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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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dieser Partei feindlich gegenüberstehn, aber zu kurzsichtig sind, um die Gefahren
der Richtung zu ermessenen welche sie hincinwüthcn, und deren Begriffe von
Recht und Unrecht sich in einer seltsamen Confusion zu befinden scheinen. So
war es 1848 und so ist es wieder 1863!" Er registrirt dann mit großer
Seelenruhe den ungeschwächten Fortgang der patriotischen Kundgebungen im
Königreiche und die glücklichen Leistungen des hannöverschen Ministeriums im
Bereiche der Kunst, dem Volke Steine zu geben, wo es um Brod bittet. Am
Ende seines NesuMs macht er die Bemerkung: er sei überzeugt, daß die han-
növersche Regierung nichts zu fürchten habe, wenn sie nur den Grad von Festig¬
keit innehielte, zu welchem sie gediehen sei. Falls jedoch Preußen und Oestreich
vom londoner Tractate abfallen sollten, fürchte er, die hannöversche Negierung
werde, in Rücksicht auf die Stimmung des Landes, es nicht wagen, ihren Weg.
von dem der Großmächte zu trennen. Dies sprach Graf Platen kurz nachher
auch unumwunden aus, versüßte die Pille jedoch mit der erneuten Versicherung,
daß Hannover im andern Falle nicht blos bedingungslos am Vertrage, sondern
auch daran festhalten werde, daß derselbe die Regierung nicht blos Dänemark,
sondern ebenso den übrigen contrahirenden Mächten gegenüber binde.

Ueber das Verhalten Hannovers zu der dänischen Anmaßung, Rendsburg
und Friedrichstadt theilweise zu behaupten, was Howard seinestheils in Ordnung
fand, konnte er Beruhigendes melden. Wie man hannoverischer Seits mit
ausdrücklicher Billigung der Motiven auf die schrittweise Besetzung Holsteins
eingegangen war, "damit die Bildung von Freicorps zwischen den abrückenden
dänischen und den einrückenden deutschen Truppen verhütet werde", so ;eige sich
Platen überhaupt in allen Punkten geneigt, einem ernstlichen Conflicte auszu¬
weichen. Das hannöversche Gouvernement lebe der Hoffnung, die Mission des
Lord Wodehouse in Kopenhagen werde geeignet sein, die Angelegenheit zur
Ruhe zu bringen. Auch die gemäßigteren deutschen Mächte -- sagt Howard --
deren Absicht es nicht ist, die dänische Monarchie zu zerreißen, betrachteten die
Bundesexecution nicht blos als einen Druck auf Dänemark und als Mittel, um
Garantien für die Zukunft zu erlangen, sondern zugleich als ein Mittel
der Selbsterhaltung gegenüber d ein V olksgeschrei in D eutschland,
welches gebieterisch von ihnen eine That verlange.

Indessen, auch der Gerechteste kann zu Zeiten ins Straucheln kommen.
Howard hielt nicht mit der Wahrnehmung zurück, daß Platens Ton und Sprache
von damals die Befürchtung verrathe, seine Politik in dieser Angelegenheit
möchte doch zu Falle kommen. Namentlich das stärkere Pochen der Volksstimme,
welches immer sein Ominöses hat für "correcte Minister"; dazu der furchtbare
Aufschwung Bayerns, welches unumwunden auf die Zeitigung der Erbfolgefrage
losstürmte; endlich die bedenklichen Beobachtungen der preußisch-östreichischen
Politik; genug, es waren böse Tage sür die Wetterfahnen, geschweige denn für


dieser Partei feindlich gegenüberstehn, aber zu kurzsichtig sind, um die Gefahren
der Richtung zu ermessenen welche sie hincinwüthcn, und deren Begriffe von
Recht und Unrecht sich in einer seltsamen Confusion zu befinden scheinen. So
war es 1848 und so ist es wieder 1863!" Er registrirt dann mit großer
Seelenruhe den ungeschwächten Fortgang der patriotischen Kundgebungen im
Königreiche und die glücklichen Leistungen des hannöverschen Ministeriums im
Bereiche der Kunst, dem Volke Steine zu geben, wo es um Brod bittet. Am
Ende seines NesuMs macht er die Bemerkung: er sei überzeugt, daß die han-
növersche Regierung nichts zu fürchten habe, wenn sie nur den Grad von Festig¬
keit innehielte, zu welchem sie gediehen sei. Falls jedoch Preußen und Oestreich
vom londoner Tractate abfallen sollten, fürchte er, die hannöversche Negierung
werde, in Rücksicht auf die Stimmung des Landes, es nicht wagen, ihren Weg.
von dem der Großmächte zu trennen. Dies sprach Graf Platen kurz nachher
auch unumwunden aus, versüßte die Pille jedoch mit der erneuten Versicherung,
daß Hannover im andern Falle nicht blos bedingungslos am Vertrage, sondern
auch daran festhalten werde, daß derselbe die Regierung nicht blos Dänemark,
sondern ebenso den übrigen contrahirenden Mächten gegenüber binde.

Ueber das Verhalten Hannovers zu der dänischen Anmaßung, Rendsburg
und Friedrichstadt theilweise zu behaupten, was Howard seinestheils in Ordnung
fand, konnte er Beruhigendes melden. Wie man hannoverischer Seits mit
ausdrücklicher Billigung der Motiven auf die schrittweise Besetzung Holsteins
eingegangen war, „damit die Bildung von Freicorps zwischen den abrückenden
dänischen und den einrückenden deutschen Truppen verhütet werde", so ;eige sich
Platen überhaupt in allen Punkten geneigt, einem ernstlichen Conflicte auszu¬
weichen. Das hannöversche Gouvernement lebe der Hoffnung, die Mission des
Lord Wodehouse in Kopenhagen werde geeignet sein, die Angelegenheit zur
Ruhe zu bringen. Auch die gemäßigteren deutschen Mächte — sagt Howard —
deren Absicht es nicht ist, die dänische Monarchie zu zerreißen, betrachteten die
Bundesexecution nicht blos als einen Druck auf Dänemark und als Mittel, um
Garantien für die Zukunft zu erlangen, sondern zugleich als ein Mittel
der Selbsterhaltung gegenüber d ein V olksgeschrei in D eutschland,
welches gebieterisch von ihnen eine That verlange.

Indessen, auch der Gerechteste kann zu Zeiten ins Straucheln kommen.
Howard hielt nicht mit der Wahrnehmung zurück, daß Platens Ton und Sprache
von damals die Befürchtung verrathe, seine Politik in dieser Angelegenheit
möchte doch zu Falle kommen. Namentlich das stärkere Pochen der Volksstimme,
welches immer sein Ominöses hat für „correcte Minister"; dazu der furchtbare
Aufschwung Bayerns, welches unumwunden auf die Zeitigung der Erbfolgefrage
losstürmte; endlich die bedenklichen Beobachtungen der preußisch-östreichischen
Politik; genug, es waren böse Tage sür die Wetterfahnen, geschweige denn für


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/138>, abgerufen am 23.07.2024.