Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

die mit der Errichtung der Kuppel von Santa Maria del Fiore ihr Ende er¬
reichten. Zwar siel sein Modell nicht so aus, daß es dem größten Architekten
seines Jahrhunderts den Sieg streitig machte, aber es wurde doch als werthvoll
anerkannt und er selbst zum Stellvertreter Brunelleschis gewählt, im Fall dieser
abwesend oder krank sein sollte. Gleich allen Künstlern seiner Z"it vereinigte
er die meisten Zweige der bildenden Kunst in seiner Werkstatt, die am Corso
degli Adimari lag. und in seinem hohen Alter von seinem Tochtersohn Fran"
cesco Pesellino unbewohnt wurde, der 1423 geboren und später sein Gehilfe
geworden war. Pesellino starb 1457, er überlebte seinen Großvater nur um
zehn Jahre.

Weder dem Raum noch dem Zweck dieses Aufsatzes wäre angemessen, weit¬
läufig über die Berechtigung sich auszulassen, die Giuliano oder Francesco an
die Bilder haben, die kurzweg mit dem Namen "Pesello" belegt werden. Es ge¬
nügt zu bemerken, daß viele davon bei näherer Betrachtung eine von dem der
alten wmxera Malerei abweichende Technik bezeugen. Cenninis Angaben, die
zweifellos nach Giulianos alter Methode zu malen sind, bestimmen sorgfältig
das Maß, nach welchem Farben und Bindemittel zu Schattirungen gemischt
werden müssen. Für Gesichter z. B. ist ein gleiches Gewicht von Farbe und
Eidotter erforderlich, und zwar Dotter von Putereiern für die Gesichter alter
Männer, und Dotter von jungen Landherren für die zartere Haut junger
Frauen.

Man kann wohl annehmen und die Gemälde der Peselli bestätigen es auch
wirklich, daß als sie versuchten die Eidotter durch ein anderes Bindemittel zu
ersetzen, sie dieses zäher und consistenter fanden und es unter die Farben in
gleicher, wenn nicht größerer Quantität mischten; daher der eigenthümliche
Glanz und die Durchsichtigkeit ihrer Bilder. Wir maßen uns nicht an fest¬
zustellen, woraus das neue Bindemittel bestand, aber wir können darin noch
Klebrigkeit und eine Neigung zum Auscinanderfließen erkennen, und eine
Schwierigkeit der Handhabung, so daß das Schraffiren eine Unmöglichkeit
wurde und die Verschmelzung verschiedener Schattirungen außerordentlich schwer
fiel. Das eigentliche Wesen des alten Systems aber war gerade Schraffiren.
Das neue Bindemittel erwies sich als zu zäh dafür, so daß um nun die
nöthige Nundung zu erhalten, Mittcltöne (Halbtöne) über die Lichter gelegt
werden mußten; dann kamen die Schatten über die Mitteltöne in derselben
schwerfälligen Weise -- alles aber gleich durchsichtig, so daß man noch heutigen
Tags die stufenartige Auflegung sehen kann und wie die dunkelsten Stellen an
der Oberfläche am meisten hervorragen. An Lasiren war mit einem so zähen
Bindemittel natürlich nicht zu denken und die Werke der Peselli entbehren
daher einer gewissen Geschmeidigkeit in der Behandlung des Stoffs, was besonders
für das Aussehen des Fleisches ungünstig ist


die mit der Errichtung der Kuppel von Santa Maria del Fiore ihr Ende er¬
reichten. Zwar siel sein Modell nicht so aus, daß es dem größten Architekten
seines Jahrhunderts den Sieg streitig machte, aber es wurde doch als werthvoll
anerkannt und er selbst zum Stellvertreter Brunelleschis gewählt, im Fall dieser
abwesend oder krank sein sollte. Gleich allen Künstlern seiner Z»it vereinigte
er die meisten Zweige der bildenden Kunst in seiner Werkstatt, die am Corso
degli Adimari lag. und in seinem hohen Alter von seinem Tochtersohn Fran»
cesco Pesellino unbewohnt wurde, der 1423 geboren und später sein Gehilfe
geworden war. Pesellino starb 1457, er überlebte seinen Großvater nur um
zehn Jahre.

Weder dem Raum noch dem Zweck dieses Aufsatzes wäre angemessen, weit¬
läufig über die Berechtigung sich auszulassen, die Giuliano oder Francesco an
die Bilder haben, die kurzweg mit dem Namen „Pesello" belegt werden. Es ge¬
nügt zu bemerken, daß viele davon bei näherer Betrachtung eine von dem der
alten wmxera Malerei abweichende Technik bezeugen. Cenninis Angaben, die
zweifellos nach Giulianos alter Methode zu malen sind, bestimmen sorgfältig
das Maß, nach welchem Farben und Bindemittel zu Schattirungen gemischt
werden müssen. Für Gesichter z. B. ist ein gleiches Gewicht von Farbe und
Eidotter erforderlich, und zwar Dotter von Putereiern für die Gesichter alter
Männer, und Dotter von jungen Landherren für die zartere Haut junger
Frauen.

Man kann wohl annehmen und die Gemälde der Peselli bestätigen es auch
wirklich, daß als sie versuchten die Eidotter durch ein anderes Bindemittel zu
ersetzen, sie dieses zäher und consistenter fanden und es unter die Farben in
gleicher, wenn nicht größerer Quantität mischten; daher der eigenthümliche
Glanz und die Durchsichtigkeit ihrer Bilder. Wir maßen uns nicht an fest¬
zustellen, woraus das neue Bindemittel bestand, aber wir können darin noch
Klebrigkeit und eine Neigung zum Auscinanderfließen erkennen, und eine
Schwierigkeit der Handhabung, so daß das Schraffiren eine Unmöglichkeit
wurde und die Verschmelzung verschiedener Schattirungen außerordentlich schwer
fiel. Das eigentliche Wesen des alten Systems aber war gerade Schraffiren.
Das neue Bindemittel erwies sich als zu zäh dafür, so daß um nun die
nöthige Nundung zu erhalten, Mittcltöne (Halbtöne) über die Lichter gelegt
werden mußten; dann kamen die Schatten über die Mitteltöne in derselben
schwerfälligen Weise — alles aber gleich durchsichtig, so daß man noch heutigen
Tags die stufenartige Auflegung sehen kann und wie die dunkelsten Stellen an
der Oberfläche am meisten hervorragen. An Lasiren war mit einem so zähen
Bindemittel natürlich nicht zu denken und die Werke der Peselli entbehren
daher einer gewissen Geschmeidigkeit in der Behandlung des Stoffs, was besonders
für das Aussehen des Fleisches ungünstig ist


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0178" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188739"/>
          <p xml:id="ID_609" prev="#ID_608"> die mit der Errichtung der Kuppel von Santa Maria del Fiore ihr Ende er¬<lb/>
reichten. Zwar siel sein Modell nicht so aus, daß es dem größten Architekten<lb/>
seines Jahrhunderts den Sieg streitig machte, aber es wurde doch als werthvoll<lb/>
anerkannt und er selbst zum Stellvertreter Brunelleschis gewählt, im Fall dieser<lb/>
abwesend oder krank sein sollte. Gleich allen Künstlern seiner Z»it vereinigte<lb/>
er die meisten Zweige der bildenden Kunst in seiner Werkstatt, die am Corso<lb/>
degli Adimari lag. und in seinem hohen Alter von seinem Tochtersohn Fran»<lb/>
cesco Pesellino unbewohnt wurde, der 1423 geboren und später sein Gehilfe<lb/>
geworden war. Pesellino starb 1457, er überlebte seinen Großvater nur um<lb/>
zehn Jahre.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_610"> Weder dem Raum noch dem Zweck dieses Aufsatzes wäre angemessen, weit¬<lb/>
läufig über die Berechtigung sich auszulassen, die Giuliano oder Francesco an<lb/>
die Bilder haben, die kurzweg mit dem Namen &#x201E;Pesello" belegt werden. Es ge¬<lb/>
nügt zu bemerken, daß viele davon bei näherer Betrachtung eine von dem der<lb/>
alten wmxera Malerei abweichende Technik bezeugen. Cenninis Angaben, die<lb/>
zweifellos nach Giulianos alter Methode zu malen sind, bestimmen sorgfältig<lb/>
das Maß, nach welchem Farben und Bindemittel zu Schattirungen gemischt<lb/>
werden müssen. Für Gesichter z. B. ist ein gleiches Gewicht von Farbe und<lb/>
Eidotter erforderlich, und zwar Dotter von Putereiern für die Gesichter alter<lb/>
Männer, und Dotter von jungen Landherren für die zartere Haut junger<lb/>
Frauen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_611"> Man kann wohl annehmen und die Gemälde der Peselli bestätigen es auch<lb/>
wirklich, daß als sie versuchten die Eidotter durch ein anderes Bindemittel zu<lb/>
ersetzen, sie dieses zäher und consistenter fanden und es unter die Farben in<lb/>
gleicher, wenn nicht größerer Quantität mischten; daher der eigenthümliche<lb/>
Glanz und die Durchsichtigkeit ihrer Bilder. Wir maßen uns nicht an fest¬<lb/>
zustellen, woraus das neue Bindemittel bestand, aber wir können darin noch<lb/>
Klebrigkeit und eine Neigung zum Auscinanderfließen erkennen, und eine<lb/>
Schwierigkeit der Handhabung, so daß das Schraffiren eine Unmöglichkeit<lb/>
wurde und die Verschmelzung verschiedener Schattirungen außerordentlich schwer<lb/>
fiel. Das eigentliche Wesen des alten Systems aber war gerade Schraffiren.<lb/>
Das neue Bindemittel erwies sich als zu zäh dafür, so daß um nun die<lb/>
nöthige Nundung zu erhalten, Mittcltöne (Halbtöne) über die Lichter gelegt<lb/>
werden mußten; dann kamen die Schatten über die Mitteltöne in derselben<lb/>
schwerfälligen Weise &#x2014; alles aber gleich durchsichtig, so daß man noch heutigen<lb/>
Tags die stufenartige Auflegung sehen kann und wie die dunkelsten Stellen an<lb/>
der Oberfläche am meisten hervorragen. An Lasiren war mit einem so zähen<lb/>
Bindemittel natürlich nicht zu denken und die Werke der Peselli entbehren<lb/>
daher einer gewissen Geschmeidigkeit in der Behandlung des Stoffs, was besonders<lb/>
für das Aussehen des Fleisches ungünstig ist</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0178] die mit der Errichtung der Kuppel von Santa Maria del Fiore ihr Ende er¬ reichten. Zwar siel sein Modell nicht so aus, daß es dem größten Architekten seines Jahrhunderts den Sieg streitig machte, aber es wurde doch als werthvoll anerkannt und er selbst zum Stellvertreter Brunelleschis gewählt, im Fall dieser abwesend oder krank sein sollte. Gleich allen Künstlern seiner Z»it vereinigte er die meisten Zweige der bildenden Kunst in seiner Werkstatt, die am Corso degli Adimari lag. und in seinem hohen Alter von seinem Tochtersohn Fran» cesco Pesellino unbewohnt wurde, der 1423 geboren und später sein Gehilfe geworden war. Pesellino starb 1457, er überlebte seinen Großvater nur um zehn Jahre. Weder dem Raum noch dem Zweck dieses Aufsatzes wäre angemessen, weit¬ läufig über die Berechtigung sich auszulassen, die Giuliano oder Francesco an die Bilder haben, die kurzweg mit dem Namen „Pesello" belegt werden. Es ge¬ nügt zu bemerken, daß viele davon bei näherer Betrachtung eine von dem der alten wmxera Malerei abweichende Technik bezeugen. Cenninis Angaben, die zweifellos nach Giulianos alter Methode zu malen sind, bestimmen sorgfältig das Maß, nach welchem Farben und Bindemittel zu Schattirungen gemischt werden müssen. Für Gesichter z. B. ist ein gleiches Gewicht von Farbe und Eidotter erforderlich, und zwar Dotter von Putereiern für die Gesichter alter Männer, und Dotter von jungen Landherren für die zartere Haut junger Frauen. Man kann wohl annehmen und die Gemälde der Peselli bestätigen es auch wirklich, daß als sie versuchten die Eidotter durch ein anderes Bindemittel zu ersetzen, sie dieses zäher und consistenter fanden und es unter die Farben in gleicher, wenn nicht größerer Quantität mischten; daher der eigenthümliche Glanz und die Durchsichtigkeit ihrer Bilder. Wir maßen uns nicht an fest¬ zustellen, woraus das neue Bindemittel bestand, aber wir können darin noch Klebrigkeit und eine Neigung zum Auscinanderfließen erkennen, und eine Schwierigkeit der Handhabung, so daß das Schraffiren eine Unmöglichkeit wurde und die Verschmelzung verschiedener Schattirungen außerordentlich schwer fiel. Das eigentliche Wesen des alten Systems aber war gerade Schraffiren. Das neue Bindemittel erwies sich als zu zäh dafür, so daß um nun die nöthige Nundung zu erhalten, Mittcltöne (Halbtöne) über die Lichter gelegt werden mußten; dann kamen die Schatten über die Mitteltöne in derselben schwerfälligen Weise — alles aber gleich durchsichtig, so daß man noch heutigen Tags die stufenartige Auflegung sehen kann und wie die dunkelsten Stellen an der Oberfläche am meisten hervorragen. An Lasiren war mit einem so zähen Bindemittel natürlich nicht zu denken und die Werke der Peselli entbehren daher einer gewissen Geschmeidigkeit in der Behandlung des Stoffs, was besonders für das Aussehen des Fleisches ungünstig ist

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/178
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/178>, abgerufen am 23.07.2024.