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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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ganz der Mann für diese stürmischen Zeiten. Es gelang ihm wenigstens nicht, sein
Land durch energische und umsichtige Maßregeln nach innen und außen gekräftigt
durch jene Krisis hindurchzuführen. Die Reaction der fünfziger Jahre war recht
eigentlich nach dem Herzen dieses Fürsten, der von Natur keineswegs liberal war
und wie in manchem andern Lande würde diese Reaction, zu deren Durchführung
der Freiherr v. d. Pfordten ein überaus geschicktes Werkzeug war, in Bayern noch
heute dauern, wenn nicht die Opposition der zweiten Kammer so fest, entschieden
und unermüdet gegen sie gekämpft hätte und wenn nicht diesem Parlamentarischen
Kampfe die drohenden Aussichten des Jahres 1839 zur Hilfe gekommen wären.
Man kann nicht sagen, daß der König mit allen Maßregeln des reaktionären
Ministeriums sympathisirt hätte, namentlich die Gewaltthätigkeiten des Hei߬
spornes in diesem Cabinete, des Grafen Reigersberg. waren oft seinem milden
Sinne zuwider. Aber dieses Ministerium schützte oder gab vor das zu schützen,
was der König unter dem Namen der "Kronrccbte" für ein unantastbares Heilig-
thum der königlichen Würde hielt. So dehnbar aber war dieser Begriff der
"Kronrechte". daß gar manche Maßregel dem König plausibel gemacht werden
konnte, wenn ein so gewandter Staatsmann, wie v. d. Pfordten, sie unter
diesen Gesichtspunkt zu stellen wußte. Man hat dem .Könige "Hang zum
Absolutismus" vorgeworfen. Der Vorwurf mag vielleicht berechtigt sein, aber
um absolutistisch regieren zu können, fehlte Max dem Zweiten vor allem die
Energie und die Zähigkeit des Widerstandes gegen populäre Forderungen. Man
mochte sagen, er war zu schwach, um ein Absolutist aus Ueberzeugung, zu nobel,
um es gegen seine Ueberzeugung zu sein. Und dem nicht ermüdenden Kampfe
und Andringen einer entschiedenen, sich ihres Rechtes bewußten Opposition war
er schlechterdings nicht gewachsen. Wer in solchen Conflicten am längsten aus¬
dauert, darf des Sieges gewiß sein; jeder, der Maximilian den Zweiten kannte,
mochte voraussehen, daß nicht er es war, der durch Ausdauer übermüden würde.
Er ermüdete rasch und vermochte vor allem die Manifestation der Zuneigung des
Volkes nicht zu entbehren; sich geliebt, anerkannt zu sehen, war ihm Bedürfniß.
Es war nicht eine Phrase, wenn er schrieb, daß er Friede haben wolle mit
seinem Volke, der Friede mit seinem Volke,war eine Bedingung der Zufrieden¬
heit und Ruhe seines Lebens. Ihm fehlte jene dämonische Kraft, die sich mit
dem oäizrwt einen Mett.uiwt, über die Reize der Popularität erhaben fühlt und
jene Beschränktheit, welche in der Selbsttäuschung von einer göttlichen Mission
Ersatz für die Liebe eines Volkes findet.

Seit dem Jahre 1839 kann sich Bayern rühmen, auf dem Gebiete legis¬
latorischer Thätigkeit sehr Bedeutendes geschaffen zu haben. Der gute ehrliche
Wille der Minister v. Mulzer und Neumayr sah da keine Hindernisse einer
Vereinigung mit den Wünschen der Gcsetzgebungsausschüsse, wo ihrer Vorgänger
böser Wille solche geschaffen hatte und die parlamentarische Opposition ihrerseits


ganz der Mann für diese stürmischen Zeiten. Es gelang ihm wenigstens nicht, sein
Land durch energische und umsichtige Maßregeln nach innen und außen gekräftigt
durch jene Krisis hindurchzuführen. Die Reaction der fünfziger Jahre war recht
eigentlich nach dem Herzen dieses Fürsten, der von Natur keineswegs liberal war
und wie in manchem andern Lande würde diese Reaction, zu deren Durchführung
der Freiherr v. d. Pfordten ein überaus geschicktes Werkzeug war, in Bayern noch
heute dauern, wenn nicht die Opposition der zweiten Kammer so fest, entschieden
und unermüdet gegen sie gekämpft hätte und wenn nicht diesem Parlamentarischen
Kampfe die drohenden Aussichten des Jahres 1839 zur Hilfe gekommen wären.
Man kann nicht sagen, daß der König mit allen Maßregeln des reaktionären
Ministeriums sympathisirt hätte, namentlich die Gewaltthätigkeiten des Hei߬
spornes in diesem Cabinete, des Grafen Reigersberg. waren oft seinem milden
Sinne zuwider. Aber dieses Ministerium schützte oder gab vor das zu schützen,
was der König unter dem Namen der „Kronrccbte" für ein unantastbares Heilig-
thum der königlichen Würde hielt. So dehnbar aber war dieser Begriff der
„Kronrechte". daß gar manche Maßregel dem König plausibel gemacht werden
konnte, wenn ein so gewandter Staatsmann, wie v. d. Pfordten, sie unter
diesen Gesichtspunkt zu stellen wußte. Man hat dem .Könige „Hang zum
Absolutismus" vorgeworfen. Der Vorwurf mag vielleicht berechtigt sein, aber
um absolutistisch regieren zu können, fehlte Max dem Zweiten vor allem die
Energie und die Zähigkeit des Widerstandes gegen populäre Forderungen. Man
mochte sagen, er war zu schwach, um ein Absolutist aus Ueberzeugung, zu nobel,
um es gegen seine Ueberzeugung zu sein. Und dem nicht ermüdenden Kampfe
und Andringen einer entschiedenen, sich ihres Rechtes bewußten Opposition war
er schlechterdings nicht gewachsen. Wer in solchen Conflicten am längsten aus¬
dauert, darf des Sieges gewiß sein; jeder, der Maximilian den Zweiten kannte,
mochte voraussehen, daß nicht er es war, der durch Ausdauer übermüden würde.
Er ermüdete rasch und vermochte vor allem die Manifestation der Zuneigung des
Volkes nicht zu entbehren; sich geliebt, anerkannt zu sehen, war ihm Bedürfniß.
Es war nicht eine Phrase, wenn er schrieb, daß er Friede haben wolle mit
seinem Volke, der Friede mit seinem Volke,war eine Bedingung der Zufrieden¬
heit und Ruhe seines Lebens. Ihm fehlte jene dämonische Kraft, die sich mit
dem oäizrwt einen Mett.uiwt, über die Reize der Popularität erhaben fühlt und
jene Beschränktheit, welche in der Selbsttäuschung von einer göttlichen Mission
Ersatz für die Liebe eines Volkes findet.

Seit dem Jahre 1839 kann sich Bayern rühmen, auf dem Gebiete legis¬
latorischer Thätigkeit sehr Bedeutendes geschaffen zu haben. Der gute ehrliche
Wille der Minister v. Mulzer und Neumayr sah da keine Hindernisse einer
Vereinigung mit den Wünschen der Gcsetzgebungsausschüsse, wo ihrer Vorgänger
böser Wille solche geschaffen hatte und die parlamentarische Opposition ihrerseits


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/152>, abgerufen am 23.07.2024.