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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Unsere Burschen kamen herauf und verkündeten uns: es sei die russische
Gardccavallerie unter dem General v. Diebitsch, die uns befreit habe. Vor
allen Dingen wurden nun unsere Leute beauftragt, uns ein Frühstück zu ver-
schaffen, welches unter Leitung des erfahrenen Burschen des Lieutenant Metzig,
der etwas französisch sprach, bei den Ocstreicheui gedient hatte und schon früher
bei den Franzosen Gefangener gewesen war, bald herbeigeholt wurde. Sie
brachten uns Brod, Käse und Wein; ich befahl meinem Burschen, mir ein
paar Schuhe nebst Gamaschen zu besorgen, die ich denn ^und bald erhielt, da
diese Fußbekleidung damals von den Franzosen häufig getragen wurde. So
ging ich denn, obgleich ich die Schuhe der wunden Fersen halber nicht anziehen
konnte, sondern hinten niedertreten mußte, so daß sie nur durch die sehr gut
passenden Gamaschen an den Füßen festgehalten wurden, hinunter auf die
Straße.

Kaum war ich aus der Thür, so wurde ich bei meinem Namen gerufen.
Ich sah mich verwundert lange um, konnte aber den Rufer nicht entdecken, bis
Ich ihn in einem großen gegenüberstehenden Hause aus dem Fenster lehnen
sah. Es war der Lieutenant v. Merkatz vom Regiment, Adjutant beim zweiten
Bataillon, der fragte mich ganz verwundert, was denn los wäre? "Nun."
antwortete ich, "wir waren gefangen und sind nun frei, wo kommst Du denn
her?" -- "Ich bin auch Gefangener gewesen. In der Nacht wurde ich von
den Truppen, die mich gefangen nahmen, bis hierher mitgenommen, wo ich
auf besondere Empfehlung des französischen Bataillonscommandeurs bei dem
hiesigen Maire einquartirt wurde. Ich habe hier vortrefflich geschlafen und
bin erst jetzt durch den Spektakel aufgeweckt worden. Ich werde gleich zu Dir
hinunterkommen." ,

Die ganze russische Gcndecavallerie hatte Halt gemacht und lagerte vor
der Stadt. Wir gingen zum General v. Diebitsch, um uns zu melden und
uns zu erkundigen, wohin wir uns dirigiren sollten, um wieder zur Armee zu
kommen? Er sagte uns, er ginge nach Mery, dort sei auch unser Hauptquar¬
tier. Ich bat den General uns mitzunehmen, was er rund abschlug, da wir
nicht mit ihm marschiren könnten und er keine Pferde für uns habe. Mcrkatz
trennte sich von mir und muß es möglich gemacht haben, vorwärts zu kommen.
Ich mit meinen kranken Füßen konnte leider nicht daran denken und ging
nach Montmirail zurück, um mit den älteren Kameraden zu überlegen, wie
wir zu Transportmitteln gelangen könnten. Nach einigem Nachfragen erhielten
wir wirklich zwei große Karren, auf denen wir, sieben an der Zahl, worunter
ein Hauptmann v. Schachtmeier, uns so gut als möglich zu placiren suchten;
unsere Burschen gingen zu Fuß. Wir dirigirten uns auf Mery, konnten den
Ort aber nicht erreichen; die Gegend war wegen einzelner französischer Detache-
ments unsicher, und da den Einwohnern auch nicht zu trauen war, so beschlossen


Unsere Burschen kamen herauf und verkündeten uns: es sei die russische
Gardccavallerie unter dem General v. Diebitsch, die uns befreit habe. Vor
allen Dingen wurden nun unsere Leute beauftragt, uns ein Frühstück zu ver-
schaffen, welches unter Leitung des erfahrenen Burschen des Lieutenant Metzig,
der etwas französisch sprach, bei den Ocstreicheui gedient hatte und schon früher
bei den Franzosen Gefangener gewesen war, bald herbeigeholt wurde. Sie
brachten uns Brod, Käse und Wein; ich befahl meinem Burschen, mir ein
paar Schuhe nebst Gamaschen zu besorgen, die ich denn ^und bald erhielt, da
diese Fußbekleidung damals von den Franzosen häufig getragen wurde. So
ging ich denn, obgleich ich die Schuhe der wunden Fersen halber nicht anziehen
konnte, sondern hinten niedertreten mußte, so daß sie nur durch die sehr gut
passenden Gamaschen an den Füßen festgehalten wurden, hinunter auf die
Straße.

Kaum war ich aus der Thür, so wurde ich bei meinem Namen gerufen.
Ich sah mich verwundert lange um, konnte aber den Rufer nicht entdecken, bis
Ich ihn in einem großen gegenüberstehenden Hause aus dem Fenster lehnen
sah. Es war der Lieutenant v. Merkatz vom Regiment, Adjutant beim zweiten
Bataillon, der fragte mich ganz verwundert, was denn los wäre? „Nun."
antwortete ich, „wir waren gefangen und sind nun frei, wo kommst Du denn
her?" — „Ich bin auch Gefangener gewesen. In der Nacht wurde ich von
den Truppen, die mich gefangen nahmen, bis hierher mitgenommen, wo ich
auf besondere Empfehlung des französischen Bataillonscommandeurs bei dem
hiesigen Maire einquartirt wurde. Ich habe hier vortrefflich geschlafen und
bin erst jetzt durch den Spektakel aufgeweckt worden. Ich werde gleich zu Dir
hinunterkommen." ,

Die ganze russische Gcndecavallerie hatte Halt gemacht und lagerte vor
der Stadt. Wir gingen zum General v. Diebitsch, um uns zu melden und
uns zu erkundigen, wohin wir uns dirigiren sollten, um wieder zur Armee zu
kommen? Er sagte uns, er ginge nach Mery, dort sei auch unser Hauptquar¬
tier. Ich bat den General uns mitzunehmen, was er rund abschlug, da wir
nicht mit ihm marschiren könnten und er keine Pferde für uns habe. Mcrkatz
trennte sich von mir und muß es möglich gemacht haben, vorwärts zu kommen.
Ich mit meinen kranken Füßen konnte leider nicht daran denken und ging
nach Montmirail zurück, um mit den älteren Kameraden zu überlegen, wie
wir zu Transportmitteln gelangen könnten. Nach einigem Nachfragen erhielten
wir wirklich zwei große Karren, auf denen wir, sieben an der Zahl, worunter
ein Hauptmann v. Schachtmeier, uns so gut als möglich zu placiren suchten;
unsere Burschen gingen zu Fuß. Wir dirigirten uns auf Mery, konnten den
Ort aber nicht erreichen; die Gegend war wegen einzelner französischer Detache-
ments unsicher, und da den Einwohnern auch nicht zu trauen war, so beschlossen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/66>, abgerufen am 24.07.2024.