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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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diese Auffassung zu Schanden gemacht durch kürzlich in Italien angestellte Nach¬
forschungen, Schon seit Gaycs Entdeckungen war bekannt, daß Domenico
Veniziano im Jahre 1438 in Perugia ick'te. Ein Brief dieses Datums an
Piero deMedici beweist, das; der Maler damals schon die florentinische Manier
kannte und genau über die Beschäftigung Fra Filippvs und Angelicos unter¬
richtet war. Dasselbe Schreiben enthält die Bitte, ihm die Ausführung einer
Altartafel für die Medici anzuvertrauen. Auch Vasari hatte schon mitgetheilt,
daß Domenico zu Santa Maria nuova in Florenz Fresken gemalt hatte. Durch
neuere Untersuchungen aber erfahren wir Folgendes: Domenico wurde, wie es
scheint von den Medici, beauftragt, in der eben genannten Kirche zu malen
und arbeitete dort in den Jahren 1439--45. Sein Schüler in dieser Zeit ist
Piero della Francesca. sein Gehilfe Binni ti Lorenzo gewesen. Weder das
Datum seines Altarbildes in Santa Lucia de'Bardi, noch das seines Fresco-
gemäldes auf der Canto de'Carnesecchi in Florenz ist festzustellen, aber im
Jahre 1448 verzierte er zwei Hochzeitstruhen eines Edelmannes, des Marco
Parenti, und im Jahre 1461 am 15. Mai starb er in der von ihm zum Wohn-
ort auserwählten Stadt. -- Er starb 1461? -- ruft ein Leser Vasaris ver¬
wundert aus!

Vasaris ganzes Werk enthält wohl kaum ein tragischeres Ereigniß. als
die schlechte Behandlung Domcnicos, die ihm von Andrea del Castagno zu
Theil geworden. Ein Capitel umfaßt das Leben der beiden Rivalen und be¬
ginn! schon mit den unheilverkündenden Worte", leine Feder sei fähig einen so
nichtswürdigen Neid und den Charakter eines Mannes zu schildern, der freund¬
schaftliche Gefühle heuchelte, um den Ruf seines Freundes zu untergrabe" und
dessen Lebe" zu gefährden. Lasari beschreibt darauf den Andrea del Castagno
als einen selten begabten Künstler, dessen Talent aber durch eine unbezwingbare
Sucht zu Ränken und Tücken an seiner vollen Entfaltung verhindert wurde.
Als eine Art Einleitung zu der dann folgenden schwarzen That erzählt er, wie
Andrea einen boshaften Jungen verfolgt habe, der ihm die Leiter vom Gerüst
in Santa Maria del Fiore fortgezogen hatte. Schließlich geht er zu dem Wett-
kampf der beiden Maler über, als sie gleichzeitig in Santa Maria nuova be¬
schäftigt waren, wo Domenico in Oel malte und Andrea ihm das Geheimniß
dieser Technik neidete. Andrea begnügte sich nicht mit der Hoffnung, seinem
nur allzu vertrauenden Freund das Geheimniß zu entreißen -- er wollte es
auch ausschließlich für sich hesiter; lauerte dem Domenico deshalb eines Abends
auf und erschlug den Nebenbuhler. als er um die Ecke einer Straße bog.
Gleich darauf nach Haus zurückeilend, war er, als der Mord ruchbar wurde,
der Erste, der in rührenden Ausbrüchen des Schmerzes den Tod desselben
Freundes beklagte, welcher durch seine Hand gefallen war. Auch wäre das
Verbrechen unentdeckt geblieben, hätte es nicht Andrea selbst auf seinem Todten-


diese Auffassung zu Schanden gemacht durch kürzlich in Italien angestellte Nach¬
forschungen, Schon seit Gaycs Entdeckungen war bekannt, daß Domenico
Veniziano im Jahre 1438 in Perugia ick'te. Ein Brief dieses Datums an
Piero deMedici beweist, das; der Maler damals schon die florentinische Manier
kannte und genau über die Beschäftigung Fra Filippvs und Angelicos unter¬
richtet war. Dasselbe Schreiben enthält die Bitte, ihm die Ausführung einer
Altartafel für die Medici anzuvertrauen. Auch Vasari hatte schon mitgetheilt,
daß Domenico zu Santa Maria nuova in Florenz Fresken gemalt hatte. Durch
neuere Untersuchungen aber erfahren wir Folgendes: Domenico wurde, wie es
scheint von den Medici, beauftragt, in der eben genannten Kirche zu malen
und arbeitete dort in den Jahren 1439—45. Sein Schüler in dieser Zeit ist
Piero della Francesca. sein Gehilfe Binni ti Lorenzo gewesen. Weder das
Datum seines Altarbildes in Santa Lucia de'Bardi, noch das seines Fresco-
gemäldes auf der Canto de'Carnesecchi in Florenz ist festzustellen, aber im
Jahre 1448 verzierte er zwei Hochzeitstruhen eines Edelmannes, des Marco
Parenti, und im Jahre 1461 am 15. Mai starb er in der von ihm zum Wohn-
ort auserwählten Stadt. — Er starb 1461? — ruft ein Leser Vasaris ver¬
wundert aus!

Vasaris ganzes Werk enthält wohl kaum ein tragischeres Ereigniß. als
die schlechte Behandlung Domcnicos, die ihm von Andrea del Castagno zu
Theil geworden. Ein Capitel umfaßt das Leben der beiden Rivalen und be¬
ginn! schon mit den unheilverkündenden Worte», leine Feder sei fähig einen so
nichtswürdigen Neid und den Charakter eines Mannes zu schildern, der freund¬
schaftliche Gefühle heuchelte, um den Ruf seines Freundes zu untergrabe» und
dessen Lebe» zu gefährden. Lasari beschreibt darauf den Andrea del Castagno
als einen selten begabten Künstler, dessen Talent aber durch eine unbezwingbare
Sucht zu Ränken und Tücken an seiner vollen Entfaltung verhindert wurde.
Als eine Art Einleitung zu der dann folgenden schwarzen That erzählt er, wie
Andrea einen boshaften Jungen verfolgt habe, der ihm die Leiter vom Gerüst
in Santa Maria del Fiore fortgezogen hatte. Schließlich geht er zu dem Wett-
kampf der beiden Maler über, als sie gleichzeitig in Santa Maria nuova be¬
schäftigt waren, wo Domenico in Oel malte und Andrea ihm das Geheimniß
dieser Technik neidete. Andrea begnügte sich nicht mit der Hoffnung, seinem
nur allzu vertrauenden Freund das Geheimniß zu entreißen — er wollte es
auch ausschließlich für sich hesiter; lauerte dem Domenico deshalb eines Abends
auf und erschlug den Nebenbuhler. als er um die Ecke einer Straße bog.
Gleich darauf nach Haus zurückeilend, war er, als der Mord ruchbar wurde,
der Erste, der in rührenden Ausbrüchen des Schmerzes den Tod desselben
Freundes beklagte, welcher durch seine Hand gefallen war. Auch wäre das
Verbrechen unentdeckt geblieben, hätte es nicht Andrea selbst auf seinem Todten-


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[0175] diese Auffassung zu Schanden gemacht durch kürzlich in Italien angestellte Nach¬ forschungen, Schon seit Gaycs Entdeckungen war bekannt, daß Domenico Veniziano im Jahre 1438 in Perugia ick'te. Ein Brief dieses Datums an Piero deMedici beweist, das; der Maler damals schon die florentinische Manier kannte und genau über die Beschäftigung Fra Filippvs und Angelicos unter¬ richtet war. Dasselbe Schreiben enthält die Bitte, ihm die Ausführung einer Altartafel für die Medici anzuvertrauen. Auch Vasari hatte schon mitgetheilt, daß Domenico zu Santa Maria nuova in Florenz Fresken gemalt hatte. Durch neuere Untersuchungen aber erfahren wir Folgendes: Domenico wurde, wie es scheint von den Medici, beauftragt, in der eben genannten Kirche zu malen und arbeitete dort in den Jahren 1439—45. Sein Schüler in dieser Zeit ist Piero della Francesca. sein Gehilfe Binni ti Lorenzo gewesen. Weder das Datum seines Altarbildes in Santa Lucia de'Bardi, noch das seines Fresco- gemäldes auf der Canto de'Carnesecchi in Florenz ist festzustellen, aber im Jahre 1448 verzierte er zwei Hochzeitstruhen eines Edelmannes, des Marco Parenti, und im Jahre 1461 am 15. Mai starb er in der von ihm zum Wohn- ort auserwählten Stadt. — Er starb 1461? — ruft ein Leser Vasaris ver¬ wundert aus! Vasaris ganzes Werk enthält wohl kaum ein tragischeres Ereigniß. als die schlechte Behandlung Domcnicos, die ihm von Andrea del Castagno zu Theil geworden. Ein Capitel umfaßt das Leben der beiden Rivalen und be¬ ginn! schon mit den unheilverkündenden Worte», leine Feder sei fähig einen so nichtswürdigen Neid und den Charakter eines Mannes zu schildern, der freund¬ schaftliche Gefühle heuchelte, um den Ruf seines Freundes zu untergrabe» und dessen Lebe» zu gefährden. Lasari beschreibt darauf den Andrea del Castagno als einen selten begabten Künstler, dessen Talent aber durch eine unbezwingbare Sucht zu Ränken und Tücken an seiner vollen Entfaltung verhindert wurde. Als eine Art Einleitung zu der dann folgenden schwarzen That erzählt er, wie Andrea einen boshaften Jungen verfolgt habe, der ihm die Leiter vom Gerüst in Santa Maria del Fiore fortgezogen hatte. Schließlich geht er zu dem Wett- kampf der beiden Maler über, als sie gleichzeitig in Santa Maria nuova be¬ schäftigt waren, wo Domenico in Oel malte und Andrea ihm das Geheimniß dieser Technik neidete. Andrea begnügte sich nicht mit der Hoffnung, seinem nur allzu vertrauenden Freund das Geheimniß zu entreißen — er wollte es auch ausschließlich für sich hesiter; lauerte dem Domenico deshalb eines Abends auf und erschlug den Nebenbuhler. als er um die Ecke einer Straße bog. Gleich darauf nach Haus zurückeilend, war er, als der Mord ruchbar wurde, der Erste, der in rührenden Ausbrüchen des Schmerzes den Tod desselben Freundes beklagte, welcher durch seine Hand gefallen war. Auch wäre das Verbrechen unentdeckt geblieben, hätte es nicht Andrea selbst auf seinem Todten-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/175>, abgerufen am 23.07.2024.