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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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und Kaiser Friedrich im rothen Haar: "das waren drei Herren, die konnten
die Welt Verkehren".

Aber in der Zusammenstellung des Namen Barbarossas und des Weisen
Heinrich tritt auch die ganze klägliche Geschichte der Wendung vor unsre Seele,
welche jener stolzen Höhe jähen Sturz bedeutet. Vom Hasse der päpstlichen
Politik angerührt verkehrte sich alles, was die Rechtfertigung seiner Existenz
vor der Idee des hohenstaufischen Kaisertumes hergeleitet hatte, in sein Zerr¬
bild. Der entsittlichende Egoismus der römischen Kirche lockerte alle Fugen die¬
ses Staatsgebäudes; seiner mörderischen Kritik erlag das hehre Gebild gerade
wegen seiner idealistischen Begründung nur um so sicherer. Aber der heillosen
Anarchie gegenüber, die seit den Anfängen Kaiser Friedrichs des Zweiten die
alte Neichsheimath unaufhaltsam zerrüttete, hat Brandenburg- den Segen erkannt,
welchen die Eigenthümlichkeit seines Verhältnisses zum Reiche mit sich brachte.
Dieses nämlich war ein nur persönliches. Der Markgraf war zugleich Kurfürst
und führte als solcher seine gewichtige Stimme im Reich, aber in seinen Ge¬
bieten war er Landesherr im vollen Sinne; in seine obrigkeitliche Gewalt griff
keinerlei Autorität von oben her ein. Kaiser und Reich hatten weder Besitz
noch unmittelbaren Einfluß in der Markgrafschaft, sie war frei von kaiserlichen
Pfalzen, Domänen, Vorbehalten; und andrerseits hatten ihre Angehörigen
keinerlei ständischen Anspruch im Reiche. Dieser Ausnahmezustand erklärt sich
aus dem Umstände, daß das Gebiet als erobertes Feindesland angesehen wurde.
Und daraus ergab sich selbstverständlich ein zweites Moment: das militärische
Interesse mußte hier mehr als irgendwo zur Norm der innern politischen wie
der wirthschaftlichen Verhältnisse erhoben werden. Diese einfache Nothwendig¬
keit brachte es mit sich, daß alle Abhängigkeitsbeziehungen sich überwiegend in
Pflichten der Heerfolge umsetzten, ein Tausch, der im Allgemeinen nur förderlich
erscheinen konnte in einer Zeit, in welcher Ritterlichkeit und Felddienst über¬
haupt so hoch in Ehren standen. Und er brachte noch andern Vortheil. Da
die militärische Leistung zum vornehmsten Berufe der Ministerialen geworden
war, siel die Vererbung der Hofleben und Verwaltungsämter auf diese von
selbst hinweg und es kommt statt dessen in Uebung, solche Aemter auf Zeit
und gegen festgesetzte Einkünfte an auserwählte militärische Dienstmannen zu
vergeben.

Diese außerordentlichen Vorzüge in Rücksicht auf die Hoheitsstellung und
die Verwaltungsart schützten die Marken vor dem Schicksale, in den Verfall
des Mutterlandes mit verwickelt zu werden. "Hier im Nordosten, in den neuen
Landen und nur hier blieb man noch in dem Gefühl gesunder Kraft und fröh¬
lichen Vorwärtsschreitens." In den Tagen der kaiserlosen, der schrecklichen Zeit,
die über das alte Reich gekommen war, sah diese neue Gründung, einträchtig
gefördert durch weise und kraftvolle Fürsten, ihre erste Blüthe. In fördernder


und Kaiser Friedrich im rothen Haar: „das waren drei Herren, die konnten
die Welt Verkehren".

Aber in der Zusammenstellung des Namen Barbarossas und des Weisen
Heinrich tritt auch die ganze klägliche Geschichte der Wendung vor unsre Seele,
welche jener stolzen Höhe jähen Sturz bedeutet. Vom Hasse der päpstlichen
Politik angerührt verkehrte sich alles, was die Rechtfertigung seiner Existenz
vor der Idee des hohenstaufischen Kaisertumes hergeleitet hatte, in sein Zerr¬
bild. Der entsittlichende Egoismus der römischen Kirche lockerte alle Fugen die¬
ses Staatsgebäudes; seiner mörderischen Kritik erlag das hehre Gebild gerade
wegen seiner idealistischen Begründung nur um so sicherer. Aber der heillosen
Anarchie gegenüber, die seit den Anfängen Kaiser Friedrichs des Zweiten die
alte Neichsheimath unaufhaltsam zerrüttete, hat Brandenburg- den Segen erkannt,
welchen die Eigenthümlichkeit seines Verhältnisses zum Reiche mit sich brachte.
Dieses nämlich war ein nur persönliches. Der Markgraf war zugleich Kurfürst
und führte als solcher seine gewichtige Stimme im Reich, aber in seinen Ge¬
bieten war er Landesherr im vollen Sinne; in seine obrigkeitliche Gewalt griff
keinerlei Autorität von oben her ein. Kaiser und Reich hatten weder Besitz
noch unmittelbaren Einfluß in der Markgrafschaft, sie war frei von kaiserlichen
Pfalzen, Domänen, Vorbehalten; und andrerseits hatten ihre Angehörigen
keinerlei ständischen Anspruch im Reiche. Dieser Ausnahmezustand erklärt sich
aus dem Umstände, daß das Gebiet als erobertes Feindesland angesehen wurde.
Und daraus ergab sich selbstverständlich ein zweites Moment: das militärische
Interesse mußte hier mehr als irgendwo zur Norm der innern politischen wie
der wirthschaftlichen Verhältnisse erhoben werden. Diese einfache Nothwendig¬
keit brachte es mit sich, daß alle Abhängigkeitsbeziehungen sich überwiegend in
Pflichten der Heerfolge umsetzten, ein Tausch, der im Allgemeinen nur förderlich
erscheinen konnte in einer Zeit, in welcher Ritterlichkeit und Felddienst über¬
haupt so hoch in Ehren standen. Und er brachte noch andern Vortheil. Da
die militärische Leistung zum vornehmsten Berufe der Ministerialen geworden
war, siel die Vererbung der Hofleben und Verwaltungsämter auf diese von
selbst hinweg und es kommt statt dessen in Uebung, solche Aemter auf Zeit
und gegen festgesetzte Einkünfte an auserwählte militärische Dienstmannen zu
vergeben.

Diese außerordentlichen Vorzüge in Rücksicht auf die Hoheitsstellung und
die Verwaltungsart schützten die Marken vor dem Schicksale, in den Verfall
des Mutterlandes mit verwickelt zu werden. „Hier im Nordosten, in den neuen
Landen und nur hier blieb man noch in dem Gefühl gesunder Kraft und fröh¬
lichen Vorwärtsschreitens." In den Tagen der kaiserlosen, der schrecklichen Zeit,
die über das alte Reich gekommen war, sah diese neue Gründung, einträchtig
gefördert durch weise und kraftvolle Fürsten, ihre erste Blüthe. In fördernder


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/518>, abgerufen am 24.07.2024.