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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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fachen Pflichten ihres Amtes zu erfüllen. Zudem habe sie nicht, wie frühere
Fürsten, einen Pnvatsecretär, der für sie arbeite. Der Einzige, der ihr bei der
vielseitigen Arbeit, die ein Herrscher von England zu thun habe, helfe und
helfen könne, sei ich selbst. Es würde mir sehr leid thun, eine Pflicht zu über¬
nehmen, die meine Zeit und Thätigkeit so ganz für ein einziges Departement
erfordere, daß es der Unterstützung Eintrag thäte, die ich un Allgemeinen der
Königin leiste ... Die Königin fügte hinzu, ich arbeitete jetzt schon mehr,
als ihr lieb sei und als nach ihrer Ueberzeugung meine Gesundheit vertrage;
ich gab das nicht zu und erwiderte, im Gegentheil müßten sich die Geschäfte
mit her Zeit vermehren, wenn die Pflichten der Krone gegen das Land voll¬
ständig erfüllt werden sollten, aber es liege mir sehr am Herzen, daß ihr nicht
mehr Arbeit zufalle, als unvermeidlich sei.

Der Herzog schien von meinen Gründen betroffen, und sagte, er habe sie
zwar nicht übersehen, aber ihnen vielleicht nicht das gebührende Gewicht bei¬
gelegt, und er wolle noch weiter darüber nachdenken.

Endlich kamen wir überein, eine befriedigende Lösung dieser Frage sei nur
möglich, wenn wir genau wüßten, welche Pflichten ich zu erfüllen haben würde,
und die Königin beauftragte den Herzog, die nähern Details sowie seine Gründe
schriftlich aufzusetzen, so daß wir darauf unsere Entscheidung gründen könnten.
Der Herzog versprach dies.

Schloß Windsor, 6. April 185V.

Nach reiflichem Nachdenken über den Vorschlag des Herzogs besuchte ich
ihn gestern Morgen auf seinem Zimmer; er hatte seinen Aufsatz fertig und
übergab ihn mir. Nachdem ich ihn gelesen, sagte ich dem Herzog, ich müsse
meine Stellung als ein Ganzes auffassen, und zwar als die des Gemahls und
vertraulichen Rathgebers und Beistandes einer Souveränin. Ihr Wohl und
Interesse müsse Voranstehen, alle andern Erwägungen müßten sich darauf be¬
ziehen und sich unterordnen. Die Frage sei also einfach, ob ich dieser Stellung
-- meinen politischen, socialen und moralischen Verpflichtungen -- nach allen
Seiten gleichmäßig gerecht werden könnte, wenn ich mich ganz einem besondern
Gebiete widmete, so wichtig dies auch sein möge, und ich fürchtete, die Folge
der Uebernahme des Obercommandos würde die sein, daß ich es nicht konnte.
Es sei ganz richtig und natürlich, daß die Eigenschaft der Königin als Frau
ihr Verhältniß zum Heere abschwäche und daß mir die Pflicht obliege, diesen
Mangel zu ergänzen; auch würde diese Pflicht noch dringender, wenn der Schutz,
den, der Herzog der Krone gewähre, unglücklicherweise einmal fehlen sollte.
Aber ich zweifelte doch, ob sich nicht dasselbe erreichen ließe, ohne daß ich für
den Oberbefehl der Armee besonders verantwortlich würde. Es gebe jetzt keinen
Zweig der Staatsgeschäfte, wo ich nicht die Königin unterstützte u. s. w. . .


fachen Pflichten ihres Amtes zu erfüllen. Zudem habe sie nicht, wie frühere
Fürsten, einen Pnvatsecretär, der für sie arbeite. Der Einzige, der ihr bei der
vielseitigen Arbeit, die ein Herrscher von England zu thun habe, helfe und
helfen könne, sei ich selbst. Es würde mir sehr leid thun, eine Pflicht zu über¬
nehmen, die meine Zeit und Thätigkeit so ganz für ein einziges Departement
erfordere, daß es der Unterstützung Eintrag thäte, die ich un Allgemeinen der
Königin leiste ... Die Königin fügte hinzu, ich arbeitete jetzt schon mehr,
als ihr lieb sei und als nach ihrer Ueberzeugung meine Gesundheit vertrage;
ich gab das nicht zu und erwiderte, im Gegentheil müßten sich die Geschäfte
mit her Zeit vermehren, wenn die Pflichten der Krone gegen das Land voll¬
ständig erfüllt werden sollten, aber es liege mir sehr am Herzen, daß ihr nicht
mehr Arbeit zufalle, als unvermeidlich sei.

Der Herzog schien von meinen Gründen betroffen, und sagte, er habe sie
zwar nicht übersehen, aber ihnen vielleicht nicht das gebührende Gewicht bei¬
gelegt, und er wolle noch weiter darüber nachdenken.

Endlich kamen wir überein, eine befriedigende Lösung dieser Frage sei nur
möglich, wenn wir genau wüßten, welche Pflichten ich zu erfüllen haben würde,
und die Königin beauftragte den Herzog, die nähern Details sowie seine Gründe
schriftlich aufzusetzen, so daß wir darauf unsere Entscheidung gründen könnten.
Der Herzog versprach dies.

Schloß Windsor, 6. April 185V.

Nach reiflichem Nachdenken über den Vorschlag des Herzogs besuchte ich
ihn gestern Morgen auf seinem Zimmer; er hatte seinen Aufsatz fertig und
übergab ihn mir. Nachdem ich ihn gelesen, sagte ich dem Herzog, ich müsse
meine Stellung als ein Ganzes auffassen, und zwar als die des Gemahls und
vertraulichen Rathgebers und Beistandes einer Souveränin. Ihr Wohl und
Interesse müsse Voranstehen, alle andern Erwägungen müßten sich darauf be¬
ziehen und sich unterordnen. Die Frage sei also einfach, ob ich dieser Stellung
— meinen politischen, socialen und moralischen Verpflichtungen — nach allen
Seiten gleichmäßig gerecht werden könnte, wenn ich mich ganz einem besondern
Gebiete widmete, so wichtig dies auch sein möge, und ich fürchtete, die Folge
der Uebernahme des Obercommandos würde die sein, daß ich es nicht konnte.
Es sei ganz richtig und natürlich, daß die Eigenschaft der Königin als Frau
ihr Verhältniß zum Heere abschwäche und daß mir die Pflicht obliege, diesen
Mangel zu ergänzen; auch würde diese Pflicht noch dringender, wenn der Schutz,
den, der Herzog der Krone gewähre, unglücklicherweise einmal fehlen sollte.
Aber ich zweifelte doch, ob sich nicht dasselbe erreichen ließe, ohne daß ich für
den Oberbefehl der Armee besonders verantwortlich würde. Es gebe jetzt keinen
Zweig der Staatsgeschäfte, wo ich nicht die Königin unterstützte u. s. w. . .


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[0104] fachen Pflichten ihres Amtes zu erfüllen. Zudem habe sie nicht, wie frühere Fürsten, einen Pnvatsecretär, der für sie arbeite. Der Einzige, der ihr bei der vielseitigen Arbeit, die ein Herrscher von England zu thun habe, helfe und helfen könne, sei ich selbst. Es würde mir sehr leid thun, eine Pflicht zu über¬ nehmen, die meine Zeit und Thätigkeit so ganz für ein einziges Departement erfordere, daß es der Unterstützung Eintrag thäte, die ich un Allgemeinen der Königin leiste ... Die Königin fügte hinzu, ich arbeitete jetzt schon mehr, als ihr lieb sei und als nach ihrer Ueberzeugung meine Gesundheit vertrage; ich gab das nicht zu und erwiderte, im Gegentheil müßten sich die Geschäfte mit her Zeit vermehren, wenn die Pflichten der Krone gegen das Land voll¬ ständig erfüllt werden sollten, aber es liege mir sehr am Herzen, daß ihr nicht mehr Arbeit zufalle, als unvermeidlich sei. Der Herzog schien von meinen Gründen betroffen, und sagte, er habe sie zwar nicht übersehen, aber ihnen vielleicht nicht das gebührende Gewicht bei¬ gelegt, und er wolle noch weiter darüber nachdenken. Endlich kamen wir überein, eine befriedigende Lösung dieser Frage sei nur möglich, wenn wir genau wüßten, welche Pflichten ich zu erfüllen haben würde, und die Königin beauftragte den Herzog, die nähern Details sowie seine Gründe schriftlich aufzusetzen, so daß wir darauf unsere Entscheidung gründen könnten. Der Herzog versprach dies. Schloß Windsor, 6. April 185V. Nach reiflichem Nachdenken über den Vorschlag des Herzogs besuchte ich ihn gestern Morgen auf seinem Zimmer; er hatte seinen Aufsatz fertig und übergab ihn mir. Nachdem ich ihn gelesen, sagte ich dem Herzog, ich müsse meine Stellung als ein Ganzes auffassen, und zwar als die des Gemahls und vertraulichen Rathgebers und Beistandes einer Souveränin. Ihr Wohl und Interesse müsse Voranstehen, alle andern Erwägungen müßten sich darauf be¬ ziehen und sich unterordnen. Die Frage sei also einfach, ob ich dieser Stellung — meinen politischen, socialen und moralischen Verpflichtungen — nach allen Seiten gleichmäßig gerecht werden könnte, wenn ich mich ganz einem besondern Gebiete widmete, so wichtig dies auch sein möge, und ich fürchtete, die Folge der Uebernahme des Obercommandos würde die sein, daß ich es nicht konnte. Es sei ganz richtig und natürlich, daß die Eigenschaft der Königin als Frau ihr Verhältniß zum Heere abschwäche und daß mir die Pflicht obliege, diesen Mangel zu ergänzen; auch würde diese Pflicht noch dringender, wenn der Schutz, den, der Herzog der Krone gewähre, unglücklicherweise einmal fehlen sollte. Aber ich zweifelte doch, ob sich nicht dasselbe erreichen ließe, ohne daß ich für den Oberbefehl der Armee besonders verantwortlich würde. Es gebe jetzt keinen Zweig der Staatsgeschäfte, wo ich nicht die Königin unterstützte u. s. w. . .

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/104>, abgerufen am 23.07.2024.