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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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daß. um diese herzustellen, der Maler für zahlreiche Nuancen in den Lichtern,
für Mitteltöne und Schatten des Fleisches eigene Farben ausgesucht und ge¬
mischte hätte -- keineswegs. Nach dem alten System wurden die gehörig
markirten Umrisse der Fleischtheile mit einem blau- oder grünlichgrauen gleich¬
mäßigen Ton bedeckt, und Licht und Schatten durch Linien hineinschraffirt.
Liebe zur Sache und Ausdauer war für die Modellirung nöthig. um ein gleich¬
förmiges Ganze zu vollenden, Diese Art von Arbeit, welche mühevollem Zeich¬
nen fast ähnlicher war. als unserem Malen, bedürfte einer durchsichtigen Lasur,
um ein natürliches Aussehen zu gewinnen, und zuletzt als Hauptsache des
Ueberzuges durch einen braunen Firniß, welcher die Ähnlichkeit mit der Natur
vollkommen machen sollte. '

Wie unzählige Male das Bild zum Trocknen ausgelegt werden mußte, ehe
es zuletzt gefirnißt werden konnte, wissen nur diejenigen, die das alte Ver¬
fahren kennen. Aber mit dem Firniß schloß dann auch die Arbeit ab. Er
gab dem Ganzen noch die letzte Färbung und diente zugleich als Schutzdecke,
ohne welche das Gemälde vielem Farbenwechsel ausgesetzt und zu leicht vergäng¬
lich gewesen wäre. Dieser letzte Proceß wurde in der freien Luft vorgenommen
und die Tafel dann so lange den Sonnenstrahlen ausgesetzt, bis der Firniß,
eine feste, undurchdringliche Substanz, erhärtet war.

Aber was geschah, wenn bei solcher Operation die Sonne eine schlecht
gefügte Fassung der Tafel beschien oder ein Stück Holz eintrocknete, dessen ein¬
zelne Theile schlechter als die übrigen waren? Dann klaffte die Tafel, dann
warf sich das Holz und die Frucht von oft jahrelangem Fleiß konnte in wenig
Secunden zu Nichte gemacht werden. Nach Vasari wäre dieser Unglücksfall
Johann van Eyck zugestoßen und hätte den Maler veranlaßt, seine Aufmerk-
samkeit auf die chemische Verbesserung der Malerei zu richten.

Hier aber sollen nicht die Neuerungen dargestellt werden, die Johann oder
sein Bruder Hubert van Eyck hervorriefen. Absicht dieser Seiten ist, zu er-
weisen, daß die Bestrebungen der Florentiner. im fünfzehnten Jahrhundert
unabhängig waren von den Verbesserungen der van Eycks und des
Antonello da Messina. Zwei sich deutlich unterscheidende Reihen von Künst¬
lern arbeiteten in verschiedenen Ländern auf dasselbe Ziel hin, ohne daß eine von
der Methode der andern irgend etwas kannte. Der früheste und glänzendste
Erfolg krönte die Arbeiten der Flamländer; die Florentiner dagegen hatten
längere Zeit mit Schwierigkeiten zu kämpfen und erzielten erst in einer späteren
Periode Resultate. In Florenz erwuchs dem Fortschritt der Oelmalerei ein
wesentliches Hinderniß dadurch, daß der Versuch, die neue Methode in Wand-
Malereien einzuführen, gänzlich fehlschlug, und daß die Entmuthigung. die
diesem Mißlingen folgte, auch solche verzagt machte, welche wohl befähigt ge¬
wesen wären, diese Art der Technik auf Tafeln mit Erfolg anzuwenden.


daß. um diese herzustellen, der Maler für zahlreiche Nuancen in den Lichtern,
für Mitteltöne und Schatten des Fleisches eigene Farben ausgesucht und ge¬
mischte hätte — keineswegs. Nach dem alten System wurden die gehörig
markirten Umrisse der Fleischtheile mit einem blau- oder grünlichgrauen gleich¬
mäßigen Ton bedeckt, und Licht und Schatten durch Linien hineinschraffirt.
Liebe zur Sache und Ausdauer war für die Modellirung nöthig. um ein gleich¬
förmiges Ganze zu vollenden, Diese Art von Arbeit, welche mühevollem Zeich¬
nen fast ähnlicher war. als unserem Malen, bedürfte einer durchsichtigen Lasur,
um ein natürliches Aussehen zu gewinnen, und zuletzt als Hauptsache des
Ueberzuges durch einen braunen Firniß, welcher die Ähnlichkeit mit der Natur
vollkommen machen sollte. '

Wie unzählige Male das Bild zum Trocknen ausgelegt werden mußte, ehe
es zuletzt gefirnißt werden konnte, wissen nur diejenigen, die das alte Ver¬
fahren kennen. Aber mit dem Firniß schloß dann auch die Arbeit ab. Er
gab dem Ganzen noch die letzte Färbung und diente zugleich als Schutzdecke,
ohne welche das Gemälde vielem Farbenwechsel ausgesetzt und zu leicht vergäng¬
lich gewesen wäre. Dieser letzte Proceß wurde in der freien Luft vorgenommen
und die Tafel dann so lange den Sonnenstrahlen ausgesetzt, bis der Firniß,
eine feste, undurchdringliche Substanz, erhärtet war.

Aber was geschah, wenn bei solcher Operation die Sonne eine schlecht
gefügte Fassung der Tafel beschien oder ein Stück Holz eintrocknete, dessen ein¬
zelne Theile schlechter als die übrigen waren? Dann klaffte die Tafel, dann
warf sich das Holz und die Frucht von oft jahrelangem Fleiß konnte in wenig
Secunden zu Nichte gemacht werden. Nach Vasari wäre dieser Unglücksfall
Johann van Eyck zugestoßen und hätte den Maler veranlaßt, seine Aufmerk-
samkeit auf die chemische Verbesserung der Malerei zu richten.

Hier aber sollen nicht die Neuerungen dargestellt werden, die Johann oder
sein Bruder Hubert van Eyck hervorriefen. Absicht dieser Seiten ist, zu er-
weisen, daß die Bestrebungen der Florentiner. im fünfzehnten Jahrhundert
unabhängig waren von den Verbesserungen der van Eycks und des
Antonello da Messina. Zwei sich deutlich unterscheidende Reihen von Künst¬
lern arbeiteten in verschiedenen Ländern auf dasselbe Ziel hin, ohne daß eine von
der Methode der andern irgend etwas kannte. Der früheste und glänzendste
Erfolg krönte die Arbeiten der Flamländer; die Florentiner dagegen hatten
längere Zeit mit Schwierigkeiten zu kämpfen und erzielten erst in einer späteren
Periode Resultate. In Florenz erwuchs dem Fortschritt der Oelmalerei ein
wesentliches Hinderniß dadurch, daß der Versuch, die neue Methode in Wand-
Malereien einzuführen, gänzlich fehlschlug, und daß die Entmuthigung. die
diesem Mißlingen folgte, auch solche verzagt machte, welche wohl befähigt ge¬
wesen wären, diese Art der Technik auf Tafeln mit Erfolg anzuwenden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/170>, abgerufen am 23.07.2024.