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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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ich hab' zu Hause zu thun, sag mich an. Junge. El verzieht nur ein klein
wenig. Buchbinder. Ich kann nicht verziehen, es ist mir scharf befohlen,
hierher zu gehen, sage mich an, oder ich sage mich selber an. -- Da ergreift
er die Stubenthüre mit Gewalt und geht hinein.

Der Pater schläft an der hintern Wand auf einem großen Stuhl und
wacht davon auf. der Buchbinder aber bleibt vorn bei der Stubenthür stehen
und sagt nichts. Sie sehen die längste Weile einander an. endlich spricht der
Herr Pater: Was bringst du? Bchbdr. Nichts. Pater. Was willst du?
Bchbdr. Nichts. Pater. Von wannen bist du? Bchbdr. Von meiner
Mutter. Pater. El mein, sei nicht so spitzig. Bchbdr. Nein, Herr Pater,
ich bin mein Lebtag noch niemalen spitzig gewesen, aber allezeit so ein kleines
rundes Männchen, als ihr hier mich sehet. Pater. Ha ha. seid Ihr nicht
der Buchbinder, der kleine Pommer? Bchbdr. Ja Herr, im Winter wie im
Sommer. Pater. Ihr seid eben derjenige, der allezeit die Leute nach dem
Dorf Schwcnkfeld hinausführt? Bchbdr. Nein, mein Herr Pater, ich habe
mein Lebtage Niemanden hinausgeführt, sie sind alle von selbst hinausgegangen.
Pater. El mein, wie kommt es, daß die Leute so närrisch sind, sie haben
ja das Wort Gottes hier in der Stadt und laufen so weit hinaus, ja zuweilen
in so gar unheimlichem Wetter. Bchbdr. Ich weiß wohl die Ursache, ich
darf sie nur nicht sagen. Aber doch wollte ich dem Herrn Pater einen guten
Rath geben, wie es der Herr Pater machen sollte, daß ihm niemand hinauf¬
liefe. Pater. El mein, sagt mir das. Bchbdr. So gehe der Herr Pater
auf künftigen Sonntag nach Schwenkfeld und predige draußen und schicke den
Herrn Pfarrer von Schwenkfeld herein, daß er hier drin predige; es wird dann
niemand hinauslaufen, sondern hier drin bleiben. Pater. El mein, das
habe ich ohnedies gewußt. -- Tretet besser heran zu mir. ich habe etwas An¬
deres mit Euch zu rede". Ich habe gehört, daß Ihr Euch so sehr gesperrt
habt zu mir zu kommen und aus Eure Religion getrutzt. derowegen frage ich
Euch, was habt Ihr für Grund in der Religion? Bchbdr. Nur des Lutheri
Katechismus, der ist ein kurzer Extract aus der heiligen Bibel, darinnen alles
begriffen, was zu meiner Seele Seligkeit dienlich wie auch nützlich ist. Pater.
Mein Buchbinder, der ist nicht tüchtig, er ist nicht gewichtig genug, des Canisii
Katechismus ist gewichtiger. Bchbdr. Herr Pater, ich wollte fast wetten, daß
der lutherische gewichtiger sei. denn ich habe alle beide zu Hause gehabt. die¬
weil ich ein Buchbinder bin, katholische, lutherische, calvinische und dergleichen;
sie sind mir alle wohlbekannt, ich will sie bald herholen.

Pater. Nein, wartet bis zu anderer Zeit. Was hältst du von der
Verehrung der Mutter Gottes? Bchbdr. Wir halten viel davon, denn sie ist
aller Ehren werth, aber Ihr betet und ruft sie an als eine Fürsprecherin, die
für Euch bitten konnte, das können wir nicht thun, wir können sie nicht dafür


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ich hab' zu Hause zu thun, sag mich an. Junge. El verzieht nur ein klein
wenig. Buchbinder. Ich kann nicht verziehen, es ist mir scharf befohlen,
hierher zu gehen, sage mich an, oder ich sage mich selber an. — Da ergreift
er die Stubenthüre mit Gewalt und geht hinein.

Der Pater schläft an der hintern Wand auf einem großen Stuhl und
wacht davon auf. der Buchbinder aber bleibt vorn bei der Stubenthür stehen
und sagt nichts. Sie sehen die längste Weile einander an. endlich spricht der
Herr Pater: Was bringst du? Bchbdr. Nichts. Pater. Was willst du?
Bchbdr. Nichts. Pater. Von wannen bist du? Bchbdr. Von meiner
Mutter. Pater. El mein, sei nicht so spitzig. Bchbdr. Nein, Herr Pater,
ich bin mein Lebtag noch niemalen spitzig gewesen, aber allezeit so ein kleines
rundes Männchen, als ihr hier mich sehet. Pater. Ha ha. seid Ihr nicht
der Buchbinder, der kleine Pommer? Bchbdr. Ja Herr, im Winter wie im
Sommer. Pater. Ihr seid eben derjenige, der allezeit die Leute nach dem
Dorf Schwcnkfeld hinausführt? Bchbdr. Nein, mein Herr Pater, ich habe
mein Lebtage Niemanden hinausgeführt, sie sind alle von selbst hinausgegangen.
Pater. El mein, wie kommt es, daß die Leute so närrisch sind, sie haben
ja das Wort Gottes hier in der Stadt und laufen so weit hinaus, ja zuweilen
in so gar unheimlichem Wetter. Bchbdr. Ich weiß wohl die Ursache, ich
darf sie nur nicht sagen. Aber doch wollte ich dem Herrn Pater einen guten
Rath geben, wie es der Herr Pater machen sollte, daß ihm niemand hinauf¬
liefe. Pater. El mein, sagt mir das. Bchbdr. So gehe der Herr Pater
auf künftigen Sonntag nach Schwenkfeld und predige draußen und schicke den
Herrn Pfarrer von Schwenkfeld herein, daß er hier drin predige; es wird dann
niemand hinauslaufen, sondern hier drin bleiben. Pater. El mein, das
habe ich ohnedies gewußt. — Tretet besser heran zu mir. ich habe etwas An¬
deres mit Euch zu rede». Ich habe gehört, daß Ihr Euch so sehr gesperrt
habt zu mir zu kommen und aus Eure Religion getrutzt. derowegen frage ich
Euch, was habt Ihr für Grund in der Religion? Bchbdr. Nur des Lutheri
Katechismus, der ist ein kurzer Extract aus der heiligen Bibel, darinnen alles
begriffen, was zu meiner Seele Seligkeit dienlich wie auch nützlich ist. Pater.
Mein Buchbinder, der ist nicht tüchtig, er ist nicht gewichtig genug, des Canisii
Katechismus ist gewichtiger. Bchbdr. Herr Pater, ich wollte fast wetten, daß
der lutherische gewichtiger sei. denn ich habe alle beide zu Hause gehabt. die¬
weil ich ein Buchbinder bin, katholische, lutherische, calvinische und dergleichen;
sie sind mir alle wohlbekannt, ich will sie bald herholen.

Pater. Nein, wartet bis zu anderer Zeit. Was hältst du von der
Verehrung der Mutter Gottes? Bchbdr. Wir halten viel davon, denn sie ist
aller Ehren werth, aber Ihr betet und ruft sie an als eine Fürsprecherin, die
für Euch bitten konnte, das können wir nicht thun, wir können sie nicht dafür


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[0187] ich hab' zu Hause zu thun, sag mich an. Junge. El verzieht nur ein klein wenig. Buchbinder. Ich kann nicht verziehen, es ist mir scharf befohlen, hierher zu gehen, sage mich an, oder ich sage mich selber an. — Da ergreift er die Stubenthüre mit Gewalt und geht hinein. Der Pater schläft an der hintern Wand auf einem großen Stuhl und wacht davon auf. der Buchbinder aber bleibt vorn bei der Stubenthür stehen und sagt nichts. Sie sehen die längste Weile einander an. endlich spricht der Herr Pater: Was bringst du? Bchbdr. Nichts. Pater. Was willst du? Bchbdr. Nichts. Pater. Von wannen bist du? Bchbdr. Von meiner Mutter. Pater. El mein, sei nicht so spitzig. Bchbdr. Nein, Herr Pater, ich bin mein Lebtag noch niemalen spitzig gewesen, aber allezeit so ein kleines rundes Männchen, als ihr hier mich sehet. Pater. Ha ha. seid Ihr nicht der Buchbinder, der kleine Pommer? Bchbdr. Ja Herr, im Winter wie im Sommer. Pater. Ihr seid eben derjenige, der allezeit die Leute nach dem Dorf Schwcnkfeld hinausführt? Bchbdr. Nein, mein Herr Pater, ich habe mein Lebtage Niemanden hinausgeführt, sie sind alle von selbst hinausgegangen. Pater. El mein, wie kommt es, daß die Leute so närrisch sind, sie haben ja das Wort Gottes hier in der Stadt und laufen so weit hinaus, ja zuweilen in so gar unheimlichem Wetter. Bchbdr. Ich weiß wohl die Ursache, ich darf sie nur nicht sagen. Aber doch wollte ich dem Herrn Pater einen guten Rath geben, wie es der Herr Pater machen sollte, daß ihm niemand hinauf¬ liefe. Pater. El mein, sagt mir das. Bchbdr. So gehe der Herr Pater auf künftigen Sonntag nach Schwenkfeld und predige draußen und schicke den Herrn Pfarrer von Schwenkfeld herein, daß er hier drin predige; es wird dann niemand hinauslaufen, sondern hier drin bleiben. Pater. El mein, das habe ich ohnedies gewußt. — Tretet besser heran zu mir. ich habe etwas An¬ deres mit Euch zu rede». Ich habe gehört, daß Ihr Euch so sehr gesperrt habt zu mir zu kommen und aus Eure Religion getrutzt. derowegen frage ich Euch, was habt Ihr für Grund in der Religion? Bchbdr. Nur des Lutheri Katechismus, der ist ein kurzer Extract aus der heiligen Bibel, darinnen alles begriffen, was zu meiner Seele Seligkeit dienlich wie auch nützlich ist. Pater. Mein Buchbinder, der ist nicht tüchtig, er ist nicht gewichtig genug, des Canisii Katechismus ist gewichtiger. Bchbdr. Herr Pater, ich wollte fast wetten, daß der lutherische gewichtiger sei. denn ich habe alle beide zu Hause gehabt. die¬ weil ich ein Buchbinder bin, katholische, lutherische, calvinische und dergleichen; sie sind mir alle wohlbekannt, ich will sie bald herholen. Pater. Nein, wartet bis zu anderer Zeit. Was hältst du von der Verehrung der Mutter Gottes? Bchbdr. Wir halten viel davon, denn sie ist aller Ehren werth, aber Ihr betet und ruft sie an als eine Fürsprecherin, die für Euch bitten konnte, das können wir nicht thun, wir können sie nicht dafür 23*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/187>, abgerufen am 23.07.2024.