht, auf welche Art sie diese in den Kerker werfen könnten. Da liefen sie hin und her, aber die Furcht des Herrn kam über sie, denn sie fürchteten, daß wir uns wehren werden- Da kam man uns zu sagen, daß sie uns die Zimmerjacken wegnehmen wollten. Da blieb Franz Pelischek zu Hause und dem Jakob Pelischcr mischte der Bier¬ brauer Gift in das Bier, daß es ihm seine Eingeweide herauftrieb. Als sie nun sahen, daß wir weniger wurden, schickten sie nach zwei Trabanten, und alle Nachbarn kamen zusammen und versteckten sich in den Häusern, .welche gegenüber dem Platz lagen, wo wir arbeiteten. Da sielen sie von allen Seiten auf uns wie auf Missethäter. Das war am Samstage vor dem Himmelfahrts-- feste und warfen auch diese vier in den Gemeindekerker. Gerade kam auch Franz Wayner von Brünn. sogleich schickten sie nach 24 ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/195>, abgerufen am 23.07.2024.