Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Festungen sogar ganz demolirt, aber auch nicht eine Kanzlei wurde geschlossen,
ja es war gewöhnlich jede Auflösung oder auch nur zeitweilige Reduction der
Truppen mit der Errichtung einer neuen Behörde verbundn,. Der Friedens¬
stand der östreichischen Armee beträgt gegenwärtig über 400,000 Mann und
von diesen 400,000 Mann, welche von der Bevölkerung zu dem Schutze des
Staates erhalten werden, besteht mindestens der vierte Theil aus Administrations-,
Cvntroll-, Justiz-, Bau- und andern Beamten, Aufsehern, Dienern und andern
nicht in der Schlachtlinie dienenden Jnviduen; ja es besteht, wenn man die
gleichfalls in den Verpflegsstand des Heeres einbezogenen Invaliden, die Zög¬
linge der Unterrichtsanstalten, die zu den verschiedenen Friedensdienstleistungen
verwendeten Offiziere und Soldaten, die Kranken und die völlig ungeschulten
Rekruten, Sträflinge und Deserteure abrechnet, mehr als die Hälfte des Heeres
aus nichtstreitbaren Individuen. Das Land muß also auf jeden wirklichen
Soldaten mindestens einen scheinbaren Soldaten, ein montirtes oder unifor-
mirtes, gewöhnlich auch bewaffnetes, aber dem Feinde stets fern bleibendes
Wesen aufstellen und füttern!

Und dieses fast zahllose Beamtenheer, der Gegenstand des Neides der ge¬
wöhnlichen Staatsbeamten, des Spottes der eigentlichen Militärs und des
Hasses der Bevölkerung und eine der Hauptursachen der ihrem Höhepunkte
nahen Finanznoth Oestreichs, hat mit Ausnahme einiger Bevorzugter keines¬
wegs ein beneidenswerthes Loos. Halbheit und Inconsequenz, die unvertilg-
baren Merkmale aller neueren östreichischen Institutionen, haben auch hier das
ihrige gethan. Wie man in der Politik allen Nationalitäten und Parteien sich
gefällig machen wollte und es eben dadurch mit allen verdarb, weil man es bei
dem äußeren Scheine bewenden lassen und nichts Reelles thun wollte, so wollte
man auch hier allen wohlthun, wollte alle durch Dankbarkeit an sich fesseln,
dabei aber wieder -- wie man sich ausdrückte -- "die Leute durch zu großes
Wohlsein nicht verwöhnen und einige Reserven in der Hand zurückhalten, um
auch durch Aufmunterung und Versprechungen noch einwirken zu können." So
that man also in Wahrheit gar nichts, als daß man das Bcamtcnproletariat
auf eine unverantwortliche Weise vermehrte, die Unzufriedenheit der Armee er¬
regte, die übrigen Staatsbeamten erbitterte und den Staatsschatz mit immer
wachsenden Lasten beschwerte.

Man beging aus reiner Gerechtigkeitsliebe die schreiendsten Ungerechtigkeiten
und that, indem man consequent und systematisch zu handeln vermeinte, gerade
gar nichts zur rechten Zeit und am rechten Orte. Man entzog z. B. den Aerzten
den Ofsizierstitel und die Ofsiziersauszeichnungen, stattete aber gleich darauf
das neugeschaffene Kriegscommissariat höchst verschwenderisch damit aus. Eine
der größten Ungerechtigkeiten aber liegt in der Verschiedenheit der Pensions¬
vorschriften. Der Staatsbeamte hat -- mit wenigen Ausnahmen -- das Recht,


60*

Festungen sogar ganz demolirt, aber auch nicht eine Kanzlei wurde geschlossen,
ja es war gewöhnlich jede Auflösung oder auch nur zeitweilige Reduction der
Truppen mit der Errichtung einer neuen Behörde verbundn,. Der Friedens¬
stand der östreichischen Armee beträgt gegenwärtig über 400,000 Mann und
von diesen 400,000 Mann, welche von der Bevölkerung zu dem Schutze des
Staates erhalten werden, besteht mindestens der vierte Theil aus Administrations-,
Cvntroll-, Justiz-, Bau- und andern Beamten, Aufsehern, Dienern und andern
nicht in der Schlachtlinie dienenden Jnviduen; ja es besteht, wenn man die
gleichfalls in den Verpflegsstand des Heeres einbezogenen Invaliden, die Zög¬
linge der Unterrichtsanstalten, die zu den verschiedenen Friedensdienstleistungen
verwendeten Offiziere und Soldaten, die Kranken und die völlig ungeschulten
Rekruten, Sträflinge und Deserteure abrechnet, mehr als die Hälfte des Heeres
aus nichtstreitbaren Individuen. Das Land muß also auf jeden wirklichen
Soldaten mindestens einen scheinbaren Soldaten, ein montirtes oder unifor-
mirtes, gewöhnlich auch bewaffnetes, aber dem Feinde stets fern bleibendes
Wesen aufstellen und füttern!

Und dieses fast zahllose Beamtenheer, der Gegenstand des Neides der ge¬
wöhnlichen Staatsbeamten, des Spottes der eigentlichen Militärs und des
Hasses der Bevölkerung und eine der Hauptursachen der ihrem Höhepunkte
nahen Finanznoth Oestreichs, hat mit Ausnahme einiger Bevorzugter keines¬
wegs ein beneidenswerthes Loos. Halbheit und Inconsequenz, die unvertilg-
baren Merkmale aller neueren östreichischen Institutionen, haben auch hier das
ihrige gethan. Wie man in der Politik allen Nationalitäten und Parteien sich
gefällig machen wollte und es eben dadurch mit allen verdarb, weil man es bei
dem äußeren Scheine bewenden lassen und nichts Reelles thun wollte, so wollte
man auch hier allen wohlthun, wollte alle durch Dankbarkeit an sich fesseln,
dabei aber wieder — wie man sich ausdrückte — „die Leute durch zu großes
Wohlsein nicht verwöhnen und einige Reserven in der Hand zurückhalten, um
auch durch Aufmunterung und Versprechungen noch einwirken zu können." So
that man also in Wahrheit gar nichts, als daß man das Bcamtcnproletariat
auf eine unverantwortliche Weise vermehrte, die Unzufriedenheit der Armee er¬
regte, die übrigen Staatsbeamten erbitterte und den Staatsschatz mit immer
wachsenden Lasten beschwerte.

Man beging aus reiner Gerechtigkeitsliebe die schreiendsten Ungerechtigkeiten
und that, indem man consequent und systematisch zu handeln vermeinte, gerade
gar nichts zur rechten Zeit und am rechten Orte. Man entzog z. B. den Aerzten
den Ofsizierstitel und die Ofsiziersauszeichnungen, stattete aber gleich darauf
das neugeschaffene Kriegscommissariat höchst verschwenderisch damit aus. Eine
der größten Ungerechtigkeiten aber liegt in der Verschiedenheit der Pensions¬
vorschriften. Der Staatsbeamte hat — mit wenigen Ausnahmen — das Recht,


60*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0481" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116947"/>
          <p xml:id="ID_1501" prev="#ID_1500"> Festungen sogar ganz demolirt, aber auch nicht eine Kanzlei wurde geschlossen,<lb/>
ja es war gewöhnlich jede Auflösung oder auch nur zeitweilige Reduction der<lb/>
Truppen mit der Errichtung einer neuen Behörde verbundn,. Der Friedens¬<lb/>
stand der östreichischen Armee beträgt gegenwärtig über 400,000 Mann und<lb/>
von diesen 400,000 Mann, welche von der Bevölkerung zu dem Schutze des<lb/>
Staates erhalten werden, besteht mindestens der vierte Theil aus Administrations-,<lb/>
Cvntroll-, Justiz-, Bau- und andern Beamten, Aufsehern, Dienern und andern<lb/>
nicht in der Schlachtlinie dienenden Jnviduen; ja es besteht, wenn man die<lb/>
gleichfalls in den Verpflegsstand des Heeres einbezogenen Invaliden, die Zög¬<lb/>
linge der Unterrichtsanstalten, die zu den verschiedenen Friedensdienstleistungen<lb/>
verwendeten Offiziere und Soldaten, die Kranken und die völlig ungeschulten<lb/>
Rekruten, Sträflinge und Deserteure abrechnet, mehr als die Hälfte des Heeres<lb/>
aus nichtstreitbaren Individuen. Das Land muß also auf jeden wirklichen<lb/>
Soldaten mindestens einen scheinbaren Soldaten, ein montirtes oder unifor-<lb/>
mirtes, gewöhnlich auch bewaffnetes, aber dem Feinde stets fern bleibendes<lb/>
Wesen aufstellen und füttern!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1502"> Und dieses fast zahllose Beamtenheer, der Gegenstand des Neides der ge¬<lb/>
wöhnlichen Staatsbeamten, des Spottes der eigentlichen Militärs und des<lb/>
Hasses der Bevölkerung und eine der Hauptursachen der ihrem Höhepunkte<lb/>
nahen Finanznoth Oestreichs, hat mit Ausnahme einiger Bevorzugter keines¬<lb/>
wegs ein beneidenswerthes Loos. Halbheit und Inconsequenz, die unvertilg-<lb/>
baren Merkmale aller neueren östreichischen Institutionen, haben auch hier das<lb/>
ihrige gethan. Wie man in der Politik allen Nationalitäten und Parteien sich<lb/>
gefällig machen wollte und es eben dadurch mit allen verdarb, weil man es bei<lb/>
dem äußeren Scheine bewenden lassen und nichts Reelles thun wollte, so wollte<lb/>
man auch hier allen wohlthun, wollte alle durch Dankbarkeit an sich fesseln,<lb/>
dabei aber wieder &#x2014; wie man sich ausdrückte &#x2014; &#x201E;die Leute durch zu großes<lb/>
Wohlsein nicht verwöhnen und einige Reserven in der Hand zurückhalten, um<lb/>
auch durch Aufmunterung und Versprechungen noch einwirken zu können." So<lb/>
that man also in Wahrheit gar nichts, als daß man das Bcamtcnproletariat<lb/>
auf eine unverantwortliche Weise vermehrte, die Unzufriedenheit der Armee er¬<lb/>
regte, die übrigen Staatsbeamten erbitterte und den Staatsschatz mit immer<lb/>
wachsenden Lasten beschwerte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1503" next="#ID_1504"> Man beging aus reiner Gerechtigkeitsliebe die schreiendsten Ungerechtigkeiten<lb/>
und that, indem man consequent und systematisch zu handeln vermeinte, gerade<lb/>
gar nichts zur rechten Zeit und am rechten Orte. Man entzog z. B. den Aerzten<lb/>
den Ofsizierstitel und die Ofsiziersauszeichnungen, stattete aber gleich darauf<lb/>
das neugeschaffene Kriegscommissariat höchst verschwenderisch damit aus. Eine<lb/>
der größten Ungerechtigkeiten aber liegt in der Verschiedenheit der Pensions¬<lb/>
vorschriften. Der Staatsbeamte hat &#x2014; mit wenigen Ausnahmen &#x2014; das Recht,</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 60*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0481] Festungen sogar ganz demolirt, aber auch nicht eine Kanzlei wurde geschlossen, ja es war gewöhnlich jede Auflösung oder auch nur zeitweilige Reduction der Truppen mit der Errichtung einer neuen Behörde verbundn,. Der Friedens¬ stand der östreichischen Armee beträgt gegenwärtig über 400,000 Mann und von diesen 400,000 Mann, welche von der Bevölkerung zu dem Schutze des Staates erhalten werden, besteht mindestens der vierte Theil aus Administrations-, Cvntroll-, Justiz-, Bau- und andern Beamten, Aufsehern, Dienern und andern nicht in der Schlachtlinie dienenden Jnviduen; ja es besteht, wenn man die gleichfalls in den Verpflegsstand des Heeres einbezogenen Invaliden, die Zög¬ linge der Unterrichtsanstalten, die zu den verschiedenen Friedensdienstleistungen verwendeten Offiziere und Soldaten, die Kranken und die völlig ungeschulten Rekruten, Sträflinge und Deserteure abrechnet, mehr als die Hälfte des Heeres aus nichtstreitbaren Individuen. Das Land muß also auf jeden wirklichen Soldaten mindestens einen scheinbaren Soldaten, ein montirtes oder unifor- mirtes, gewöhnlich auch bewaffnetes, aber dem Feinde stets fern bleibendes Wesen aufstellen und füttern! Und dieses fast zahllose Beamtenheer, der Gegenstand des Neides der ge¬ wöhnlichen Staatsbeamten, des Spottes der eigentlichen Militärs und des Hasses der Bevölkerung und eine der Hauptursachen der ihrem Höhepunkte nahen Finanznoth Oestreichs, hat mit Ausnahme einiger Bevorzugter keines¬ wegs ein beneidenswerthes Loos. Halbheit und Inconsequenz, die unvertilg- baren Merkmale aller neueren östreichischen Institutionen, haben auch hier das ihrige gethan. Wie man in der Politik allen Nationalitäten und Parteien sich gefällig machen wollte und es eben dadurch mit allen verdarb, weil man es bei dem äußeren Scheine bewenden lassen und nichts Reelles thun wollte, so wollte man auch hier allen wohlthun, wollte alle durch Dankbarkeit an sich fesseln, dabei aber wieder — wie man sich ausdrückte — „die Leute durch zu großes Wohlsein nicht verwöhnen und einige Reserven in der Hand zurückhalten, um auch durch Aufmunterung und Versprechungen noch einwirken zu können." So that man also in Wahrheit gar nichts, als daß man das Bcamtcnproletariat auf eine unverantwortliche Weise vermehrte, die Unzufriedenheit der Armee er¬ regte, die übrigen Staatsbeamten erbitterte und den Staatsschatz mit immer wachsenden Lasten beschwerte. Man beging aus reiner Gerechtigkeitsliebe die schreiendsten Ungerechtigkeiten und that, indem man consequent und systematisch zu handeln vermeinte, gerade gar nichts zur rechten Zeit und am rechten Orte. Man entzog z. B. den Aerzten den Ofsizierstitel und die Ofsiziersauszeichnungen, stattete aber gleich darauf das neugeschaffene Kriegscommissariat höchst verschwenderisch damit aus. Eine der größten Ungerechtigkeiten aber liegt in der Verschiedenheit der Pensions¬ vorschriften. Der Staatsbeamte hat — mit wenigen Ausnahmen — das Recht, 60*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/481
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/481>, abgerufen am 24.07.2024.