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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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welche dort fühlbar wird, wo man sie anlegt. Wir wollen dies an den Festungs¬
anlagen der Neuzeit zu beweisen suchen. England bat nur einen Feind, den
es fürchtet, und gegen diesen, Frankreich und seine Landungsarmce, hat es mit
aller Macht seine Südküstcn befestigt. So frei ganz England von Fortificcitionen
ist, dennoch strotzt Portsmouth und seine Umgebungen davon. -- Frankreich
hat seinen zu fürchtenden Feind in der Revolution, deren Ursprung in seinen
beiden größten Städten liegt, deshalb sind die beiden einzigen, wirklichen
Festungsbauten der Neuzeit Paris und Lyon. Neben der Revolution respec-
tirt es die englische Flotte und deshalb bat Napoleon dem Hafen von Cher-
bourg seine besondere Aufmerksamkeit in fvrtificatoriscber Beziehung gewidmet.
Italien fängt erst an sich zu constituiren, aber schon jetzt baut es> gegen seinen
das Leben bedrohenden Gegner Oestreich. -- Oestreich selbst hat zur Nieder¬
haltung seiner unruhigen Völkerschaften neu gebaut: Verona in Italien, Komorn
in Ungarn und Krakau in seinen polnischen Provinzen. -- Deutschland kennt
nur eine Sorge, das ist Frankreich und ihm entgegen bat es Ulm, Rastatt,
Germersheim, Koblenz und Köln als Festungen neu erstehen sehen. Preußen
hat außerdem gebaut Posen zur Niederhaltung der Provinz. Königsberg und
Boyen gegen seinen großen Freund, Nußland. Mit der Sorge vor der Revo¬
lution ist auch der Wunsch rege geworden Berlin zu befestigen. -- Rußland
endlich hat gebaut außer den Bergfestungen in Tscherkcssien, in Polen Motum
und Warschau und zwar in kolossalen Maßstab, und das was den Zugang zum
exponirten Petersburg erschwert. -- Nordamerika kannte vor dem Bürgerkrieg
nur die englische Flotte als zu fürchtenden Gegner und hatte deshalb allein
seine östlichen Häfen mit Fortisicationcn versehen.

So die neuen Festungen, die ältern stammen aus den Wandlungen früherer
Politik, viele von ihnen haben ihre Bedeutung verloren und werden auf¬
gegeben, and/ren, welche große Städte einschließen oder bedeutende militärische
Etablissements enthalten, ist hierdurch eine innere Bedeutung geblieben, welche
ihr Fortbestehen sichert, und endlich giebt es deren, welche den Ansprüchen der
Neuzeit zu entsprechen scheinen und deshalb renovirt werden.

Wir aber glauben, daß wir in Uebereinstimmung mit dem bisher Gesagten
aussprechen können: Festungen sind ein Luxus und wie dieser immer eine
Leidenschaft der Mächtigen. Man verfolge eine klare und gerechte Politik, führe
einen Krieg nur in vollster Uebereinstimmung mit dem Lande, erhalte sich eine
gute, in der Verschanzuugskunst geübte Armee, dann kann man jedem Feind
entgegengehen und kann jede Stadt zu einer Festung machen; dann gewinnt
jede vorhandene Festung in ihrer Einwohnerschaft an Kraft und verspricht eine
Sündhaftigkeit, wie sie Fortificationen an sich nicht bieten können. Alle unsere
berühmten Vertheidigungen von Festungen haben nur untrer Theilnahme
der Einwohner stattgefunden. Permanente Festungen sind nicht nothwendig;


welche dort fühlbar wird, wo man sie anlegt. Wir wollen dies an den Festungs¬
anlagen der Neuzeit zu beweisen suchen. England bat nur einen Feind, den
es fürchtet, und gegen diesen, Frankreich und seine Landungsarmce, hat es mit
aller Macht seine Südküstcn befestigt. So frei ganz England von Fortificcitionen
ist, dennoch strotzt Portsmouth und seine Umgebungen davon. — Frankreich
hat seinen zu fürchtenden Feind in der Revolution, deren Ursprung in seinen
beiden größten Städten liegt, deshalb sind die beiden einzigen, wirklichen
Festungsbauten der Neuzeit Paris und Lyon. Neben der Revolution respec-
tirt es die englische Flotte und deshalb bat Napoleon dem Hafen von Cher-
bourg seine besondere Aufmerksamkeit in fvrtificatoriscber Beziehung gewidmet.
Italien fängt erst an sich zu constituiren, aber schon jetzt baut es> gegen seinen
das Leben bedrohenden Gegner Oestreich. — Oestreich selbst hat zur Nieder¬
haltung seiner unruhigen Völkerschaften neu gebaut: Verona in Italien, Komorn
in Ungarn und Krakau in seinen polnischen Provinzen. — Deutschland kennt
nur eine Sorge, das ist Frankreich und ihm entgegen bat es Ulm, Rastatt,
Germersheim, Koblenz und Köln als Festungen neu erstehen sehen. Preußen
hat außerdem gebaut Posen zur Niederhaltung der Provinz. Königsberg und
Boyen gegen seinen großen Freund, Nußland. Mit der Sorge vor der Revo¬
lution ist auch der Wunsch rege geworden Berlin zu befestigen. — Rußland
endlich hat gebaut außer den Bergfestungen in Tscherkcssien, in Polen Motum
und Warschau und zwar in kolossalen Maßstab, und das was den Zugang zum
exponirten Petersburg erschwert. — Nordamerika kannte vor dem Bürgerkrieg
nur die englische Flotte als zu fürchtenden Gegner und hatte deshalb allein
seine östlichen Häfen mit Fortisicationcn versehen.

So die neuen Festungen, die ältern stammen aus den Wandlungen früherer
Politik, viele von ihnen haben ihre Bedeutung verloren und werden auf¬
gegeben, and/ren, welche große Städte einschließen oder bedeutende militärische
Etablissements enthalten, ist hierdurch eine innere Bedeutung geblieben, welche
ihr Fortbestehen sichert, und endlich giebt es deren, welche den Ansprüchen der
Neuzeit zu entsprechen scheinen und deshalb renovirt werden.

Wir aber glauben, daß wir in Uebereinstimmung mit dem bisher Gesagten
aussprechen können: Festungen sind ein Luxus und wie dieser immer eine
Leidenschaft der Mächtigen. Man verfolge eine klare und gerechte Politik, führe
einen Krieg nur in vollster Uebereinstimmung mit dem Lande, erhalte sich eine
gute, in der Verschanzuugskunst geübte Armee, dann kann man jedem Feind
entgegengehen und kann jede Stadt zu einer Festung machen; dann gewinnt
jede vorhandene Festung in ihrer Einwohnerschaft an Kraft und verspricht eine
Sündhaftigkeit, wie sie Fortificationen an sich nicht bieten können. Alle unsere
berühmten Vertheidigungen von Festungen haben nur untrer Theilnahme
der Einwohner stattgefunden. Permanente Festungen sind nicht nothwendig;


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[0159] welche dort fühlbar wird, wo man sie anlegt. Wir wollen dies an den Festungs¬ anlagen der Neuzeit zu beweisen suchen. England bat nur einen Feind, den es fürchtet, und gegen diesen, Frankreich und seine Landungsarmce, hat es mit aller Macht seine Südküstcn befestigt. So frei ganz England von Fortificcitionen ist, dennoch strotzt Portsmouth und seine Umgebungen davon. — Frankreich hat seinen zu fürchtenden Feind in der Revolution, deren Ursprung in seinen beiden größten Städten liegt, deshalb sind die beiden einzigen, wirklichen Festungsbauten der Neuzeit Paris und Lyon. Neben der Revolution respec- tirt es die englische Flotte und deshalb bat Napoleon dem Hafen von Cher- bourg seine besondere Aufmerksamkeit in fvrtificatoriscber Beziehung gewidmet. Italien fängt erst an sich zu constituiren, aber schon jetzt baut es> gegen seinen das Leben bedrohenden Gegner Oestreich. — Oestreich selbst hat zur Nieder¬ haltung seiner unruhigen Völkerschaften neu gebaut: Verona in Italien, Komorn in Ungarn und Krakau in seinen polnischen Provinzen. — Deutschland kennt nur eine Sorge, das ist Frankreich und ihm entgegen bat es Ulm, Rastatt, Germersheim, Koblenz und Köln als Festungen neu erstehen sehen. Preußen hat außerdem gebaut Posen zur Niederhaltung der Provinz. Königsberg und Boyen gegen seinen großen Freund, Nußland. Mit der Sorge vor der Revo¬ lution ist auch der Wunsch rege geworden Berlin zu befestigen. — Rußland endlich hat gebaut außer den Bergfestungen in Tscherkcssien, in Polen Motum und Warschau und zwar in kolossalen Maßstab, und das was den Zugang zum exponirten Petersburg erschwert. — Nordamerika kannte vor dem Bürgerkrieg nur die englische Flotte als zu fürchtenden Gegner und hatte deshalb allein seine östlichen Häfen mit Fortisicationcn versehen. So die neuen Festungen, die ältern stammen aus den Wandlungen früherer Politik, viele von ihnen haben ihre Bedeutung verloren und werden auf¬ gegeben, and/ren, welche große Städte einschließen oder bedeutende militärische Etablissements enthalten, ist hierdurch eine innere Bedeutung geblieben, welche ihr Fortbestehen sichert, und endlich giebt es deren, welche den Ansprüchen der Neuzeit zu entsprechen scheinen und deshalb renovirt werden. Wir aber glauben, daß wir in Uebereinstimmung mit dem bisher Gesagten aussprechen können: Festungen sind ein Luxus und wie dieser immer eine Leidenschaft der Mächtigen. Man verfolge eine klare und gerechte Politik, führe einen Krieg nur in vollster Uebereinstimmung mit dem Lande, erhalte sich eine gute, in der Verschanzuugskunst geübte Armee, dann kann man jedem Feind entgegengehen und kann jede Stadt zu einer Festung machen; dann gewinnt jede vorhandene Festung in ihrer Einwohnerschaft an Kraft und verspricht eine Sündhaftigkeit, wie sie Fortificationen an sich nicht bieten können. Alle unsere berühmten Vertheidigungen von Festungen haben nur untrer Theilnahme der Einwohner stattgefunden. Permanente Festungen sind nicht nothwendig;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/159>, abgerufen am 23.07.2024.