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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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bette bekannt. Mit aufrichtigem Bedauern berauben wir die italienische Kunst¬
geschichte eines so dramatischen Vorfalls.

Denn nach den neuesten Untersuchungen steht fest, daß Andrea del Castagno
1390 geboren und 1430 in Florenz gewesen ist, wo er in einem oder zwei
Hospitälern Monate lang krank gelegen hat. Daß ihm ferner der Name An-
dreino degli Jmpiccati beigelegt wurde, als er 1435 die Portraits der Verräther
Peruzzi und Albizzi an der Faczade des Palazzo del Potest" entworfen hatte;
daß er 1444 Meister der Barbier- und Chirurgenzunft wurde; im Jahre 1481
in Santa Maria nuova malte; 1436 die Figur des Nicholas von Tolentino
auf eine Wand in Santa Maria del Fiore zeichnete und 14S7 an der Pest starb.

Es ist daher klar, daß er den Domenico nicht getödtet haben kann, da
dieser ihn mehre Jahre überlebte; ebenso einleuchtend ist, daß er sich mit
seinem erdichteten Nebenbuhler in Santa Maria nuova über das Geheimniß
des Oelmalens nicht entzweit haben kann, da sie zu verschiedenen Zeiten an
diesem Ort arbeiteten. Kurz Vasaris Geschichte ist eine Mythe.

Domenico Veniziano konnte auch das Geheimniß der van eyckschen Me¬
thode nicht von Antonello da Messina gelernt haben, da Domenico offenbar
schon vor 1438 von Venedig fortgezogen war, also den Ort zu früh verlassen
hatte, um mit Antonello zusammengetroffen zu sein. Da aber Domenico nichts
von Antonello erfahren, so konnte er das, was ihm selbst unbekannt blieb, nicht
den Castagno gelehrt haben. Castagno seinerseits endlich behielt das alte
System des tLiripttra bei. Somit haben wir wohl hinlänglich bewiesen,
daß, wenn in der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts in Florenz
Neuerungen in der Methode der tvmpvia Malerei stattfanden, diese nicht er¬
weislich von den Niederländern herstammen. Sie könne" lediglich von dem
eignen Erfindungsgeist der Florentiner herrühren. Und es ist sehr wahrscheinlich,
daß dies der Fall war.

Wir behaupten nicht, daß Domenico kein Oel in seine Farben mischte, im
Gegentheil, es ist wahrscheinlich, daß er es that. Seine Auslagen in Santa
Maria nuova sind zum Theil durch den Ankauf von Leinöl verursacht, das
im vierzehnten und noch häufiger im fünfzehnten Jahrhundert zu Wand¬
malereien vielfältig benutzt wurde. Außerdem ist aber auch seine Altartafel in
San Lucia de'Bardi nicht in dem gewöhnlichen tcnnrMÄ und möglicherweise
mit der Technik ausgeführt, welche unter den damaligen Realisten immer mehr
um sich griff. Unter diesen zeichneten sich in Florenz nach Paolo Uccelli, der
sich mehr dem Studium der Perspective als dem der chemischen Bestandtheile
seiner Kunst widmete', wohl besonders die Peselli aus. Ihr Augenmerk war
hauptsächlich aus die getreue Wiedergabe von Naturgegenständen gerichtet, und
ihre Thiere und Landschaften wurden mit derselben Sorgfalt wie der mensch¬
liche Körper behandelt. Leuten dieser Richtung widerstrebte natürlich nach


bette bekannt. Mit aufrichtigem Bedauern berauben wir die italienische Kunst¬
geschichte eines so dramatischen Vorfalls.

Denn nach den neuesten Untersuchungen steht fest, daß Andrea del Castagno
1390 geboren und 1430 in Florenz gewesen ist, wo er in einem oder zwei
Hospitälern Monate lang krank gelegen hat. Daß ihm ferner der Name An-
dreino degli Jmpiccati beigelegt wurde, als er 1435 die Portraits der Verräther
Peruzzi und Albizzi an der Faczade des Palazzo del Potest« entworfen hatte;
daß er 1444 Meister der Barbier- und Chirurgenzunft wurde; im Jahre 1481
in Santa Maria nuova malte; 1436 die Figur des Nicholas von Tolentino
auf eine Wand in Santa Maria del Fiore zeichnete und 14S7 an der Pest starb.

Es ist daher klar, daß er den Domenico nicht getödtet haben kann, da
dieser ihn mehre Jahre überlebte; ebenso einleuchtend ist, daß er sich mit
seinem erdichteten Nebenbuhler in Santa Maria nuova über das Geheimniß
des Oelmalens nicht entzweit haben kann, da sie zu verschiedenen Zeiten an
diesem Ort arbeiteten. Kurz Vasaris Geschichte ist eine Mythe.

Domenico Veniziano konnte auch das Geheimniß der van eyckschen Me¬
thode nicht von Antonello da Messina gelernt haben, da Domenico offenbar
schon vor 1438 von Venedig fortgezogen war, also den Ort zu früh verlassen
hatte, um mit Antonello zusammengetroffen zu sein. Da aber Domenico nichts
von Antonello erfahren, so konnte er das, was ihm selbst unbekannt blieb, nicht
den Castagno gelehrt haben. Castagno seinerseits endlich behielt das alte
System des tLiripttra bei. Somit haben wir wohl hinlänglich bewiesen,
daß, wenn in der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts in Florenz
Neuerungen in der Methode der tvmpvia Malerei stattfanden, diese nicht er¬
weislich von den Niederländern herstammen. Sie könne» lediglich von dem
eignen Erfindungsgeist der Florentiner herrühren. Und es ist sehr wahrscheinlich,
daß dies der Fall war.

Wir behaupten nicht, daß Domenico kein Oel in seine Farben mischte, im
Gegentheil, es ist wahrscheinlich, daß er es that. Seine Auslagen in Santa
Maria nuova sind zum Theil durch den Ankauf von Leinöl verursacht, das
im vierzehnten und noch häufiger im fünfzehnten Jahrhundert zu Wand¬
malereien vielfältig benutzt wurde. Außerdem ist aber auch seine Altartafel in
San Lucia de'Bardi nicht in dem gewöhnlichen tcnnrMÄ und möglicherweise
mit der Technik ausgeführt, welche unter den damaligen Realisten immer mehr
um sich griff. Unter diesen zeichneten sich in Florenz nach Paolo Uccelli, der
sich mehr dem Studium der Perspective als dem der chemischen Bestandtheile
seiner Kunst widmete', wohl besonders die Peselli aus. Ihr Augenmerk war
hauptsächlich aus die getreue Wiedergabe von Naturgegenständen gerichtet, und
ihre Thiere und Landschaften wurden mit derselben Sorgfalt wie der mensch¬
liche Körper behandelt. Leuten dieser Richtung widerstrebte natürlich nach


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[0176] bette bekannt. Mit aufrichtigem Bedauern berauben wir die italienische Kunst¬ geschichte eines so dramatischen Vorfalls. Denn nach den neuesten Untersuchungen steht fest, daß Andrea del Castagno 1390 geboren und 1430 in Florenz gewesen ist, wo er in einem oder zwei Hospitälern Monate lang krank gelegen hat. Daß ihm ferner der Name An- dreino degli Jmpiccati beigelegt wurde, als er 1435 die Portraits der Verräther Peruzzi und Albizzi an der Faczade des Palazzo del Potest« entworfen hatte; daß er 1444 Meister der Barbier- und Chirurgenzunft wurde; im Jahre 1481 in Santa Maria nuova malte; 1436 die Figur des Nicholas von Tolentino auf eine Wand in Santa Maria del Fiore zeichnete und 14S7 an der Pest starb. Es ist daher klar, daß er den Domenico nicht getödtet haben kann, da dieser ihn mehre Jahre überlebte; ebenso einleuchtend ist, daß er sich mit seinem erdichteten Nebenbuhler in Santa Maria nuova über das Geheimniß des Oelmalens nicht entzweit haben kann, da sie zu verschiedenen Zeiten an diesem Ort arbeiteten. Kurz Vasaris Geschichte ist eine Mythe. Domenico Veniziano konnte auch das Geheimniß der van eyckschen Me¬ thode nicht von Antonello da Messina gelernt haben, da Domenico offenbar schon vor 1438 von Venedig fortgezogen war, also den Ort zu früh verlassen hatte, um mit Antonello zusammengetroffen zu sein. Da aber Domenico nichts von Antonello erfahren, so konnte er das, was ihm selbst unbekannt blieb, nicht den Castagno gelehrt haben. Castagno seinerseits endlich behielt das alte System des tLiripttra bei. Somit haben wir wohl hinlänglich bewiesen, daß, wenn in der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts in Florenz Neuerungen in der Methode der tvmpvia Malerei stattfanden, diese nicht er¬ weislich von den Niederländern herstammen. Sie könne» lediglich von dem eignen Erfindungsgeist der Florentiner herrühren. Und es ist sehr wahrscheinlich, daß dies der Fall war. Wir behaupten nicht, daß Domenico kein Oel in seine Farben mischte, im Gegentheil, es ist wahrscheinlich, daß er es that. Seine Auslagen in Santa Maria nuova sind zum Theil durch den Ankauf von Leinöl verursacht, das im vierzehnten und noch häufiger im fünfzehnten Jahrhundert zu Wand¬ malereien vielfältig benutzt wurde. Außerdem ist aber auch seine Altartafel in San Lucia de'Bardi nicht in dem gewöhnlichen tcnnrMÄ und möglicherweise mit der Technik ausgeführt, welche unter den damaligen Realisten immer mehr um sich griff. Unter diesen zeichneten sich in Florenz nach Paolo Uccelli, der sich mehr dem Studium der Perspective als dem der chemischen Bestandtheile seiner Kunst widmete', wohl besonders die Peselli aus. Ihr Augenmerk war hauptsächlich aus die getreue Wiedergabe von Naturgegenständen gerichtet, und ihre Thiere und Landschaften wurden mit derselben Sorgfalt wie der mensch¬ liche Körper behandelt. Leuten dieser Richtung widerstrebte natürlich nach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/176>, abgerufen am 23.07.2024.