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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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berg, des Zeus Geburtstätte, des Tantalvs Grab, dem Mittelpunkt eines rei¬
chen und weitverbreiteten Cultuslebens, das mit dem griechischen in nächster
Verbindung stand, findet sich der Abschluß dieses großartigen und tiefsinnigen
Lebensbildes Die Naturgewaltige, die Götterentsprossene, die Schönheits-
erfüllte. Geistesbildende, die Ruhmesstolze, Machtsichcre, die Mütterliche, Liebes-
kräftige, im Leid Verharrende, das ist die wirkliche, die wahrhaftige Niobe der
hellenischen Sage, der als Wahrzeichen nichts geblieben ist als der Fels und
die Thränen.

"Wir stehen hiermit vor einem der ältesten und tiefsten Urgedanken des
griechischen Alterthums," sagt der Verfasser am Schlüsse seines Buches, "in
welchem das Gefühl der Pracht und Schönheit der irdischen Welt, specifisch
des Menschen, wie in gleichem Maße nirgend sonst lebendig war, aber auch
um so tiefer der Klageton der Nichtigkeit und Vergänglichkeit sich durchzieht
und welches diesen Zwiespalt nur in jüngerer Zeit und in engeren Kreisen der
orphischen Lehre, wie der-Philosophie der tiefsinnigsten Geister überwindet, in
der Ausschau auf eine über das irdische Leben hinausragende höhere Existenz."

Das Werk, welches auch eine treffliche Ausstattung gefunden hat, sei auch
weiteren Kreisen warm empfohlen.




Die neue Bewegung in Schleswig-Holstein.

Nicht zu läugnen war, daß das frische politische Leben, welches mit dem
Einmarsch der Bundestruppen in das Herzogthum Holstein zu Pulsiren begonnen
hatte, mit dem Einrücken der östreichisch-preußischen Streitkräfte einigermaßen
ins Stocken gerathen war. Der Bund, unter dessen Action es erwacht, erwies
sich schwach und schwankend, die Großmächte ließen über ihre Absichten im
Dunkeln, auch die kriegerischen Ereignisse übten einen gewissen lähmenden Ein¬
fluß, indem sie die Aufmerksamkeit wenigstens theilweise ablenkten. Es gab
keinen rechten Gegenstand, der ins Auge zu fassen und willkommen zu heißen
oder zu bekämpfen war. Allenthalben Konfusion. Gerüchte, unbestimmte Hoff¬
nungen und Befürchtungen, Tage, von denen einer immer den vorhergehenden


Grenzboten II. 1864. 14

berg, des Zeus Geburtstätte, des Tantalvs Grab, dem Mittelpunkt eines rei¬
chen und weitverbreiteten Cultuslebens, das mit dem griechischen in nächster
Verbindung stand, findet sich der Abschluß dieses großartigen und tiefsinnigen
Lebensbildes Die Naturgewaltige, die Götterentsprossene, die Schönheits-
erfüllte. Geistesbildende, die Ruhmesstolze, Machtsichcre, die Mütterliche, Liebes-
kräftige, im Leid Verharrende, das ist die wirkliche, die wahrhaftige Niobe der
hellenischen Sage, der als Wahrzeichen nichts geblieben ist als der Fels und
die Thränen.

„Wir stehen hiermit vor einem der ältesten und tiefsten Urgedanken des
griechischen Alterthums," sagt der Verfasser am Schlüsse seines Buches, „in
welchem das Gefühl der Pracht und Schönheit der irdischen Welt, specifisch
des Menschen, wie in gleichem Maße nirgend sonst lebendig war, aber auch
um so tiefer der Klageton der Nichtigkeit und Vergänglichkeit sich durchzieht
und welches diesen Zwiespalt nur in jüngerer Zeit und in engeren Kreisen der
orphischen Lehre, wie der-Philosophie der tiefsinnigsten Geister überwindet, in
der Ausschau auf eine über das irdische Leben hinausragende höhere Existenz."

Das Werk, welches auch eine treffliche Ausstattung gefunden hat, sei auch
weiteren Kreisen warm empfohlen.




Die neue Bewegung in Schleswig-Holstein.

Nicht zu läugnen war, daß das frische politische Leben, welches mit dem
Einmarsch der Bundestruppen in das Herzogthum Holstein zu Pulsiren begonnen
hatte, mit dem Einrücken der östreichisch-preußischen Streitkräfte einigermaßen
ins Stocken gerathen war. Der Bund, unter dessen Action es erwacht, erwies
sich schwach und schwankend, die Großmächte ließen über ihre Absichten im
Dunkeln, auch die kriegerischen Ereignisse übten einen gewissen lähmenden Ein¬
fluß, indem sie die Aufmerksamkeit wenigstens theilweise ablenkten. Es gab
keinen rechten Gegenstand, der ins Auge zu fassen und willkommen zu heißen
oder zu bekämpfen war. Allenthalben Konfusion. Gerüchte, unbestimmte Hoff¬
nungen und Befürchtungen, Tage, von denen einer immer den vorhergehenden


Grenzboten II. 1864. 14
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[0113] berg, des Zeus Geburtstätte, des Tantalvs Grab, dem Mittelpunkt eines rei¬ chen und weitverbreiteten Cultuslebens, das mit dem griechischen in nächster Verbindung stand, findet sich der Abschluß dieses großartigen und tiefsinnigen Lebensbildes Die Naturgewaltige, die Götterentsprossene, die Schönheits- erfüllte. Geistesbildende, die Ruhmesstolze, Machtsichcre, die Mütterliche, Liebes- kräftige, im Leid Verharrende, das ist die wirkliche, die wahrhaftige Niobe der hellenischen Sage, der als Wahrzeichen nichts geblieben ist als der Fels und die Thränen. „Wir stehen hiermit vor einem der ältesten und tiefsten Urgedanken des griechischen Alterthums," sagt der Verfasser am Schlüsse seines Buches, „in welchem das Gefühl der Pracht und Schönheit der irdischen Welt, specifisch des Menschen, wie in gleichem Maße nirgend sonst lebendig war, aber auch um so tiefer der Klageton der Nichtigkeit und Vergänglichkeit sich durchzieht und welches diesen Zwiespalt nur in jüngerer Zeit und in engeren Kreisen der orphischen Lehre, wie der-Philosophie der tiefsinnigsten Geister überwindet, in der Ausschau auf eine über das irdische Leben hinausragende höhere Existenz." Das Werk, welches auch eine treffliche Ausstattung gefunden hat, sei auch weiteren Kreisen warm empfohlen. Die neue Bewegung in Schleswig-Holstein. Nicht zu läugnen war, daß das frische politische Leben, welches mit dem Einmarsch der Bundestruppen in das Herzogthum Holstein zu Pulsiren begonnen hatte, mit dem Einrücken der östreichisch-preußischen Streitkräfte einigermaßen ins Stocken gerathen war. Der Bund, unter dessen Action es erwacht, erwies sich schwach und schwankend, die Großmächte ließen über ihre Absichten im Dunkeln, auch die kriegerischen Ereignisse übten einen gewissen lähmenden Ein¬ fluß, indem sie die Aufmerksamkeit wenigstens theilweise ablenkten. Es gab keinen rechten Gegenstand, der ins Auge zu fassen und willkommen zu heißen oder zu bekämpfen war. Allenthalben Konfusion. Gerüchte, unbestimmte Hoff¬ nungen und Befürchtungen, Tage, von denen einer immer den vorhergehenden Grenzboten II. 1864. 14

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/113>, abgerufen am 23.07.2024.