Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Herzog erwiderte, er sehe vollständig ein, daß meine Stellung als ein
Ganzes aufgefaßt werden müsse; er fühle, wie außerordentlich schwierig und
delicat sie sei, und er war freundlich genug hinzuzufügen, die Art und Weise,
wie ich sie bisher ausgefüllt, habe seine Billigung, und auch das Publicum
lasse ihr volle Gerechtigkeit widerfahren. Ich bat ihn. mir noch etwas Zeit
zur Ueberlegung zu lassen, da ich erst seinen Aufsatz studiren wolle; ich würde
ihm dann meine Entschließung schriftlich mittheilen.

Zwei Tage nachher schrieb der Prinz dem Herzog einen Brief, dem wir
Folgendes entnehmen:


"Mein lieber Herzog!

Die Königin und ich haben Ihren Vorschlag, die Stellen des General-
Adjutanten und des General-Quarticrmeisiers in die eines Chefs des Stabes
zu vereinigen und dabei die künftige Uebertragung des Oberbefehls auf mich in
Aussicht zu nehmen, gründlich erwogen----Die Frage, ob es räthlich ist, daß
ich den Befehl der Armee übernehme, habe ich auf das sorgfältigste geprüft und
bin zu dem Schluß gekommen, daß meine Entscheidung lediglich und ausschlie߬
lich durch die Erwägung geleitet sein muß, ob meine Stellung als Gemahl der
Königin und die Erfüllung der mir in dieser Stellung obliegenden Pflichten
dadurch gehemmt oder gefördert wird.

Diese Stellung ist eine höchst eigenthümliche und delikate. Während eine
Souveränin in sehr vieler Beziehung gegen einen Souverän im Nachtheil ist,
hat doch andrerseits, wenn sie verheirathet ist und ihr Mann seine Pflicht
kennt und thut, ihre Stellung auch manche ausgleichende Vortheile und erweist
sich am Ende sogar stärker als die eines Souveräns. Unter einer Voraus¬
setzung nämlich: ihr Mann muß seine eigene individuelle Existenz Voll¬
ständig in die seiner Frau aufgehen lassen, -- darf keine Macht für sich selbst
erstreben. -- muß allen Schein der Macht vermeiden, -- darf keine abgeson¬
derte Verantwortung vor dem Publicum übernehmen, sondern muh seine Stellung
ganz zu einem Theil der ihrigen machen, muß jede Lücke ausfüllen, die sie als
Frau in der Ausübung ihres königlichen Amtes läßt, muß beständig und sorg¬
sam jeden Theil der Staatsgeschäfte überwachen, damit er ihr rathen und bei¬
stehen kann zu jeder Zeit und in allen den mannigfachen und schwierigen Fragen
und Pflichten, mit denen sie bald in internationaler, bald in politischer, socialer
oder persönlicher Beziehung zu thun hat. Als das natürliche Haupt ihrer
Familie, als Vorstand ihres Hauses, als Leiter ihrer Privatangelegenheiten, als
einziger vertraulicher Rathgeber in der Politik und als ihr einziger Beistand
in d'en Beziehungen zu den Beamten der Regierung ist er außer Gemahl der
Königin auch noch der Vormund der königlichen Kinder, der Privatsecretär der
Souveränin und ihr permanenter Minister.


Der Herzog erwiderte, er sehe vollständig ein, daß meine Stellung als ein
Ganzes aufgefaßt werden müsse; er fühle, wie außerordentlich schwierig und
delicat sie sei, und er war freundlich genug hinzuzufügen, die Art und Weise,
wie ich sie bisher ausgefüllt, habe seine Billigung, und auch das Publicum
lasse ihr volle Gerechtigkeit widerfahren. Ich bat ihn. mir noch etwas Zeit
zur Ueberlegung zu lassen, da ich erst seinen Aufsatz studiren wolle; ich würde
ihm dann meine Entschließung schriftlich mittheilen.

Zwei Tage nachher schrieb der Prinz dem Herzog einen Brief, dem wir
Folgendes entnehmen:


„Mein lieber Herzog!

Die Königin und ich haben Ihren Vorschlag, die Stellen des General-
Adjutanten und des General-Quarticrmeisiers in die eines Chefs des Stabes
zu vereinigen und dabei die künftige Uebertragung des Oberbefehls auf mich in
Aussicht zu nehmen, gründlich erwogen----Die Frage, ob es räthlich ist, daß
ich den Befehl der Armee übernehme, habe ich auf das sorgfältigste geprüft und
bin zu dem Schluß gekommen, daß meine Entscheidung lediglich und ausschlie߬
lich durch die Erwägung geleitet sein muß, ob meine Stellung als Gemahl der
Königin und die Erfüllung der mir in dieser Stellung obliegenden Pflichten
dadurch gehemmt oder gefördert wird.

Diese Stellung ist eine höchst eigenthümliche und delikate. Während eine
Souveränin in sehr vieler Beziehung gegen einen Souverän im Nachtheil ist,
hat doch andrerseits, wenn sie verheirathet ist und ihr Mann seine Pflicht
kennt und thut, ihre Stellung auch manche ausgleichende Vortheile und erweist
sich am Ende sogar stärker als die eines Souveräns. Unter einer Voraus¬
setzung nämlich: ihr Mann muß seine eigene individuelle Existenz Voll¬
ständig in die seiner Frau aufgehen lassen, — darf keine Macht für sich selbst
erstreben. — muß allen Schein der Macht vermeiden, — darf keine abgeson¬
derte Verantwortung vor dem Publicum übernehmen, sondern muh seine Stellung
ganz zu einem Theil der ihrigen machen, muß jede Lücke ausfüllen, die sie als
Frau in der Ausübung ihres königlichen Amtes läßt, muß beständig und sorg¬
sam jeden Theil der Staatsgeschäfte überwachen, damit er ihr rathen und bei¬
stehen kann zu jeder Zeit und in allen den mannigfachen und schwierigen Fragen
und Pflichten, mit denen sie bald in internationaler, bald in politischer, socialer
oder persönlicher Beziehung zu thun hat. Als das natürliche Haupt ihrer
Familie, als Vorstand ihres Hauses, als Leiter ihrer Privatangelegenheiten, als
einziger vertraulicher Rathgeber in der Politik und als ihr einziger Beistand
in d'en Beziehungen zu den Beamten der Regierung ist er außer Gemahl der
Königin auch noch der Vormund der königlichen Kinder, der Privatsecretär der
Souveränin und ihr permanenter Minister.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0105" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188657"/>
          <p xml:id="ID_321" prev="#ID_320"> Der Herzog erwiderte, er sehe vollständig ein, daß meine Stellung als ein<lb/>
Ganzes aufgefaßt werden müsse; er fühle, wie außerordentlich schwierig und<lb/>
delicat sie sei, und er war freundlich genug hinzuzufügen, die Art und Weise,<lb/>
wie ich sie bisher ausgefüllt, habe seine Billigung, und auch das Publicum<lb/>
lasse ihr volle Gerechtigkeit widerfahren. Ich bat ihn. mir noch etwas Zeit<lb/>
zur Ueberlegung zu lassen, da ich erst seinen Aufsatz studiren wolle; ich würde<lb/>
ihm dann meine Entschließung schriftlich mittheilen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_322"> Zwei Tage nachher schrieb der Prinz dem Herzog einen Brief, dem wir<lb/>
Folgendes entnehmen:</p><lb/>
          <note type="salute"> &#x201E;Mein lieber Herzog!</note><lb/>
          <p xml:id="ID_323"> Die Königin und ich haben Ihren Vorschlag, die Stellen des General-<lb/>
Adjutanten und des General-Quarticrmeisiers in die eines Chefs des Stabes<lb/>
zu vereinigen und dabei die künftige Uebertragung des Oberbefehls auf mich in<lb/>
Aussicht zu nehmen, gründlich erwogen----Die Frage, ob es räthlich ist, daß<lb/>
ich den Befehl der Armee übernehme, habe ich auf das sorgfältigste geprüft und<lb/>
bin zu dem Schluß gekommen, daß meine Entscheidung lediglich und ausschlie߬<lb/>
lich durch die Erwägung geleitet sein muß, ob meine Stellung als Gemahl der<lb/>
Königin und die Erfüllung der mir in dieser Stellung obliegenden Pflichten<lb/>
dadurch gehemmt oder gefördert wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_324"> Diese Stellung ist eine höchst eigenthümliche und delikate.  Während eine<lb/>
Souveränin in sehr vieler Beziehung gegen einen Souverän im Nachtheil ist,<lb/>
hat doch andrerseits, wenn sie verheirathet ist und ihr Mann seine Pflicht<lb/>
kennt und thut, ihre Stellung auch manche ausgleichende Vortheile und erweist<lb/>
sich am Ende sogar stärker als die eines Souveräns. Unter einer Voraus¬<lb/>
setzung nämlich: ihr Mann muß seine eigene individuelle Existenz Voll¬<lb/>
ständig in die seiner Frau aufgehen lassen, &#x2014; darf keine Macht für sich selbst<lb/>
erstreben. &#x2014; muß allen Schein der Macht vermeiden, &#x2014; darf keine abgeson¬<lb/>
derte Verantwortung vor dem Publicum übernehmen, sondern muh seine Stellung<lb/>
ganz zu einem Theil der ihrigen machen, muß jede Lücke ausfüllen, die sie als<lb/>
Frau in der Ausübung ihres königlichen Amtes läßt, muß beständig und sorg¬<lb/>
sam jeden Theil der Staatsgeschäfte überwachen, damit er ihr rathen und bei¬<lb/>
stehen kann zu jeder Zeit und in allen den mannigfachen und schwierigen Fragen<lb/>
und Pflichten, mit denen sie bald in internationaler, bald in politischer, socialer<lb/>
oder persönlicher Beziehung zu thun hat.  Als das natürliche Haupt ihrer<lb/>
Familie, als Vorstand ihres Hauses, als Leiter ihrer Privatangelegenheiten, als<lb/>
einziger vertraulicher Rathgeber in der Politik und als ihr einziger Beistand<lb/>
in d'en Beziehungen zu den Beamten der Regierung ist er außer Gemahl der<lb/>
Königin auch noch der Vormund der königlichen Kinder, der Privatsecretär der<lb/>
Souveränin und ihr permanenter Minister.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0105] Der Herzog erwiderte, er sehe vollständig ein, daß meine Stellung als ein Ganzes aufgefaßt werden müsse; er fühle, wie außerordentlich schwierig und delicat sie sei, und er war freundlich genug hinzuzufügen, die Art und Weise, wie ich sie bisher ausgefüllt, habe seine Billigung, und auch das Publicum lasse ihr volle Gerechtigkeit widerfahren. Ich bat ihn. mir noch etwas Zeit zur Ueberlegung zu lassen, da ich erst seinen Aufsatz studiren wolle; ich würde ihm dann meine Entschließung schriftlich mittheilen. Zwei Tage nachher schrieb der Prinz dem Herzog einen Brief, dem wir Folgendes entnehmen: „Mein lieber Herzog! Die Königin und ich haben Ihren Vorschlag, die Stellen des General- Adjutanten und des General-Quarticrmeisiers in die eines Chefs des Stabes zu vereinigen und dabei die künftige Uebertragung des Oberbefehls auf mich in Aussicht zu nehmen, gründlich erwogen----Die Frage, ob es räthlich ist, daß ich den Befehl der Armee übernehme, habe ich auf das sorgfältigste geprüft und bin zu dem Schluß gekommen, daß meine Entscheidung lediglich und ausschlie߬ lich durch die Erwägung geleitet sein muß, ob meine Stellung als Gemahl der Königin und die Erfüllung der mir in dieser Stellung obliegenden Pflichten dadurch gehemmt oder gefördert wird. Diese Stellung ist eine höchst eigenthümliche und delikate. Während eine Souveränin in sehr vieler Beziehung gegen einen Souverän im Nachtheil ist, hat doch andrerseits, wenn sie verheirathet ist und ihr Mann seine Pflicht kennt und thut, ihre Stellung auch manche ausgleichende Vortheile und erweist sich am Ende sogar stärker als die eines Souveräns. Unter einer Voraus¬ setzung nämlich: ihr Mann muß seine eigene individuelle Existenz Voll¬ ständig in die seiner Frau aufgehen lassen, — darf keine Macht für sich selbst erstreben. — muß allen Schein der Macht vermeiden, — darf keine abgeson¬ derte Verantwortung vor dem Publicum übernehmen, sondern muh seine Stellung ganz zu einem Theil der ihrigen machen, muß jede Lücke ausfüllen, die sie als Frau in der Ausübung ihres königlichen Amtes läßt, muß beständig und sorg¬ sam jeden Theil der Staatsgeschäfte überwachen, damit er ihr rathen und bei¬ stehen kann zu jeder Zeit und in allen den mannigfachen und schwierigen Fragen und Pflichten, mit denen sie bald in internationaler, bald in politischer, socialer oder persönlicher Beziehung zu thun hat. Als das natürliche Haupt ihrer Familie, als Vorstand ihres Hauses, als Leiter ihrer Privatangelegenheiten, als einziger vertraulicher Rathgeber in der Politik und als ihr einziger Beistand in d'en Beziehungen zu den Beamten der Regierung ist er außer Gemahl der Königin auch noch der Vormund der königlichen Kinder, der Privatsecretär der Souveränin und ihr permanenter Minister.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/105
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/105>, abgerufen am 25.08.2024.