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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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er's immer gewünscht habe, und wie er's auch jetzt noch für das Beste halte,
nämlich so, daß ich den Oberbefehl über die Armee übernähme.

Er sei überzeugt, ohne einen solchen Chef des Stabes, der vor dem Lande
verantwortlich wäre und die amtlichen Beziehungen zu den andern Departements
der Regierung vermittelte, würde mir das nicht möglich sein. Für diesen Fall
sei er bereit, die Sache schon jetzt in Gang zu bringen, und für den Erfolg
wolle er einstehen. . . .

Ich antwortete dem Herzog, ich würde mich nur sehr schwer entschließen
können, eine so große Verantwortung zu übernehmen. -- ich sei nicht sicher,
ob ich dazu passe, da mir militärische Erfahrungen fehlten u. s. w. (worauf
der Herzog erwiderte, mit gutem rechtschaffenen Willen lasse sich viel leisten,
und in dieser Beziehung sei ihm nicht bange) --, ferner hätte ich Bedenken,
ob sich diese Stellung mit meinen andern Pflichten vertrüge; ich übernähme
nicht gern etwas, was ich nicht durchführen könnte, und ich wisse doch noch
nicht, wie viel Zeit und Arbeit die neue Stellung erfordere.

Der Herzog antwortete: gewiß würde sie sowohl,viel Zeit als Arbeit er¬
fordern, weil ohne mein Wissen und Willen nichts geschehen könne, aber das
Detail würde der Chef des Stabes besorgen. Er habe sich das gründlich über¬
legt, und die Sache solle schon gehen. ... Er habe immer den Grundsatz ver¬
theidigt, daß der Souverain den Oberbefehl über die Armee führe, und um die
jetzige Praxis mit dieser Theorie in Einklang zu bringen, habe er über jeden
Punkt gewissenhaft den Befehl der Königin eingeholt, ehe er an die Aus¬
führung ging. Wenn er aber nicht mehr da sei. dann sähe er kein sicheres
Mittel, als daß ich selbst das Kommando übernähme und so den Mangel einer
konstitutionellen Ausführung der Theorie ergänze, der daraus hervorgehe, daß
jetzt eine Frau die Krone trage. Streng constitutionell würde ich allerdings
für meine Handlungen verantwortlich sein, aber vor dem großen Publicum
würde der Chef des Stabes die Verantwortung tragen, und für diese Stelle
müsse man jemand wählen, der in der Armee den größten Namen und das
größte Gewicht habe. Er wiederholte, er halte diese Einrichtung für die beste,
und würde sie sofort ins Leben führen, so gut er könne. . . . Ich bat ihn,
mir Zeit zur Ueberlegung zu lassen.

Am Abend gab die Königin dem Herzog von Wellington in meiner Gegen¬
wart Audienz. Der Herzog begann damit, er wünsche dringend, der Königin
seine Herzensmeinung zu sagen -- gleichsam laut zu denken; dann wieder-
holte er, was er mir am Morgen gesagt hatte, und wir besprachen die Sache
weiter. Ich bemerkte, manche Punkte bedürften noch der Erwägung ... Der
Vorschlag sei so lockend für einen jungen Mann, daß ich mich verpflichtet fühlte,
alle Einwendungen auf das gründlichste zu prüfen, damit ich endlich das Rechte
träfe ... Die Königin sei als Frau nicht immer im Stande, die mannig.


er's immer gewünscht habe, und wie er's auch jetzt noch für das Beste halte,
nämlich so, daß ich den Oberbefehl über die Armee übernähme.

Er sei überzeugt, ohne einen solchen Chef des Stabes, der vor dem Lande
verantwortlich wäre und die amtlichen Beziehungen zu den andern Departements
der Regierung vermittelte, würde mir das nicht möglich sein. Für diesen Fall
sei er bereit, die Sache schon jetzt in Gang zu bringen, und für den Erfolg
wolle er einstehen. . . .

Ich antwortete dem Herzog, ich würde mich nur sehr schwer entschließen
können, eine so große Verantwortung zu übernehmen. — ich sei nicht sicher,
ob ich dazu passe, da mir militärische Erfahrungen fehlten u. s. w. (worauf
der Herzog erwiderte, mit gutem rechtschaffenen Willen lasse sich viel leisten,
und in dieser Beziehung sei ihm nicht bange) —, ferner hätte ich Bedenken,
ob sich diese Stellung mit meinen andern Pflichten vertrüge; ich übernähme
nicht gern etwas, was ich nicht durchführen könnte, und ich wisse doch noch
nicht, wie viel Zeit und Arbeit die neue Stellung erfordere.

Der Herzog antwortete: gewiß würde sie sowohl,viel Zeit als Arbeit er¬
fordern, weil ohne mein Wissen und Willen nichts geschehen könne, aber das
Detail würde der Chef des Stabes besorgen. Er habe sich das gründlich über¬
legt, und die Sache solle schon gehen. ... Er habe immer den Grundsatz ver¬
theidigt, daß der Souverain den Oberbefehl über die Armee führe, und um die
jetzige Praxis mit dieser Theorie in Einklang zu bringen, habe er über jeden
Punkt gewissenhaft den Befehl der Königin eingeholt, ehe er an die Aus¬
führung ging. Wenn er aber nicht mehr da sei. dann sähe er kein sicheres
Mittel, als daß ich selbst das Kommando übernähme und so den Mangel einer
konstitutionellen Ausführung der Theorie ergänze, der daraus hervorgehe, daß
jetzt eine Frau die Krone trage. Streng constitutionell würde ich allerdings
für meine Handlungen verantwortlich sein, aber vor dem großen Publicum
würde der Chef des Stabes die Verantwortung tragen, und für diese Stelle
müsse man jemand wählen, der in der Armee den größten Namen und das
größte Gewicht habe. Er wiederholte, er halte diese Einrichtung für die beste,
und würde sie sofort ins Leben führen, so gut er könne. . . . Ich bat ihn,
mir Zeit zur Ueberlegung zu lassen.

Am Abend gab die Königin dem Herzog von Wellington in meiner Gegen¬
wart Audienz. Der Herzog begann damit, er wünsche dringend, der Königin
seine Herzensmeinung zu sagen — gleichsam laut zu denken; dann wieder-
holte er, was er mir am Morgen gesagt hatte, und wir besprachen die Sache
weiter. Ich bemerkte, manche Punkte bedürften noch der Erwägung ... Der
Vorschlag sei so lockend für einen jungen Mann, daß ich mich verpflichtet fühlte,
alle Einwendungen auf das gründlichste zu prüfen, damit ich endlich das Rechte
träfe ... Die Königin sei als Frau nicht immer im Stande, die mannig.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/103>, abgerufen am 23.07.2024.