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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Aus jene von Hannover gewünschte Beruhigungserklärung ließen sich die
beiden Vormächte aber nicht ein, der Erfolg war, d^aß Hannover an die Mächte
erklärte, es werde demnach ihrem Antrage einfach beistimmen. Denn es war
ja einmal Tradition: wo man nicht überspringen kann, da kriecht man durch.
Die Meinung Platens, man werde sich mit einer allgemeinen Reservation sal-
viren können, bekämpfte Howard, da sie, weil damit doch eine Anspielung
auf die Successionsfrage geschehen müsse, nicht in Einklang zu bringen sei mit
den Verpflichtungen gegen den Tractat. Gegen seinen Principal bemerkt aber
der englische Gesandte: wenn dieselbe von Seiten Hannovers dennoch gemacht
würde, so habe dies lediglich den Zweck, der öffentlichen Meinung um den
Bau-/ zu gehen und die große Kluft zwischen Hannover und den übrigen Mittel
Staaten zu verdecken. Die Reservation Hannovers unterblieb indeß laut der
Bundestagsabstimmung vom 7. Dec. Daß es so kam, war Platens Werk,
und der englische Geschäftsträger verfehlt nicht, zu bemerken: "der Graf habe
damit allerdings untreu seinen ursprünglichen Principien und dem Geist der.
eingegangenen Pflichten gemäß gehandelt; aber sein Credit steige, wenn man be¬
denke, daß er trotz so mancher inneren Schwierigkeit und trotz der Scheu vor
UnPopularität im eignen Lande sich nicht gestattet habe, von dem Pfade der
Ehre und Treue abzuirren." So strahlte denn die hannöversche "Correctheit"
in altem jungfräulichen Glänze. Als Folie dieser Tugend darf nicht unerwähnt
bleiben, daß eben damals Baron MünchHausen die Mission als Bundescom-
missar ablehnte, weil die einfache Execution statt der Occupation beschlossen
warben war.

Man kann hiernach die Tiefe des Brusttones ermessen, mit welcher der
König von Hannover feinen Truppen, als er sie vorm Abmärsche "musterte",
die Heldenthaten ihrer Väter ins Gedächtniß rief. Platen, der sich noch immer
der Hoffnung hingab, Münchhausen zu gewinnen, fügte gegen Howard hinzu,
daß derselbe darnach werde instruirt und ausgerüstet werden, um den Herzog
Friedrich von jeder Regierungshandlung in den Herzogthümern abzuhalten.
Als Münchhausen doch bei seiner Ablehnung verharrte, schickte Platen nach einem
Andern und fand ihn. Dr.' Nieper -- schreibt Howard -- ist mir vorgestellt
als ein Mann von "gemäßigter Gesinnung".

Nach diesen Vorgängen bekam nun Howard Muße, der englischen Regierung
über die "eigentliche Bedeutung" der Schleswig-holsteinischen Agitation in Deutsch"
land und speciell in Hannover seine schätzbaren Erörterungen zu machen. Er
faßte sich ziemlich einfach: "Die Agitation" -- schrieb er am 18. December --
ist eine revolutionäre Bewegung und geht von der Partei aus, welche dahin
strebt, die bestehende Ordnung der Dinge umzustürzen. In dieser Absicht hat
sie sich einer Angelegenheit angenommen, welcher die Sympathien einer großen
Menge von Deutschen zugewendet sind, die im Uebrigen den politischen Plänen


Grenzboten II. 1864. 17

Aus jene von Hannover gewünschte Beruhigungserklärung ließen sich die
beiden Vormächte aber nicht ein, der Erfolg war, d^aß Hannover an die Mächte
erklärte, es werde demnach ihrem Antrage einfach beistimmen. Denn es war
ja einmal Tradition: wo man nicht überspringen kann, da kriecht man durch.
Die Meinung Platens, man werde sich mit einer allgemeinen Reservation sal-
viren können, bekämpfte Howard, da sie, weil damit doch eine Anspielung
auf die Successionsfrage geschehen müsse, nicht in Einklang zu bringen sei mit
den Verpflichtungen gegen den Tractat. Gegen seinen Principal bemerkt aber
der englische Gesandte: wenn dieselbe von Seiten Hannovers dennoch gemacht
würde, so habe dies lediglich den Zweck, der öffentlichen Meinung um den
Bau-/ zu gehen und die große Kluft zwischen Hannover und den übrigen Mittel
Staaten zu verdecken. Die Reservation Hannovers unterblieb indeß laut der
Bundestagsabstimmung vom 7. Dec. Daß es so kam, war Platens Werk,
und der englische Geschäftsträger verfehlt nicht, zu bemerken: „der Graf habe
damit allerdings untreu seinen ursprünglichen Principien und dem Geist der.
eingegangenen Pflichten gemäß gehandelt; aber sein Credit steige, wenn man be¬
denke, daß er trotz so mancher inneren Schwierigkeit und trotz der Scheu vor
UnPopularität im eignen Lande sich nicht gestattet habe, von dem Pfade der
Ehre und Treue abzuirren." So strahlte denn die hannöversche „Correctheit"
in altem jungfräulichen Glänze. Als Folie dieser Tugend darf nicht unerwähnt
bleiben, daß eben damals Baron MünchHausen die Mission als Bundescom-
missar ablehnte, weil die einfache Execution statt der Occupation beschlossen
warben war.

Man kann hiernach die Tiefe des Brusttones ermessen, mit welcher der
König von Hannover feinen Truppen, als er sie vorm Abmärsche „musterte",
die Heldenthaten ihrer Väter ins Gedächtniß rief. Platen, der sich noch immer
der Hoffnung hingab, Münchhausen zu gewinnen, fügte gegen Howard hinzu,
daß derselbe darnach werde instruirt und ausgerüstet werden, um den Herzog
Friedrich von jeder Regierungshandlung in den Herzogthümern abzuhalten.
Als Münchhausen doch bei seiner Ablehnung verharrte, schickte Platen nach einem
Andern und fand ihn. Dr.' Nieper — schreibt Howard — ist mir vorgestellt
als ein Mann von „gemäßigter Gesinnung".

Nach diesen Vorgängen bekam nun Howard Muße, der englischen Regierung
über die „eigentliche Bedeutung" der Schleswig-holsteinischen Agitation in Deutsch«
land und speciell in Hannover seine schätzbaren Erörterungen zu machen. Er
faßte sich ziemlich einfach: „Die Agitation" — schrieb er am 18. December —
ist eine revolutionäre Bewegung und geht von der Partei aus, welche dahin
strebt, die bestehende Ordnung der Dinge umzustürzen. In dieser Absicht hat
sie sich einer Angelegenheit angenommen, welcher die Sympathien einer großen
Menge von Deutschen zugewendet sind, die im Uebrigen den politischen Plänen


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[0137] Aus jene von Hannover gewünschte Beruhigungserklärung ließen sich die beiden Vormächte aber nicht ein, der Erfolg war, d^aß Hannover an die Mächte erklärte, es werde demnach ihrem Antrage einfach beistimmen. Denn es war ja einmal Tradition: wo man nicht überspringen kann, da kriecht man durch. Die Meinung Platens, man werde sich mit einer allgemeinen Reservation sal- viren können, bekämpfte Howard, da sie, weil damit doch eine Anspielung auf die Successionsfrage geschehen müsse, nicht in Einklang zu bringen sei mit den Verpflichtungen gegen den Tractat. Gegen seinen Principal bemerkt aber der englische Gesandte: wenn dieselbe von Seiten Hannovers dennoch gemacht würde, so habe dies lediglich den Zweck, der öffentlichen Meinung um den Bau-/ zu gehen und die große Kluft zwischen Hannover und den übrigen Mittel Staaten zu verdecken. Die Reservation Hannovers unterblieb indeß laut der Bundestagsabstimmung vom 7. Dec. Daß es so kam, war Platens Werk, und der englische Geschäftsträger verfehlt nicht, zu bemerken: „der Graf habe damit allerdings untreu seinen ursprünglichen Principien und dem Geist der. eingegangenen Pflichten gemäß gehandelt; aber sein Credit steige, wenn man be¬ denke, daß er trotz so mancher inneren Schwierigkeit und trotz der Scheu vor UnPopularität im eignen Lande sich nicht gestattet habe, von dem Pfade der Ehre und Treue abzuirren." So strahlte denn die hannöversche „Correctheit" in altem jungfräulichen Glänze. Als Folie dieser Tugend darf nicht unerwähnt bleiben, daß eben damals Baron MünchHausen die Mission als Bundescom- missar ablehnte, weil die einfache Execution statt der Occupation beschlossen warben war. Man kann hiernach die Tiefe des Brusttones ermessen, mit welcher der König von Hannover feinen Truppen, als er sie vorm Abmärsche „musterte", die Heldenthaten ihrer Väter ins Gedächtniß rief. Platen, der sich noch immer der Hoffnung hingab, Münchhausen zu gewinnen, fügte gegen Howard hinzu, daß derselbe darnach werde instruirt und ausgerüstet werden, um den Herzog Friedrich von jeder Regierungshandlung in den Herzogthümern abzuhalten. Als Münchhausen doch bei seiner Ablehnung verharrte, schickte Platen nach einem Andern und fand ihn. Dr.' Nieper — schreibt Howard — ist mir vorgestellt als ein Mann von „gemäßigter Gesinnung". Nach diesen Vorgängen bekam nun Howard Muße, der englischen Regierung über die „eigentliche Bedeutung" der Schleswig-holsteinischen Agitation in Deutsch« land und speciell in Hannover seine schätzbaren Erörterungen zu machen. Er faßte sich ziemlich einfach: „Die Agitation" — schrieb er am 18. December — ist eine revolutionäre Bewegung und geht von der Partei aus, welche dahin strebt, die bestehende Ordnung der Dinge umzustürzen. In dieser Absicht hat sie sich einer Angelegenheit angenommen, welcher die Sympathien einer großen Menge von Deutschen zugewendet sind, die im Uebrigen den politischen Plänen Grenzboten II. 1864. 17

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/137>, abgerufen am 23.07.2024.