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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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in Schleswig geherrscht, wie eine ungeheure Ironie voll Hohn in die Fenster
sah. Das militärische Treiben in den Straßen glich dem in Schleswig, doch
überwogen hier die preußischen Uniformen. Die Stimmung in der Stadt war,
wie schon die Verkeilung der Fahnen zeigte, eine verschiedene. Man hatte auf
dem einem Markt den Herzog Friedrich proclamirt, aber die Demonstration
war ziemlich matt und schwächlich verlaufen, zum guten Theil wohl auch
deshalb, weil die Preußen sie zu hindern gesucht hatten und weil man nicht
sicher war, daß der kleine bösartige Polizeimeister Hammerich, der sich noch halb
als Gebieter der Stadt geberdete, entfernt werden würde. Eine Versammlung
der Deutschgesinnten im Odeon, bei welcher die Führer dieser Partei, Dr. mea.
Lorentzen und Lehrer Hansen über ihre Audienz bei Wrangel berichteten, zeigte
entschlossene und rührige Seelen in guter Anzahl. Dagegen verrieth ein Ge-
spräch mit einem Kaufmann, bei dem wir die besten Cigarren in den Herzog-
thümern kauften, daß ein Theil der handeltreibenden Classe die Trennung von
Dänemark für nicht wünschenswert!), weil für nicht profitabel hielt.

Hier wird die Bekehrung Schwierigkeiten haben, doch ist kein Zweifel, daß
der gute Wille der Bevölkerung sich finden wird, wenn der gute Wille aus
Seiten der Preußen nicht mehr so schweren Bedenken unterliegt, wie gegen¬
wärtig. Denn immer sind es von den deutschen Bürgern nur einzelne, deren
materielles Wohlbefinden sie nach den dänischen Inseln hinweist, und die können,
meine ich, diesem Hinweis in Person folgen, wofern es unter der schleswig-
holsteinischen Fahne durchaus nicht auszuhalten ist. Und sollten deren auch
einige mehr sein, als man hier zugiebt, sollte Flensburg durch völlige Losreißung
der Herzogthümer von Dänemark wesentliche Nachtheile erleiden, so wird man
sich, meine ich ferner, darein schicken und sich die Schwesterstadt Schleswig zum
Trost nehmen müssen, welche in den letzten Jahren mit Unrecht litt, während
Flensburg mit Unrecht begünstigt wurde. "Heute mir, morgen dir," würde
mein sprichwörterliebender Lieutenant von Fleckeby trösten, und "Was dem einen
recht ist, das ist dem andern billig," würde er vielleicht, in den Schatz seiner
Weisheit greifend, hinzufügen.

An ein Weitergehen bis Rinkenis, wo damals die preußischen Vorposten
standen, war nicht zu denken. Man wollte im Lager keine Correspondenten für
die Presse, ja man schien die, welche gut preußische Gesinnung mitbrachten, wie
sich mit einem eclatanten Beispiele belegen ließe, am wenigsten haben zu wollen.
Unter solchen Umständen zog sich verschmähte und sogar bedrohte Zuneigung
zurück, kopfschüttelnd, betrübt, grollend über die Gegenwart, aber treu und voll
Hoffnung auf bessere Zeit. Das leichtere und gesinnungslose Gesieder begab
sich ins östreichische Lager und hat dort wohl oder übel das Lob der dortigen
Gemüthlichen und Glänzenden gesungen.

Möge der Krieg -- der Himmel verzeih's! -- noch einige Zeit dauern.


in Schleswig geherrscht, wie eine ungeheure Ironie voll Hohn in die Fenster
sah. Das militärische Treiben in den Straßen glich dem in Schleswig, doch
überwogen hier die preußischen Uniformen. Die Stimmung in der Stadt war,
wie schon die Verkeilung der Fahnen zeigte, eine verschiedene. Man hatte auf
dem einem Markt den Herzog Friedrich proclamirt, aber die Demonstration
war ziemlich matt und schwächlich verlaufen, zum guten Theil wohl auch
deshalb, weil die Preußen sie zu hindern gesucht hatten und weil man nicht
sicher war, daß der kleine bösartige Polizeimeister Hammerich, der sich noch halb
als Gebieter der Stadt geberdete, entfernt werden würde. Eine Versammlung
der Deutschgesinnten im Odeon, bei welcher die Führer dieser Partei, Dr. mea.
Lorentzen und Lehrer Hansen über ihre Audienz bei Wrangel berichteten, zeigte
entschlossene und rührige Seelen in guter Anzahl. Dagegen verrieth ein Ge-
spräch mit einem Kaufmann, bei dem wir die besten Cigarren in den Herzog-
thümern kauften, daß ein Theil der handeltreibenden Classe die Trennung von
Dänemark für nicht wünschenswert!), weil für nicht profitabel hielt.

Hier wird die Bekehrung Schwierigkeiten haben, doch ist kein Zweifel, daß
der gute Wille der Bevölkerung sich finden wird, wenn der gute Wille aus
Seiten der Preußen nicht mehr so schweren Bedenken unterliegt, wie gegen¬
wärtig. Denn immer sind es von den deutschen Bürgern nur einzelne, deren
materielles Wohlbefinden sie nach den dänischen Inseln hinweist, und die können,
meine ich, diesem Hinweis in Person folgen, wofern es unter der schleswig-
holsteinischen Fahne durchaus nicht auszuhalten ist. Und sollten deren auch
einige mehr sein, als man hier zugiebt, sollte Flensburg durch völlige Losreißung
der Herzogthümer von Dänemark wesentliche Nachtheile erleiden, so wird man
sich, meine ich ferner, darein schicken und sich die Schwesterstadt Schleswig zum
Trost nehmen müssen, welche in den letzten Jahren mit Unrecht litt, während
Flensburg mit Unrecht begünstigt wurde. „Heute mir, morgen dir," würde
mein sprichwörterliebender Lieutenant von Fleckeby trösten, und „Was dem einen
recht ist, das ist dem andern billig," würde er vielleicht, in den Schatz seiner
Weisheit greifend, hinzufügen.

An ein Weitergehen bis Rinkenis, wo damals die preußischen Vorposten
standen, war nicht zu denken. Man wollte im Lager keine Correspondenten für
die Presse, ja man schien die, welche gut preußische Gesinnung mitbrachten, wie
sich mit einem eclatanten Beispiele belegen ließe, am wenigsten haben zu wollen.
Unter solchen Umständen zog sich verschmähte und sogar bedrohte Zuneigung
zurück, kopfschüttelnd, betrübt, grollend über die Gegenwart, aber treu und voll
Hoffnung auf bessere Zeit. Das leichtere und gesinnungslose Gesieder begab
sich ins östreichische Lager und hat dort wohl oder übel das Lob der dortigen
Gemüthlichen und Glänzenden gesungen.

Möge der Krieg — der Himmel verzeih's! — noch einige Zeit dauern.


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[0474] in Schleswig geherrscht, wie eine ungeheure Ironie voll Hohn in die Fenster sah. Das militärische Treiben in den Straßen glich dem in Schleswig, doch überwogen hier die preußischen Uniformen. Die Stimmung in der Stadt war, wie schon die Verkeilung der Fahnen zeigte, eine verschiedene. Man hatte auf dem einem Markt den Herzog Friedrich proclamirt, aber die Demonstration war ziemlich matt und schwächlich verlaufen, zum guten Theil wohl auch deshalb, weil die Preußen sie zu hindern gesucht hatten und weil man nicht sicher war, daß der kleine bösartige Polizeimeister Hammerich, der sich noch halb als Gebieter der Stadt geberdete, entfernt werden würde. Eine Versammlung der Deutschgesinnten im Odeon, bei welcher die Führer dieser Partei, Dr. mea. Lorentzen und Lehrer Hansen über ihre Audienz bei Wrangel berichteten, zeigte entschlossene und rührige Seelen in guter Anzahl. Dagegen verrieth ein Ge- spräch mit einem Kaufmann, bei dem wir die besten Cigarren in den Herzog- thümern kauften, daß ein Theil der handeltreibenden Classe die Trennung von Dänemark für nicht wünschenswert!), weil für nicht profitabel hielt. Hier wird die Bekehrung Schwierigkeiten haben, doch ist kein Zweifel, daß der gute Wille der Bevölkerung sich finden wird, wenn der gute Wille aus Seiten der Preußen nicht mehr so schweren Bedenken unterliegt, wie gegen¬ wärtig. Denn immer sind es von den deutschen Bürgern nur einzelne, deren materielles Wohlbefinden sie nach den dänischen Inseln hinweist, und die können, meine ich, diesem Hinweis in Person folgen, wofern es unter der schleswig- holsteinischen Fahne durchaus nicht auszuhalten ist. Und sollten deren auch einige mehr sein, als man hier zugiebt, sollte Flensburg durch völlige Losreißung der Herzogthümer von Dänemark wesentliche Nachtheile erleiden, so wird man sich, meine ich ferner, darein schicken und sich die Schwesterstadt Schleswig zum Trost nehmen müssen, welche in den letzten Jahren mit Unrecht litt, während Flensburg mit Unrecht begünstigt wurde. „Heute mir, morgen dir," würde mein sprichwörterliebender Lieutenant von Fleckeby trösten, und „Was dem einen recht ist, das ist dem andern billig," würde er vielleicht, in den Schatz seiner Weisheit greifend, hinzufügen. An ein Weitergehen bis Rinkenis, wo damals die preußischen Vorposten standen, war nicht zu denken. Man wollte im Lager keine Correspondenten für die Presse, ja man schien die, welche gut preußische Gesinnung mitbrachten, wie sich mit einem eclatanten Beispiele belegen ließe, am wenigsten haben zu wollen. Unter solchen Umständen zog sich verschmähte und sogar bedrohte Zuneigung zurück, kopfschüttelnd, betrübt, grollend über die Gegenwart, aber treu und voll Hoffnung auf bessere Zeit. Das leichtere und gesinnungslose Gesieder begab sich ins östreichische Lager und hat dort wohl oder übel das Lob der dortigen Gemüthlichen und Glänzenden gesungen. Möge der Krieg — der Himmel verzeih's! — noch einige Zeit dauern.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/474>, abgerufen am 24.07.2024.