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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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selbst unsicher machen und sich durch steten Quartierwechsel den Berechnungen
des Gegners entziehen.

Vor Düppel hatte man sich anscheinend ganz auf die Erfolge der Be¬
lagerungsarbeiten und der Artillerie beschränkt, weil die Dänen durch ihre
Passivität hierin einen endlichen Erfolg sicher stellten. Täglich wurden an
1000 Schuß preußischerseits gethan und dadurch circa 100 Dänen aus dem
Gefecht gesetzt. Die letztem erwiderten ungefähr 100 Schuß und verwundeten
oder tödteten nahe an 10 Mann täglich. Die Erfolge waren verhältnißmägig
gleich, das Resultat mußte also schließlich der Uebermacht gehören. Daß eine
angreifende Armee, daß ein Feldherr so nicht rechnen darf, versteht sick von
selbst. Schon hatte man zu lange gezögert und Zeit verloren. Wir hätten
deshalb auch gewünscht, daß man sich nicht so viele Tage vor dem Sturm auf
das Bombardement von Sonderburg eingelassen hätte. Ein Bombardement
wirkt nur moralisch, zum positiven militärischen Erfolg ^trägt es nicht bei. Läßt
man dem Bombardement also nicht unmittelbar die Aufforderung zur Uebergabe
(wie z. B. bei Fridericia) oder den Sturm folgen, so ist es nahezu nutzlos.
Der frischen That ist im Kriege jede sogenannte Grausamkeit gestattet, wie wir
uns z. B. höchlichst wundern, daß man nicht jeden ergriffenen und überführten
Spion ohne Weiteres hängt; ein experimentirendes Verwüster aber wird
immer das menschliche Gefühl der Unbefangenen gegen sich aufregen.

Die preußische Marine betheiligt sich, seitdem oder obgleich die Grille an
ihrer Spitze segelt, zu sehr an der abwartenden Politik der freien d. h. der
arbeitslosen Hand.

Unsere allgemeinen Besprechungen setzen wir in Folgendem fort.

Die Festungen und Verschanzunge n. -- In dem früheren Ausspruch
"nur die Schwäche lasse die Belagerungen in den Kriegen hervortreten" soll
keine Verkennung der Festungen und Verschanzungen liegen; wir wollten damit
darthun, daß der Krieg seiner innersten Natur nach doch nur durch die leben¬
digen Streitkräfte Erfolge schafft, daß die gegnerischen Armeen, je mehr sie zur
Entscheidung drängen, um so mehr die Schia.ehe, den Kampf Mann an Mann
suchen, es um so mehr aus das einfache Todten absehen; daß aber, je mehr die
Entscheidung zurückliegt, je mehr das Tödten vermieden wird, sich um so mehr
Hindernisse zwischen Kugel und Mann aufwerfen. Die Befestigung ist nichts
als ein einzelnes Kriegsmittel, nicht der Krieg selber. Dies Mittel soll etwas
näher beleuchtet werden. --

Die Befestigungen bilden ein Schutzmittel gegen die feindliche Kugel und
gegen die feindliche Annäherung. Das Erstere wird erreicht durch die Stärke
des Walles und der Decken (Gewölbe und Erdlagen); das Andere durch Gräben
und steile, hohe Wände. Von allen kleinern sortificatorischen Hilfsmitteln sehen
wir ab, da sie sich alle Unter obige beide Gesichtspunkte unterordnen lassen und


selbst unsicher machen und sich durch steten Quartierwechsel den Berechnungen
des Gegners entziehen.

Vor Düppel hatte man sich anscheinend ganz auf die Erfolge der Be¬
lagerungsarbeiten und der Artillerie beschränkt, weil die Dänen durch ihre
Passivität hierin einen endlichen Erfolg sicher stellten. Täglich wurden an
1000 Schuß preußischerseits gethan und dadurch circa 100 Dänen aus dem
Gefecht gesetzt. Die letztem erwiderten ungefähr 100 Schuß und verwundeten
oder tödteten nahe an 10 Mann täglich. Die Erfolge waren verhältnißmägig
gleich, das Resultat mußte also schließlich der Uebermacht gehören. Daß eine
angreifende Armee, daß ein Feldherr so nicht rechnen darf, versteht sick von
selbst. Schon hatte man zu lange gezögert und Zeit verloren. Wir hätten
deshalb auch gewünscht, daß man sich nicht so viele Tage vor dem Sturm auf
das Bombardement von Sonderburg eingelassen hätte. Ein Bombardement
wirkt nur moralisch, zum positiven militärischen Erfolg ^trägt es nicht bei. Läßt
man dem Bombardement also nicht unmittelbar die Aufforderung zur Uebergabe
(wie z. B. bei Fridericia) oder den Sturm folgen, so ist es nahezu nutzlos.
Der frischen That ist im Kriege jede sogenannte Grausamkeit gestattet, wie wir
uns z. B. höchlichst wundern, daß man nicht jeden ergriffenen und überführten
Spion ohne Weiteres hängt; ein experimentirendes Verwüster aber wird
immer das menschliche Gefühl der Unbefangenen gegen sich aufregen.

Die preußische Marine betheiligt sich, seitdem oder obgleich die Grille an
ihrer Spitze segelt, zu sehr an der abwartenden Politik der freien d. h. der
arbeitslosen Hand.

Unsere allgemeinen Besprechungen setzen wir in Folgendem fort.

Die Festungen und Verschanzunge n. — In dem früheren Ausspruch
„nur die Schwäche lasse die Belagerungen in den Kriegen hervortreten" soll
keine Verkennung der Festungen und Verschanzungen liegen; wir wollten damit
darthun, daß der Krieg seiner innersten Natur nach doch nur durch die leben¬
digen Streitkräfte Erfolge schafft, daß die gegnerischen Armeen, je mehr sie zur
Entscheidung drängen, um so mehr die Schia.ehe, den Kampf Mann an Mann
suchen, es um so mehr aus das einfache Todten absehen; daß aber, je mehr die
Entscheidung zurückliegt, je mehr das Tödten vermieden wird, sich um so mehr
Hindernisse zwischen Kugel und Mann aufwerfen. Die Befestigung ist nichts
als ein einzelnes Kriegsmittel, nicht der Krieg selber. Dies Mittel soll etwas
näher beleuchtet werden. —

Die Befestigungen bilden ein Schutzmittel gegen die feindliche Kugel und
gegen die feindliche Annäherung. Das Erstere wird erreicht durch die Stärke
des Walles und der Decken (Gewölbe und Erdlagen); das Andere durch Gräben
und steile, hohe Wände. Von allen kleinern sortificatorischen Hilfsmitteln sehen
wir ab, da sie sich alle Unter obige beide Gesichtspunkte unterordnen lassen und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/157>, abgerufen am 23.07.2024.