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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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den ein Rebell gegen Dänemark, jeder dänisch Gesinnte aus den Inseln und dem
Festlande, vom König bis zum aufgedrungenen Seelsorger und Schulmeister des
kleinsten schleswigschen Kirchdorff ist nach Auffassung der Deutschen ein tödtlicher
Feind der Rechte, der Freiheiten, der Nationalität in den Herzogthümern. Wie soll
ein Zusammenleben unter dem Danebrog fernerhin möglich sein? wie kann den
Deutschen zugemuthet werden, einem König von Dänemark als ihrem Herzog zu
huldigen, den sie nicht nur als Feind hassen, auch als Verräther an seiner Natio¬
nalität verachten? wie ist von einer dänischen Regierung die Selbstverläugnung zu
fordern, deutsche Staatsangehörige, welche ihre grimmigsten persönlichen Feinde sind,
nicht mit Gerechtigkeit, sondern mit dem Wohlwollen zu behandeln, welches eine Re¬
gierung den Bürgern ihres Staates schuldig ist? Wird man deutsche Rekruten vor
dem dänischen Heer, deutsche Matrosen vor der dänischen Flotte schützen können?
Kann man erwarten, daß Dänemark einen Zustand erträgt, der ihm zwei Fünftheile
seiner Wehr- und Steucrkraft lahm legt, und was schlimmer ist, der den Staat
unter die unablässige Controle, entweder eines deutschen Bundes, oder deutscher
Großmächte stellt? Und wie kann man hoffen, daß die auswärtigen Mächte solche
Paralysirung eines Reiches dulden werden, welches ihnen durch seine Unschädlichkeit
besonders werthvoll gemacht ist. Es ist traurig, daß man auf diese Frage in Berlin
keine andere Antwort hat, als ein Achselzucken,

Unterdeß kostet der Krieg in Schleswig Geld, Wahrscheinlich wird mau nach
früheren Andeutungen des Ministerpräsidenten kein Bedenken haben sich im Augenblick
zu helfen wie man kann. Indeß auf die Länge wird das unmöglich, auch der
Staatsschatz ist uicht unerschöpflich, und eine freiwillige Anleihe bei den politischen
Freunden des Ministeriums wird schwerlich viel mehr einbringen als die freiwillige
Anleihe der Schleswig-holsteinischen Regierung. Das ist der Punkt, der sich bald
als der entscheidende für das Ministerium Bismarck und die innern Kämpfe Preußens
erweisen wird. Und wir meinen, die Zukunft der Herzogthümer hängt nicht nur
von der Festigkeit des Schleswig-holstcinisthcn Volkes ab, sondern auch von der Art
und Weise, wie die preußischen Volksvertreter die Schnüre des Staatsscckels halten
werden. Und wenn sie so hartnäckig sind, diesem Ministerium" nichts zu be¬
willigen? --

Es ist leider wahrscheinlich, daß das Bestreben des Ministeriums durch einen
auswärtigen Conflict über den innern hinwegzukommen, sür Preußen und Deutsch¬
land der Anfang schwerer und langwieriger Verwickelungen mit dem Auslande werde.
In jedem Falle ist die Zeit nicht fern, wo zu Berlin noch einmal in den Bahnen
der Verfassung Ministerium und Volksvertreter zusammenstoßen. - Und wir meinen,
der bürgerliche Materialismus unseres Zeitalters wird sich auch darin erweisen, daß
die Fragen über die Zukunft der Herzogthümer, über die Zukunft des preußischen
Ministeriums, und noch über manches Andere zuletzt in einer großen Frage über
Credit Und Debet zusammen gefaßt werden.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch.
Verlag on' F. L, Hcrbig. -- Druck von C. E. ttlbert in Leipzig,

den ein Rebell gegen Dänemark, jeder dänisch Gesinnte aus den Inseln und dem
Festlande, vom König bis zum aufgedrungenen Seelsorger und Schulmeister des
kleinsten schleswigschen Kirchdorff ist nach Auffassung der Deutschen ein tödtlicher
Feind der Rechte, der Freiheiten, der Nationalität in den Herzogthümern. Wie soll
ein Zusammenleben unter dem Danebrog fernerhin möglich sein? wie kann den
Deutschen zugemuthet werden, einem König von Dänemark als ihrem Herzog zu
huldigen, den sie nicht nur als Feind hassen, auch als Verräther an seiner Natio¬
nalität verachten? wie ist von einer dänischen Regierung die Selbstverläugnung zu
fordern, deutsche Staatsangehörige, welche ihre grimmigsten persönlichen Feinde sind,
nicht mit Gerechtigkeit, sondern mit dem Wohlwollen zu behandeln, welches eine Re¬
gierung den Bürgern ihres Staates schuldig ist? Wird man deutsche Rekruten vor
dem dänischen Heer, deutsche Matrosen vor der dänischen Flotte schützen können?
Kann man erwarten, daß Dänemark einen Zustand erträgt, der ihm zwei Fünftheile
seiner Wehr- und Steucrkraft lahm legt, und was schlimmer ist, der den Staat
unter die unablässige Controle, entweder eines deutschen Bundes, oder deutscher
Großmächte stellt? Und wie kann man hoffen, daß die auswärtigen Mächte solche
Paralysirung eines Reiches dulden werden, welches ihnen durch seine Unschädlichkeit
besonders werthvoll gemacht ist. Es ist traurig, daß man auf diese Frage in Berlin
keine andere Antwort hat, als ein Achselzucken,

Unterdeß kostet der Krieg in Schleswig Geld, Wahrscheinlich wird mau nach
früheren Andeutungen des Ministerpräsidenten kein Bedenken haben sich im Augenblick
zu helfen wie man kann. Indeß auf die Länge wird das unmöglich, auch der
Staatsschatz ist uicht unerschöpflich, und eine freiwillige Anleihe bei den politischen
Freunden des Ministeriums wird schwerlich viel mehr einbringen als die freiwillige
Anleihe der Schleswig-holsteinischen Regierung. Das ist der Punkt, der sich bald
als der entscheidende für das Ministerium Bismarck und die innern Kämpfe Preußens
erweisen wird. Und wir meinen, die Zukunft der Herzogthümer hängt nicht nur
von der Festigkeit des Schleswig-holstcinisthcn Volkes ab, sondern auch von der Art
und Weise, wie die preußischen Volksvertreter die Schnüre des Staatsscckels halten
werden. Und wenn sie so hartnäckig sind, diesem Ministerium» nichts zu be¬
willigen? —

Es ist leider wahrscheinlich, daß das Bestreben des Ministeriums durch einen
auswärtigen Conflict über den innern hinwegzukommen, sür Preußen und Deutsch¬
land der Anfang schwerer und langwieriger Verwickelungen mit dem Auslande werde.
In jedem Falle ist die Zeit nicht fern, wo zu Berlin noch einmal in den Bahnen
der Verfassung Ministerium und Volksvertreter zusammenstoßen. - Und wir meinen,
der bürgerliche Materialismus unseres Zeitalters wird sich auch darin erweisen, daß
die Fragen über die Zukunft der Herzogthümer, über die Zukunft des preußischen
Ministeriums, und noch über manches Andere zuletzt in einer großen Frage über
Credit Und Debet zusammen gefaßt werden.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch.
Verlag on' F. L, Hcrbig. — Druck von C. E. ttlbert in Leipzig,
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[0494] den ein Rebell gegen Dänemark, jeder dänisch Gesinnte aus den Inseln und dem Festlande, vom König bis zum aufgedrungenen Seelsorger und Schulmeister des kleinsten schleswigschen Kirchdorff ist nach Auffassung der Deutschen ein tödtlicher Feind der Rechte, der Freiheiten, der Nationalität in den Herzogthümern. Wie soll ein Zusammenleben unter dem Danebrog fernerhin möglich sein? wie kann den Deutschen zugemuthet werden, einem König von Dänemark als ihrem Herzog zu huldigen, den sie nicht nur als Feind hassen, auch als Verräther an seiner Natio¬ nalität verachten? wie ist von einer dänischen Regierung die Selbstverläugnung zu fordern, deutsche Staatsangehörige, welche ihre grimmigsten persönlichen Feinde sind, nicht mit Gerechtigkeit, sondern mit dem Wohlwollen zu behandeln, welches eine Re¬ gierung den Bürgern ihres Staates schuldig ist? Wird man deutsche Rekruten vor dem dänischen Heer, deutsche Matrosen vor der dänischen Flotte schützen können? Kann man erwarten, daß Dänemark einen Zustand erträgt, der ihm zwei Fünftheile seiner Wehr- und Steucrkraft lahm legt, und was schlimmer ist, der den Staat unter die unablässige Controle, entweder eines deutschen Bundes, oder deutscher Großmächte stellt? Und wie kann man hoffen, daß die auswärtigen Mächte solche Paralysirung eines Reiches dulden werden, welches ihnen durch seine Unschädlichkeit besonders werthvoll gemacht ist. Es ist traurig, daß man auf diese Frage in Berlin keine andere Antwort hat, als ein Achselzucken, Unterdeß kostet der Krieg in Schleswig Geld, Wahrscheinlich wird mau nach früheren Andeutungen des Ministerpräsidenten kein Bedenken haben sich im Augenblick zu helfen wie man kann. Indeß auf die Länge wird das unmöglich, auch der Staatsschatz ist uicht unerschöpflich, und eine freiwillige Anleihe bei den politischen Freunden des Ministeriums wird schwerlich viel mehr einbringen als die freiwillige Anleihe der Schleswig-holsteinischen Regierung. Das ist der Punkt, der sich bald als der entscheidende für das Ministerium Bismarck und die innern Kämpfe Preußens erweisen wird. Und wir meinen, die Zukunft der Herzogthümer hängt nicht nur von der Festigkeit des Schleswig-holstcinisthcn Volkes ab, sondern auch von der Art und Weise, wie die preußischen Volksvertreter die Schnüre des Staatsscckels halten werden. Und wenn sie so hartnäckig sind, diesem Ministerium» nichts zu be¬ willigen? — Es ist leider wahrscheinlich, daß das Bestreben des Ministeriums durch einen auswärtigen Conflict über den innern hinwegzukommen, sür Preußen und Deutsch¬ land der Anfang schwerer und langwieriger Verwickelungen mit dem Auslande werde. In jedem Falle ist die Zeit nicht fern, wo zu Berlin noch einmal in den Bahnen der Verfassung Ministerium und Volksvertreter zusammenstoßen. - Und wir meinen, der bürgerliche Materialismus unseres Zeitalters wird sich auch darin erweisen, daß die Fragen über die Zukunft der Herzogthümer, über die Zukunft des preußischen Ministeriums, und noch über manches Andere zuletzt in einer großen Frage über Credit Und Debet zusammen gefaßt werden. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch. Verlag on' F. L, Hcrbig. — Druck von C. E. ttlbert in Leipzig,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/494>, abgerufen am 24.07.2024.