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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Sache ungeändert. Aber so wie man in Oestreich überhaupt alles anbefehlen zu
können glaubt und religiöse und politische Anschauungen der Bevölkerung ganz
nach einem beliebigen Modus durch eine einzige durchlauchtigte, eminente oder
anderweitige höhere, höchste und allerhöchste Willensäußerung modeln zu können
vermeint, so lebt man auch in dem Wahne, wissenschaftliche, literarische und
künstlerische Leistungen durch das erste beste hierzu commandirte Individuum
ausführen lassen zu können. Daß bei solchen Gelegenheiten die Wahl zuweilen
doch auf den Rechten fällt, gehört zu jenen Zufällen, welche in der Geschichte
des überhaupt von unverdienten Glück gern heimgesuchten Oestreich eine Rolle
spielen, in neuerer Zeit aber immer seltener zu werden anfangen.

Somit kann also auch das Wenige, was auf die genannten militärwisscn-
schaftlichen Institute verwendet wird, als eine großentheils überflüssige Ausgabe
betrachtet und die Zahl der hierbei verwendeten Individuen könnte noch wesent¬
lich vermindert werden.

Vor nicht langer Zeit zählte die östreichische Armee auf dem Friedensfuße
nur etwa 230.000. aus dem Kriegsfuße aber angeblich 800.000 Mann. Wenn
auch diese Zahl zu keiner Zeit wirklich vorhanden gewesen sein mag, so steht
wenigstens so viel fest, daß das ganze Heereswesen einen bedeutend geringeren
Aufwand erforderte, daß namentlich die Administration nur einen geringen
Theil des Militärbudgets in Anspruch nahm, und daß trotz des geringen Friedens-
standes ohne besondere Mühe ein nicht unbeträchtliches Corps marschfertig ge¬
macht werden konnte, wie es z. B. 1846 und bei mehrern andern Gelegen¬
heiten geschah. Die östreichische Regierung zog damals fast nur die gerade auf
den Beinen befindlichen Truppen zusammen und konnte, ohne den Stand der'
selben zu vermehren, wenigstens dem ersten Bedürfnisse genügen. Dafür zählte
man aber auch nur etwa 30,000 Militärbeamte und andere nicht streitbare
Individuen. Dagegen war es von Anfang her das Bestreben der gegenwärtigen
Negierung, dieses Verhältniß umzukehren. Um überall Paraden abhalten und
die Machthaber selbst in mittleren Provinzialstädten mit einem ansehnlichen
militärischen Gefolge umgeben zu können, wurde der Friedensetat des Heeres
fortwährend vermehrt, der Kriegsstand dagegen verringert; die Zahl der Beamten
und des übrigen nichtstreitbaren Personals nahm fortwährend zu und damit
erreichten auch die Kosten der Administration eine schwindelnde Höhe.

Diese Zustände waren unhaltbar und es mußte, wenn der Staatsbankervtt
verhindert werden sollte, zum Mindesten eine Erleichterung stattfinden. Es
wurde reducirt und zwar in einer fast beispiellosen Ausdehnung. Und hier
zeigte sich der Bureaukratismus in seiner ganzen Pedanterie und seinem erbärm¬
lichen Egoismus. Tapfere, kampfgeübte und ergebene Truppen wurden auf¬
gelöst, die bestdressirten Pferde wurden zu Tausenden um einen Spottpreis
verkauft, wichtige Festungsbauten wurden eingestellt und mehre bestehende


Sache ungeändert. Aber so wie man in Oestreich überhaupt alles anbefehlen zu
können glaubt und religiöse und politische Anschauungen der Bevölkerung ganz
nach einem beliebigen Modus durch eine einzige durchlauchtigte, eminente oder
anderweitige höhere, höchste und allerhöchste Willensäußerung modeln zu können
vermeint, so lebt man auch in dem Wahne, wissenschaftliche, literarische und
künstlerische Leistungen durch das erste beste hierzu commandirte Individuum
ausführen lassen zu können. Daß bei solchen Gelegenheiten die Wahl zuweilen
doch auf den Rechten fällt, gehört zu jenen Zufällen, welche in der Geschichte
des überhaupt von unverdienten Glück gern heimgesuchten Oestreich eine Rolle
spielen, in neuerer Zeit aber immer seltener zu werden anfangen.

Somit kann also auch das Wenige, was auf die genannten militärwisscn-
schaftlichen Institute verwendet wird, als eine großentheils überflüssige Ausgabe
betrachtet und die Zahl der hierbei verwendeten Individuen könnte noch wesent¬
lich vermindert werden.

Vor nicht langer Zeit zählte die östreichische Armee auf dem Friedensfuße
nur etwa 230.000. aus dem Kriegsfuße aber angeblich 800.000 Mann. Wenn
auch diese Zahl zu keiner Zeit wirklich vorhanden gewesen sein mag, so steht
wenigstens so viel fest, daß das ganze Heereswesen einen bedeutend geringeren
Aufwand erforderte, daß namentlich die Administration nur einen geringen
Theil des Militärbudgets in Anspruch nahm, und daß trotz des geringen Friedens-
standes ohne besondere Mühe ein nicht unbeträchtliches Corps marschfertig ge¬
macht werden konnte, wie es z. B. 1846 und bei mehrern andern Gelegen¬
heiten geschah. Die östreichische Regierung zog damals fast nur die gerade auf
den Beinen befindlichen Truppen zusammen und konnte, ohne den Stand der'
selben zu vermehren, wenigstens dem ersten Bedürfnisse genügen. Dafür zählte
man aber auch nur etwa 30,000 Militärbeamte und andere nicht streitbare
Individuen. Dagegen war es von Anfang her das Bestreben der gegenwärtigen
Negierung, dieses Verhältniß umzukehren. Um überall Paraden abhalten und
die Machthaber selbst in mittleren Provinzialstädten mit einem ansehnlichen
militärischen Gefolge umgeben zu können, wurde der Friedensetat des Heeres
fortwährend vermehrt, der Kriegsstand dagegen verringert; die Zahl der Beamten
und des übrigen nichtstreitbaren Personals nahm fortwährend zu und damit
erreichten auch die Kosten der Administration eine schwindelnde Höhe.

Diese Zustände waren unhaltbar und es mußte, wenn der Staatsbankervtt
verhindert werden sollte, zum Mindesten eine Erleichterung stattfinden. Es
wurde reducirt und zwar in einer fast beispiellosen Ausdehnung. Und hier
zeigte sich der Bureaukratismus in seiner ganzen Pedanterie und seinem erbärm¬
lichen Egoismus. Tapfere, kampfgeübte und ergebene Truppen wurden auf¬
gelöst, die bestdressirten Pferde wurden zu Tausenden um einen Spottpreis
verkauft, wichtige Festungsbauten wurden eingestellt und mehre bestehende


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[0480] Sache ungeändert. Aber so wie man in Oestreich überhaupt alles anbefehlen zu können glaubt und religiöse und politische Anschauungen der Bevölkerung ganz nach einem beliebigen Modus durch eine einzige durchlauchtigte, eminente oder anderweitige höhere, höchste und allerhöchste Willensäußerung modeln zu können vermeint, so lebt man auch in dem Wahne, wissenschaftliche, literarische und künstlerische Leistungen durch das erste beste hierzu commandirte Individuum ausführen lassen zu können. Daß bei solchen Gelegenheiten die Wahl zuweilen doch auf den Rechten fällt, gehört zu jenen Zufällen, welche in der Geschichte des überhaupt von unverdienten Glück gern heimgesuchten Oestreich eine Rolle spielen, in neuerer Zeit aber immer seltener zu werden anfangen. Somit kann also auch das Wenige, was auf die genannten militärwisscn- schaftlichen Institute verwendet wird, als eine großentheils überflüssige Ausgabe betrachtet und die Zahl der hierbei verwendeten Individuen könnte noch wesent¬ lich vermindert werden. Vor nicht langer Zeit zählte die östreichische Armee auf dem Friedensfuße nur etwa 230.000. aus dem Kriegsfuße aber angeblich 800.000 Mann. Wenn auch diese Zahl zu keiner Zeit wirklich vorhanden gewesen sein mag, so steht wenigstens so viel fest, daß das ganze Heereswesen einen bedeutend geringeren Aufwand erforderte, daß namentlich die Administration nur einen geringen Theil des Militärbudgets in Anspruch nahm, und daß trotz des geringen Friedens- standes ohne besondere Mühe ein nicht unbeträchtliches Corps marschfertig ge¬ macht werden konnte, wie es z. B. 1846 und bei mehrern andern Gelegen¬ heiten geschah. Die östreichische Regierung zog damals fast nur die gerade auf den Beinen befindlichen Truppen zusammen und konnte, ohne den Stand der' selben zu vermehren, wenigstens dem ersten Bedürfnisse genügen. Dafür zählte man aber auch nur etwa 30,000 Militärbeamte und andere nicht streitbare Individuen. Dagegen war es von Anfang her das Bestreben der gegenwärtigen Negierung, dieses Verhältniß umzukehren. Um überall Paraden abhalten und die Machthaber selbst in mittleren Provinzialstädten mit einem ansehnlichen militärischen Gefolge umgeben zu können, wurde der Friedensetat des Heeres fortwährend vermehrt, der Kriegsstand dagegen verringert; die Zahl der Beamten und des übrigen nichtstreitbaren Personals nahm fortwährend zu und damit erreichten auch die Kosten der Administration eine schwindelnde Höhe. Diese Zustände waren unhaltbar und es mußte, wenn der Staatsbankervtt verhindert werden sollte, zum Mindesten eine Erleichterung stattfinden. Es wurde reducirt und zwar in einer fast beispiellosen Ausdehnung. Und hier zeigte sich der Bureaukratismus in seiner ganzen Pedanterie und seinem erbärm¬ lichen Egoismus. Tapfere, kampfgeübte und ergebene Truppen wurden auf¬ gelöst, die bestdressirten Pferde wurden zu Tausenden um einen Spottpreis verkauft, wichtige Festungsbauten wurden eingestellt und mehre bestehende

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/480>, abgerufen am 24.07.2024.