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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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eine halbe Stimme anzunehmen; man wolle die ganze Entscheidung über die
dänischen Stimmführer bis nach Beantwortung der Successionsfrage vertagen.

Der englische Gesandte giebt darauf der hannöverschen Negierung das
Zeugniß einer Untadelhaftigkcit, die ihr niemand beneiden, die aber die deutsche
Nation in einem feinen Gedächtnisse bewahren wird.

Damals machte Howard wieder einen Ausflug nach Braunschweig; mußte
aber zu seinem Bedauern erfahren, daß Herr v. Campe mittlerweile in An¬
fechtung gefallen und infolge dessen die Instruction des braunschweigischen Bundes-
gcsandten bereits im Sinne der sächsischen Erklärung erfolgt war. Er versäumte
nicht, nochmals Vorstellungen zu machen, und erhielt Audienz beim Herzoge.
Dieser war artig genug, auf die Frage des Engländers zu äußern, daß, wenn
der londoner Tractat ihm vorgelegt worden und er beigetreten wäre, derselbe
auch von ihm beobachtet sein würde. Daß Howard dies nun nicht mehr gut
zu machende Versäumniß in einer Weise bedauert, welche merken läßt, daß
man dadurch die Eitelkeit des Herzogs verletzt haben möchte, ist seine Sache;
daß er aber die Erklärung desselben, er habe in diesem Punkte mit seiner Re¬
gierung und dem Wunsche seines Volkes im Einklang gehandelt, durch die Be¬
merkung paraphrasirt, die Vorstellungen, die er angebracht habe, würden dennoch
nicht verloren sein, ist eine Bemerkung, die einem Engländer seltsam zu Ge¬
sicht steht. Freilich hatte ihm der Herzog gesagt, er werde weder die Anzeige
Seitens Christian des Neunten noch die von Friedrich dem Achten mit einer
Antwort beehren!

Das hannoversche Gouvernement hatte die Genugthuung, am 4. December
eine sehr belobigende Censur von Lord Russell zu erhalten. Platen beeilte sich,
seinem allergnädigsten Herrn mit dieser Erquickung aufzuwarten: König und
Minister waren sehr erbaut davon.

Mitten in diese schöne Harmonie fuhr nun die identische Note Oestreichs
und Preußens an den Bund wie ein Hecht in den Karpfenteich; das Schreck¬
liche dabei war, wie Platen seinem englischen Freunde pünktlich zu verstehen
gab, daß Oestreich und Preußen durch ihren Antrag, nur eine einfache Execu-
tion durchzuführen, ti.e Anhänger des energischeren bayerischen Antrags vor
den Kopf stoßen möchten. Die Rettung erkannte er in einer von den beiden
Großmächten hinzuzufügenden Erklärung, daß allen andern schwebenden Fragen
durch ihren Antrag nicht präjudicirt werden sollte. Howard interpretirt die
Sache so: Hannover sei durchaus geneigt, dem Vorgänge Preußens und'Oest¬
reichs zu gehorchen, Platen wolle jedoch das Odium vermeiden, welches auf
seine Regierung fallen würde, wenn sie neben Mecklenburg allein unter den
übligen deutschen Staaten den Vorschlag der Großmächte adoptirte. Der Herr
Graf erstarkte indeß nach einiger Unruhe zu der Versicherung, es werde am
Ende alles gut werden.


eine halbe Stimme anzunehmen; man wolle die ganze Entscheidung über die
dänischen Stimmführer bis nach Beantwortung der Successionsfrage vertagen.

Der englische Gesandte giebt darauf der hannöverschen Negierung das
Zeugniß einer Untadelhaftigkcit, die ihr niemand beneiden, die aber die deutsche
Nation in einem feinen Gedächtnisse bewahren wird.

Damals machte Howard wieder einen Ausflug nach Braunschweig; mußte
aber zu seinem Bedauern erfahren, daß Herr v. Campe mittlerweile in An¬
fechtung gefallen und infolge dessen die Instruction des braunschweigischen Bundes-
gcsandten bereits im Sinne der sächsischen Erklärung erfolgt war. Er versäumte
nicht, nochmals Vorstellungen zu machen, und erhielt Audienz beim Herzoge.
Dieser war artig genug, auf die Frage des Engländers zu äußern, daß, wenn
der londoner Tractat ihm vorgelegt worden und er beigetreten wäre, derselbe
auch von ihm beobachtet sein würde. Daß Howard dies nun nicht mehr gut
zu machende Versäumniß in einer Weise bedauert, welche merken läßt, daß
man dadurch die Eitelkeit des Herzogs verletzt haben möchte, ist seine Sache;
daß er aber die Erklärung desselben, er habe in diesem Punkte mit seiner Re¬
gierung und dem Wunsche seines Volkes im Einklang gehandelt, durch die Be¬
merkung paraphrasirt, die Vorstellungen, die er angebracht habe, würden dennoch
nicht verloren sein, ist eine Bemerkung, die einem Engländer seltsam zu Ge¬
sicht steht. Freilich hatte ihm der Herzog gesagt, er werde weder die Anzeige
Seitens Christian des Neunten noch die von Friedrich dem Achten mit einer
Antwort beehren!

Das hannoversche Gouvernement hatte die Genugthuung, am 4. December
eine sehr belobigende Censur von Lord Russell zu erhalten. Platen beeilte sich,
seinem allergnädigsten Herrn mit dieser Erquickung aufzuwarten: König und
Minister waren sehr erbaut davon.

Mitten in diese schöne Harmonie fuhr nun die identische Note Oestreichs
und Preußens an den Bund wie ein Hecht in den Karpfenteich; das Schreck¬
liche dabei war, wie Platen seinem englischen Freunde pünktlich zu verstehen
gab, daß Oestreich und Preußen durch ihren Antrag, nur eine einfache Execu-
tion durchzuführen, ti.e Anhänger des energischeren bayerischen Antrags vor
den Kopf stoßen möchten. Die Rettung erkannte er in einer von den beiden
Großmächten hinzuzufügenden Erklärung, daß allen andern schwebenden Fragen
durch ihren Antrag nicht präjudicirt werden sollte. Howard interpretirt die
Sache so: Hannover sei durchaus geneigt, dem Vorgänge Preußens und'Oest¬
reichs zu gehorchen, Platen wolle jedoch das Odium vermeiden, welches auf
seine Regierung fallen würde, wenn sie neben Mecklenburg allein unter den
übligen deutschen Staaten den Vorschlag der Großmächte adoptirte. Der Herr
Graf erstarkte indeß nach einiger Unruhe zu der Versicherung, es werde am
Ende alles gut werden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/136>, abgerufen am 23.07.2024.