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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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halten. Pater. Ja, mein Buchbinder. Ihr solltet wissen, daß der arme
Sünder nicht würdig ist sofort ihren Sohn anzukaufen. Wisset Ihr nicht, wie
es bei großen Herren zugeht, wenn ein Unterthan was verschuldet, daß er sich
um einen guten Patron bemühet und bekümmert, der bei dem Herrn wohl an¬
gesehen ist und der ihn versöhnen kann? Bchbdr. Mein Herr Pater, das ist
mit dem Weltlichen nicht zu vergleichen. Denn Christus ruft selber: Kommet
her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, item, wer zu mir kommt
den will ich nicht hinausstoßen. Ist das nicht Versicherung genug, daß ich
mein Bitten und Anliegen ihm selbst vortragen darf? -- Ich erinnere mich
des Evcmgelii von der Hochzeit in Galiläa. da war Mangel an Wein, die
Mutter Gottes wollte auch eine Fürbitte thun bei ihrem Sohne und sagte:
Sie haben nicht Wein. Was sagte der Sohn zu ihr? Weib, was hab' ich mit
dir zu schaffen, meine Stunde ist noch nicht gekommen. O sie schwieg gern
still und sagte wider die Diener: Was er euch saget, das thut. Also glaube
ich nicht, daß ihr Fürsprecher was hilft.

Pater. Ich muß weiter fragen: Was hältst du vom Fegefeuer? Bchbdr.
Nichts. Pater. Gar nichts? Bchbdr. Nein, denn in der Bibel finde ich
nichts als von Himmel und Hölle. Ich gedenke an den reichen Mann und
Lazarum. War der reiche Mann nicht ein großer Sünder, ein Verschwender
und Schlampamper? der hätte billig ins Fegefeuer gesollt, er würde auch ohne
Zweifel für Seelenmessen etwas Geld übrig gelassen haben. Der arme Lazarus
war ein blättriger Mensch voller Eiterbeulen, er hätte auch billig ins Fege¬
feuer gesollt, daß er darin rein geworden wäre. Es steht aber im Evangelio:
Der Reiche kam in die Hölle, und der Arme ward getragen von den Engeln
in Abrahams Schooß. Pater. O mein Buchbinder, eine Schwalbe macht
noch keinen Sommer. Bchbdr. O Herr, es sind ihrer noch mehr im Neste.
Pater. Was für welche? Bchbdr. Ich gedenke jetzt an den Schacher am
Kreuze, war das nicht ein Mörder und großer Sünder? der hätte auch billig
ins Fegefeuer gesollt. Aber nachdem er sich an Christum hielt, bekam er diese
tröstliche Antwort: Heut wirst du mit mir im Paradiese sein. Er durfte in
kein Fegefeuer. Derowegen ist auch keins; nur Himmel und Hölle.

Pater. Ja, mein Buchbinder, das ist ein einziges Exempel. Es wird
nicht bald wieder einem widerfahren, daß ihn Christus sogleich in den Himmel
nehmen wird. -- Ihr seid nicht recht berichtet, ich will Euch anders lehren.
Aber ich muß mit Euch umgehen wie mit einem ABCschützen. ich muß Euch
einfältig und mit Wenigem weisen, und gebe Euch zur Lehre mit, daß ihr das
Ave Maria fleißig erlernt, daß ihr es könnt, wenn ihr wieder zu mir kommt,
hernach will ich Euch ein Mehres unterrichten. Bchbdr. Herr Pater, das ist
ja gar kein Gebet, sondern ein Gruß. Pater. Nun geht nur nach Hanse
und thut, was ich Euch befohlen habe.


halten. Pater. Ja, mein Buchbinder. Ihr solltet wissen, daß der arme
Sünder nicht würdig ist sofort ihren Sohn anzukaufen. Wisset Ihr nicht, wie
es bei großen Herren zugeht, wenn ein Unterthan was verschuldet, daß er sich
um einen guten Patron bemühet und bekümmert, der bei dem Herrn wohl an¬
gesehen ist und der ihn versöhnen kann? Bchbdr. Mein Herr Pater, das ist
mit dem Weltlichen nicht zu vergleichen. Denn Christus ruft selber: Kommet
her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, item, wer zu mir kommt
den will ich nicht hinausstoßen. Ist das nicht Versicherung genug, daß ich
mein Bitten und Anliegen ihm selbst vortragen darf? — Ich erinnere mich
des Evcmgelii von der Hochzeit in Galiläa. da war Mangel an Wein, die
Mutter Gottes wollte auch eine Fürbitte thun bei ihrem Sohne und sagte:
Sie haben nicht Wein. Was sagte der Sohn zu ihr? Weib, was hab' ich mit
dir zu schaffen, meine Stunde ist noch nicht gekommen. O sie schwieg gern
still und sagte wider die Diener: Was er euch saget, das thut. Also glaube
ich nicht, daß ihr Fürsprecher was hilft.

Pater. Ich muß weiter fragen: Was hältst du vom Fegefeuer? Bchbdr.
Nichts. Pater. Gar nichts? Bchbdr. Nein, denn in der Bibel finde ich
nichts als von Himmel und Hölle. Ich gedenke an den reichen Mann und
Lazarum. War der reiche Mann nicht ein großer Sünder, ein Verschwender
und Schlampamper? der hätte billig ins Fegefeuer gesollt, er würde auch ohne
Zweifel für Seelenmessen etwas Geld übrig gelassen haben. Der arme Lazarus
war ein blättriger Mensch voller Eiterbeulen, er hätte auch billig ins Fege¬
feuer gesollt, daß er darin rein geworden wäre. Es steht aber im Evangelio:
Der Reiche kam in die Hölle, und der Arme ward getragen von den Engeln
in Abrahams Schooß. Pater. O mein Buchbinder, eine Schwalbe macht
noch keinen Sommer. Bchbdr. O Herr, es sind ihrer noch mehr im Neste.
Pater. Was für welche? Bchbdr. Ich gedenke jetzt an den Schacher am
Kreuze, war das nicht ein Mörder und großer Sünder? der hätte auch billig
ins Fegefeuer gesollt. Aber nachdem er sich an Christum hielt, bekam er diese
tröstliche Antwort: Heut wirst du mit mir im Paradiese sein. Er durfte in
kein Fegefeuer. Derowegen ist auch keins; nur Himmel und Hölle.

Pater. Ja, mein Buchbinder, das ist ein einziges Exempel. Es wird
nicht bald wieder einem widerfahren, daß ihn Christus sogleich in den Himmel
nehmen wird. — Ihr seid nicht recht berichtet, ich will Euch anders lehren.
Aber ich muß mit Euch umgehen wie mit einem ABCschützen. ich muß Euch
einfältig und mit Wenigem weisen, und gebe Euch zur Lehre mit, daß ihr das
Ave Maria fleißig erlernt, daß ihr es könnt, wenn ihr wieder zu mir kommt,
hernach will ich Euch ein Mehres unterrichten. Bchbdr. Herr Pater, das ist
ja gar kein Gebet, sondern ein Gruß. Pater. Nun geht nur nach Hanse
und thut, was ich Euch befohlen habe.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/188>, abgerufen am 23.07.2024.