Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Von ganz besonderer Wichtigkeit wird endlich der Städtetag sein, wel¬
cher, wie ich höre, nächsten Montag stattfinden wird. Die städtischen Collegicn
Kiels nämlich haben in einer Versammlung, die vor acht Tagen abgehalten
wurde, den, wie mir scheint, sehr praktischen Beschluß gefaßt, an sämmtliche
Communcvertretungen Holsteins (Magistrate und Deputirteucollegien) die Auf¬
forderung ergehen zu lassen, sich am gedachten Tage in Neumünster zu einer
gemeinschaftlichen Berathung einzufinden, um ihre Zustimmung zu der Decla-
ration der Stände in einer Adresse zu erklären, welche dem Ausschuß der Vier¬
zig zu geeignetem Gebrauch übergeben werden soll. Kein Zweifel, daß auch
diese Aufforderung von bestem Erfolg sein wird. Zwar sind in einigen Orten
manche Magistratsstellen noch mit Individuen besetzt, die wo nicht dänisch, doch
unpatriotisch gesinnt sind. In Rendsburg hat der Bürgermeister Wriett sich
geweigert, zu dem angegebenen Zweck eine Versammlung zu berufen. In Plon
sitzt -- in der That, sitzen scheint hier das rechte Wort -- an der Spitze der
Geschäfte ein gewisser Mordhorst, "träg, gleichgiltig, ein gesinnungsloser Gal¬
lert", wie man mir ihn charakterisierte. Auch in Oldesloe, wo ein Herr Wolf¬
hagen regiert, soll nicht viel guter Wille sein. Doch werden solche Ausnahmen
die Regel nicht sehr stören, und in Rendsburg herrscht in der Bürgerschaft und
im Deputirtencollegium die patriotische Gesinnung beinahe allenthalben.

Viel wird zu einem vollständigen Gelingen des zunächst Beabsichtigten die
Localpressc beitragen, welche sich jetzt si.cißig zu rühren und in gutgeschriebenen
populären Aufsätzen auch den zum großen Theil noch gleichgiltigen kleinen
Mann, den Bauerund Kleinstädter der entlegnen Districte auf sein Recht, welches
zugleich sein Interesse ist, aufmerksam zu machen beginnt. Sehr gute Wirkung
kann und wird endlich die große Volksversammlung thun, welche die schleswig-
holstcinischen Vereine für eine der nächsten Wochen vorbereiten. Mit einem
Worten es ist wieder Plan und Leben in die Sache gekommen, und wenn
Preußen und Frankreich es irgend ernstlich mit der Volksabstimmung meinen,
so wird dieselbe, durch dieses Vorspiel organisirt, ein Resultat geben, wie man
sichs, wenn man nicht mit Idealen, sondern mit irdischen Möglichkeiten rechnet,
nicht viel glänzender wünschen kann.

Mit größern Schwierigkeiten hat Schleswig zu kämpfen, doch scheint wenigstens
Preußen der Bewegung, die auch hier immer weitere Kreise ergreift und sich
zu äußern nöthigt, mehr ein finsteres Gesicht zu machen, als sie ernstlich hemmen
zu wollen. '

Die große Versammlung, die vorgestern in der Stadt Schleswig statt¬
finden sollte, wurde allerdings untersagt. Dieselbe hatte den Zweck, zu berathen,
wie man sich den Holsteinern in ihrer Kundgebung gegenüber dem Congreß am
geeignetsten anschließen könne, und darauf hin einen Beschluß zu fassen. Es
waren circa 260 angesehene Patrioten aus den verschiedensten Theilen des


Vrenzbotm II. 1864. 13

Von ganz besonderer Wichtigkeit wird endlich der Städtetag sein, wel¬
cher, wie ich höre, nächsten Montag stattfinden wird. Die städtischen Collegicn
Kiels nämlich haben in einer Versammlung, die vor acht Tagen abgehalten
wurde, den, wie mir scheint, sehr praktischen Beschluß gefaßt, an sämmtliche
Communcvertretungen Holsteins (Magistrate und Deputirteucollegien) die Auf¬
forderung ergehen zu lassen, sich am gedachten Tage in Neumünster zu einer
gemeinschaftlichen Berathung einzufinden, um ihre Zustimmung zu der Decla-
ration der Stände in einer Adresse zu erklären, welche dem Ausschuß der Vier¬
zig zu geeignetem Gebrauch übergeben werden soll. Kein Zweifel, daß auch
diese Aufforderung von bestem Erfolg sein wird. Zwar sind in einigen Orten
manche Magistratsstellen noch mit Individuen besetzt, die wo nicht dänisch, doch
unpatriotisch gesinnt sind. In Rendsburg hat der Bürgermeister Wriett sich
geweigert, zu dem angegebenen Zweck eine Versammlung zu berufen. In Plon
sitzt — in der That, sitzen scheint hier das rechte Wort — an der Spitze der
Geschäfte ein gewisser Mordhorst, „träg, gleichgiltig, ein gesinnungsloser Gal¬
lert", wie man mir ihn charakterisierte. Auch in Oldesloe, wo ein Herr Wolf¬
hagen regiert, soll nicht viel guter Wille sein. Doch werden solche Ausnahmen
die Regel nicht sehr stören, und in Rendsburg herrscht in der Bürgerschaft und
im Deputirtencollegium die patriotische Gesinnung beinahe allenthalben.

Viel wird zu einem vollständigen Gelingen des zunächst Beabsichtigten die
Localpressc beitragen, welche sich jetzt si.cißig zu rühren und in gutgeschriebenen
populären Aufsätzen auch den zum großen Theil noch gleichgiltigen kleinen
Mann, den Bauerund Kleinstädter der entlegnen Districte auf sein Recht, welches
zugleich sein Interesse ist, aufmerksam zu machen beginnt. Sehr gute Wirkung
kann und wird endlich die große Volksversammlung thun, welche die schleswig-
holstcinischen Vereine für eine der nächsten Wochen vorbereiten. Mit einem
Worten es ist wieder Plan und Leben in die Sache gekommen, und wenn
Preußen und Frankreich es irgend ernstlich mit der Volksabstimmung meinen,
so wird dieselbe, durch dieses Vorspiel organisirt, ein Resultat geben, wie man
sichs, wenn man nicht mit Idealen, sondern mit irdischen Möglichkeiten rechnet,
nicht viel glänzender wünschen kann.

Mit größern Schwierigkeiten hat Schleswig zu kämpfen, doch scheint wenigstens
Preußen der Bewegung, die auch hier immer weitere Kreise ergreift und sich
zu äußern nöthigt, mehr ein finsteres Gesicht zu machen, als sie ernstlich hemmen
zu wollen. '

Die große Versammlung, die vorgestern in der Stadt Schleswig statt¬
finden sollte, wurde allerdings untersagt. Dieselbe hatte den Zweck, zu berathen,
wie man sich den Holsteinern in ihrer Kundgebung gegenüber dem Congreß am
geeignetsten anschließen könne, und darauf hin einen Beschluß zu fassen. Es
waren circa 260 angesehene Patrioten aus den verschiedensten Theilen des


Vrenzbotm II. 1864. 13
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0121" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188682"/>
          <p xml:id="ID_388"> Von ganz besonderer Wichtigkeit wird endlich der Städtetag sein, wel¬<lb/>
cher, wie ich höre, nächsten Montag stattfinden wird. Die städtischen Collegicn<lb/>
Kiels nämlich haben in einer Versammlung, die vor acht Tagen abgehalten<lb/>
wurde, den, wie mir scheint, sehr praktischen Beschluß gefaßt, an sämmtliche<lb/>
Communcvertretungen Holsteins (Magistrate und Deputirteucollegien) die Auf¬<lb/>
forderung ergehen zu lassen, sich am gedachten Tage in Neumünster zu einer<lb/>
gemeinschaftlichen Berathung einzufinden, um ihre Zustimmung zu der Decla-<lb/>
ration der Stände in einer Adresse zu erklären, welche dem Ausschuß der Vier¬<lb/>
zig zu geeignetem Gebrauch übergeben werden soll. Kein Zweifel, daß auch<lb/>
diese Aufforderung von bestem Erfolg sein wird. Zwar sind in einigen Orten<lb/>
manche Magistratsstellen noch mit Individuen besetzt, die wo nicht dänisch, doch<lb/>
unpatriotisch gesinnt sind. In Rendsburg hat der Bürgermeister Wriett sich<lb/>
geweigert, zu dem angegebenen Zweck eine Versammlung zu berufen. In Plon<lb/>
sitzt &#x2014; in der That, sitzen scheint hier das rechte Wort &#x2014; an der Spitze der<lb/>
Geschäfte ein gewisser Mordhorst, &#x201E;träg, gleichgiltig, ein gesinnungsloser Gal¬<lb/>
lert", wie man mir ihn charakterisierte. Auch in Oldesloe, wo ein Herr Wolf¬<lb/>
hagen regiert, soll nicht viel guter Wille sein. Doch werden solche Ausnahmen<lb/>
die Regel nicht sehr stören, und in Rendsburg herrscht in der Bürgerschaft und<lb/>
im Deputirtencollegium die patriotische Gesinnung beinahe allenthalben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_389"> Viel wird zu einem vollständigen Gelingen des zunächst Beabsichtigten die<lb/>
Localpressc beitragen, welche sich jetzt si.cißig zu rühren und in gutgeschriebenen<lb/>
populären Aufsätzen auch den zum großen Theil noch gleichgiltigen kleinen<lb/>
Mann, den Bauerund Kleinstädter der entlegnen Districte auf sein Recht, welches<lb/>
zugleich sein Interesse ist, aufmerksam zu machen beginnt. Sehr gute Wirkung<lb/>
kann und wird endlich die große Volksversammlung thun, welche die schleswig-<lb/>
holstcinischen Vereine für eine der nächsten Wochen vorbereiten. Mit einem<lb/>
Worten es ist wieder Plan und Leben in die Sache gekommen, und wenn<lb/>
Preußen und Frankreich es irgend ernstlich mit der Volksabstimmung meinen,<lb/>
so wird dieselbe, durch dieses Vorspiel organisirt, ein Resultat geben, wie man<lb/>
sichs, wenn man nicht mit Idealen, sondern mit irdischen Möglichkeiten rechnet,<lb/>
nicht viel glänzender wünschen kann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_390"> Mit größern Schwierigkeiten hat Schleswig zu kämpfen, doch scheint wenigstens<lb/>
Preußen der Bewegung, die auch hier immer weitere Kreise ergreift und sich<lb/>
zu äußern nöthigt, mehr ein finsteres Gesicht zu machen, als sie ernstlich hemmen<lb/>
zu wollen. '</p><lb/>
          <p xml:id="ID_391" next="#ID_392"> Die große Versammlung, die vorgestern in der Stadt Schleswig statt¬<lb/>
finden sollte, wurde allerdings untersagt. Dieselbe hatte den Zweck, zu berathen,<lb/>
wie man sich den Holsteinern in ihrer Kundgebung gegenüber dem Congreß am<lb/>
geeignetsten anschließen könne, und darauf hin einen Beschluß zu fassen. Es<lb/>
waren circa 260 angesehene Patrioten aus den verschiedensten Theilen des</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Vrenzbotm II. 1864. 13</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0121] Von ganz besonderer Wichtigkeit wird endlich der Städtetag sein, wel¬ cher, wie ich höre, nächsten Montag stattfinden wird. Die städtischen Collegicn Kiels nämlich haben in einer Versammlung, die vor acht Tagen abgehalten wurde, den, wie mir scheint, sehr praktischen Beschluß gefaßt, an sämmtliche Communcvertretungen Holsteins (Magistrate und Deputirteucollegien) die Auf¬ forderung ergehen zu lassen, sich am gedachten Tage in Neumünster zu einer gemeinschaftlichen Berathung einzufinden, um ihre Zustimmung zu der Decla- ration der Stände in einer Adresse zu erklären, welche dem Ausschuß der Vier¬ zig zu geeignetem Gebrauch übergeben werden soll. Kein Zweifel, daß auch diese Aufforderung von bestem Erfolg sein wird. Zwar sind in einigen Orten manche Magistratsstellen noch mit Individuen besetzt, die wo nicht dänisch, doch unpatriotisch gesinnt sind. In Rendsburg hat der Bürgermeister Wriett sich geweigert, zu dem angegebenen Zweck eine Versammlung zu berufen. In Plon sitzt — in der That, sitzen scheint hier das rechte Wort — an der Spitze der Geschäfte ein gewisser Mordhorst, „träg, gleichgiltig, ein gesinnungsloser Gal¬ lert", wie man mir ihn charakterisierte. Auch in Oldesloe, wo ein Herr Wolf¬ hagen regiert, soll nicht viel guter Wille sein. Doch werden solche Ausnahmen die Regel nicht sehr stören, und in Rendsburg herrscht in der Bürgerschaft und im Deputirtencollegium die patriotische Gesinnung beinahe allenthalben. Viel wird zu einem vollständigen Gelingen des zunächst Beabsichtigten die Localpressc beitragen, welche sich jetzt si.cißig zu rühren und in gutgeschriebenen populären Aufsätzen auch den zum großen Theil noch gleichgiltigen kleinen Mann, den Bauerund Kleinstädter der entlegnen Districte auf sein Recht, welches zugleich sein Interesse ist, aufmerksam zu machen beginnt. Sehr gute Wirkung kann und wird endlich die große Volksversammlung thun, welche die schleswig- holstcinischen Vereine für eine der nächsten Wochen vorbereiten. Mit einem Worten es ist wieder Plan und Leben in die Sache gekommen, und wenn Preußen und Frankreich es irgend ernstlich mit der Volksabstimmung meinen, so wird dieselbe, durch dieses Vorspiel organisirt, ein Resultat geben, wie man sichs, wenn man nicht mit Idealen, sondern mit irdischen Möglichkeiten rechnet, nicht viel glänzender wünschen kann. Mit größern Schwierigkeiten hat Schleswig zu kämpfen, doch scheint wenigstens Preußen der Bewegung, die auch hier immer weitere Kreise ergreift und sich zu äußern nöthigt, mehr ein finsteres Gesicht zu machen, als sie ernstlich hemmen zu wollen. ' Die große Versammlung, die vorgestern in der Stadt Schleswig statt¬ finden sollte, wurde allerdings untersagt. Dieselbe hatte den Zweck, zu berathen, wie man sich den Holsteinern in ihrer Kundgebung gegenüber dem Congreß am geeignetsten anschließen könne, und darauf hin einen Beschluß zu fassen. Es waren circa 260 angesehene Patrioten aus den verschiedensten Theilen des Vrenzbotm II. 1864. 13

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/121
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/121>, abgerufen am 23.07.2024.