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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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liehen Anträge statt mündlichen Vertrags oder die Verlesung von Schriftsätzen,
abgesehen von Gesuchen, Urkunden u. s. w., auf deren wörtlichen Inhalt es
ankommt, statthaft wäre. Jede Partei hat sich über die von der Gegenseite
vorgebrachten Thatsachen und vorgelegten Urkunden bestimmt zu erklären, indem
nicht bestrittene Thatsachen für zugestanden, Urkunden, deren Aechtheit nicht
verneint ist, für anerkannt gelten.

Nachdem der Gerichtsvorsitzende, welcher mit weitgreifenden Befugnissen
die Verhandlung leitet und für die Aufklärung des Streitverhältnisses ins¬
besondere durch ein wirksames Fragerecht Sorge trägt, die Verhandlung ge¬
schlossen hat, wird zur Urtheilsfällung in nicht öffentlicher Sitzung geschritten.
Die Verkündigung des Urtheils erfolgt entweder sofort oder in einem nicht
über eine Woche hinauszusetzenden, den Parteien sofort zu eröffnenden Termine.

So das regelmäßige Verfahren vor den Obergerichten; dasselbe gilt, wie
gleich hier bemerkt werden mag, im Wesentlichen auch für Nebenverhandlungen,
für das Beweisverfahren und die Rechtsmittelinstanz. -- Da eigentliche Repliken,
wie jeder praktische Jurist weiß, sehr selten, eigentliche Dupliken noch seltener
vorkommen, so reichen in der Regel Klaganträge und Gegenanträge zur
Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vollkommen aus. nötigenfalls kann
das Gericht nach Anhörung der Parteien ein Verfahren bis zur Duplik gestatten,
welches aber ebenfalls lediglich vorbereitend und von dem schriftlichen Aus¬
nahmeverfahren mit mündlicher Schlußverhandlung wohl zu unterscheiden ist;
auch hier wechseln die Parteien ihre Anträge unter sich, ohne daß das Gericht
weiter damit befaßt wird.

Wie ordnet nun der sächsische Entwurf das erste Verfahren? Nach
Paragraph 865 hat "das Gericht" (d. h. nach Paragraph 30 Wohl der Vor¬
stand oder ein Stellvertreter desselben), die Klage zunächst zu prüfen und,
wenn es sich nicht für zuständig oder die Klage nicht für begründet hält, den
Kläger hierüber zu bescheiden, auch im ersten Falle die Ausfertigung zu ver¬
sagen, im anderen Falle aber auszufertigen, wenn der Kläger es der ihm er¬
öffneten Bedenken ungeachtet verlangt. (Beiläufig gesagt: wie die Jncompetenz-
erklärung ohne Gehör des Beklagten mit den Lorschriften über Prorogation
des Gerichtsstandes zu vereinigen sei, ist mir unverständlich). -- Schon bisher
war eine vorgängige Prüfung der Klage vorgeschrieben, doch wurde diese Vor¬
schrift fast nie beachtet, aus dem einfachen Grunde, weil sie sich als un¬
praktisch erwiesen hatte. Der Entwurf schärft sie aufs Neue ein und die
Motiven bemerken dazu, sie könne nur nützlich, nie schädlich wirken; auch schreibt
der Verfasser der Nichtbeachtung dieser Vorschrift das allerdings unVerhältniß-
mäßig häufige Vorkommen der Abweisung der Klage "in der angebrachten
Maße" zu. Allein das Letztere hat bekanntlich seinen Hauptgrund in etwas
ganz Anderem. Wenn nämlich der Kläger sich zum Beweis der Klage des Eides-


liehen Anträge statt mündlichen Vertrags oder die Verlesung von Schriftsätzen,
abgesehen von Gesuchen, Urkunden u. s. w., auf deren wörtlichen Inhalt es
ankommt, statthaft wäre. Jede Partei hat sich über die von der Gegenseite
vorgebrachten Thatsachen und vorgelegten Urkunden bestimmt zu erklären, indem
nicht bestrittene Thatsachen für zugestanden, Urkunden, deren Aechtheit nicht
verneint ist, für anerkannt gelten.

Nachdem der Gerichtsvorsitzende, welcher mit weitgreifenden Befugnissen
die Verhandlung leitet und für die Aufklärung des Streitverhältnisses ins¬
besondere durch ein wirksames Fragerecht Sorge trägt, die Verhandlung ge¬
schlossen hat, wird zur Urtheilsfällung in nicht öffentlicher Sitzung geschritten.
Die Verkündigung des Urtheils erfolgt entweder sofort oder in einem nicht
über eine Woche hinauszusetzenden, den Parteien sofort zu eröffnenden Termine.

So das regelmäßige Verfahren vor den Obergerichten; dasselbe gilt, wie
gleich hier bemerkt werden mag, im Wesentlichen auch für Nebenverhandlungen,
für das Beweisverfahren und die Rechtsmittelinstanz. — Da eigentliche Repliken,
wie jeder praktische Jurist weiß, sehr selten, eigentliche Dupliken noch seltener
vorkommen, so reichen in der Regel Klaganträge und Gegenanträge zur
Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vollkommen aus. nötigenfalls kann
das Gericht nach Anhörung der Parteien ein Verfahren bis zur Duplik gestatten,
welches aber ebenfalls lediglich vorbereitend und von dem schriftlichen Aus¬
nahmeverfahren mit mündlicher Schlußverhandlung wohl zu unterscheiden ist;
auch hier wechseln die Parteien ihre Anträge unter sich, ohne daß das Gericht
weiter damit befaßt wird.

Wie ordnet nun der sächsische Entwurf das erste Verfahren? Nach
Paragraph 865 hat „das Gericht" (d. h. nach Paragraph 30 Wohl der Vor¬
stand oder ein Stellvertreter desselben), die Klage zunächst zu prüfen und,
wenn es sich nicht für zuständig oder die Klage nicht für begründet hält, den
Kläger hierüber zu bescheiden, auch im ersten Falle die Ausfertigung zu ver¬
sagen, im anderen Falle aber auszufertigen, wenn der Kläger es der ihm er¬
öffneten Bedenken ungeachtet verlangt. (Beiläufig gesagt: wie die Jncompetenz-
erklärung ohne Gehör des Beklagten mit den Lorschriften über Prorogation
des Gerichtsstandes zu vereinigen sei, ist mir unverständlich). — Schon bisher
war eine vorgängige Prüfung der Klage vorgeschrieben, doch wurde diese Vor¬
schrift fast nie beachtet, aus dem einfachen Grunde, weil sie sich als un¬
praktisch erwiesen hatte. Der Entwurf schärft sie aufs Neue ein und die
Motiven bemerken dazu, sie könne nur nützlich, nie schädlich wirken; auch schreibt
der Verfasser der Nichtbeachtung dieser Vorschrift das allerdings unVerhältniß-
mäßig häufige Vorkommen der Abweisung der Klage „in der angebrachten
Maße" zu. Allein das Letztere hat bekanntlich seinen Hauptgrund in etwas
ganz Anderem. Wenn nämlich der Kläger sich zum Beweis der Klage des Eides-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/462>, abgerufen am 24.07.2024.