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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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setzt sich in Positur, streckt einen langen Arm aus, hebt die Augenbrauen eines
langen Gesichts und beginnt in geflügelter Rede das Lob des unter uns be¬
findlichen großen Unbekannten zu preisen. Seine Rede war des Merkens werth,
aber die Umstände erlaubten mir nicht, mehr als einige Brillanten davon dem
Gedächtnisse einzufügen. "Moment von hoher Bedeutung!" -- "Sie, Herr
Doctor. stehen einzig da in der Geschichte Schleswig-Holsteins!" -- "Vor¬
kämpfer der Befreiung!" -- "Unauslöschliche Dankbarkeit!" -- "Drangsale ge¬
schildert mit meisterhafter Hand." Alles mit Ausrufungszeichen, Kunstpausen
und heftigen Bewegungen des langen Armes. Dann natürlich neue Flasche,
Anstoßen aus das weitere Gedeihen des großen Mannes, Doctors und Wohl¬
thäters und schließlich allgemeines Wohlgefallen.

Der Redner strahlte, wenn es nicht der Wein war, von dem Bewußtsein,
eine That gethan und eine Schuld abgetragen zu haben. Auch der große
Mann schien mit der ihm widerfahrenen Ehre nicht gerade ganz unzu¬
frieden. Noch zufriedener indeß war er offenbar, als er den Wunsch äußerte,
jetzt seine Schlafstätte im Billardsaal aufsuchen zu dürfen, und der Redner dies
um keinen Preis der Welt leiden wollte, sondern ihn zu einem guten Bett in
seinem, des Redners, Hause einlud.

Die Einladung wurde angenommen, der eine der ursprünglichen drei Mit¬
glieder der Gesellschaft durfte als Freund des großen Mannes ebenfalls mit¬
gehen. Ein wohleingcrichtetes behagliches Hauswesen empfing uns. Morgens
Vortrefflicher Kaffee -- in den Herzogtümern nicht häufig zu haben -- eine
freundliche Hausfrau voll patriotischen Gefühls und Eifers, ein paar hübsche
Kinder, gleichfalls schon gute Schleswig-Hvlsteiner, kurz alles, was das Herz
begehrte.

Mit schönem Dank für die genossene Gastfreundschaft verließen wir das
Haus, und der erste Act des Jntermezzos war zu Ende. Nach dem Namen
des großen Schriftstellers zu fragen, war unserem Redner und Quartiergeber
nicht eingefallen. Nicht aus Zerstreuung. Der zweite Act zeigt, daß er ihn
wußte, wenn auch nicht so gut wie sein Vorgänger auf der Bahn der Wohl¬
thätigkeit, Honvratus Bvnnevie, von dem sich sein Duzbruder beiläufig am
nächsten Morgen nach dem Abschluß des erwähnten Freundschaftsbündnisses sein
Versprechen, ihn sofort zu begleiten, gegen die Zusage, ihn und ganz Angeln
in einigen Wochen zu besuchen, wieder einwechselte.

Der zweite Act ist kurz. Gestern Abend sitzen wir in einem andern
Zimmer bei Raven. Da hören wir in der Nebenstube die lauten Worte:

"Und ich wette, daß er's nicht ist. Muß ihn doch kennen. Dazu ist der
viel zu still und gelassen."

Eine andere Stimme antwortet: "Und ich sage, daß er's ist. Werde gleich
fragen übrigens, obwohl ich meiner Sache ganz gewiß bin."


setzt sich in Positur, streckt einen langen Arm aus, hebt die Augenbrauen eines
langen Gesichts und beginnt in geflügelter Rede das Lob des unter uns be¬
findlichen großen Unbekannten zu preisen. Seine Rede war des Merkens werth,
aber die Umstände erlaubten mir nicht, mehr als einige Brillanten davon dem
Gedächtnisse einzufügen. „Moment von hoher Bedeutung!" — „Sie, Herr
Doctor. stehen einzig da in der Geschichte Schleswig-Holsteins!" — „Vor¬
kämpfer der Befreiung!" — „Unauslöschliche Dankbarkeit!" — „Drangsale ge¬
schildert mit meisterhafter Hand." Alles mit Ausrufungszeichen, Kunstpausen
und heftigen Bewegungen des langen Armes. Dann natürlich neue Flasche,
Anstoßen aus das weitere Gedeihen des großen Mannes, Doctors und Wohl¬
thäters und schließlich allgemeines Wohlgefallen.

Der Redner strahlte, wenn es nicht der Wein war, von dem Bewußtsein,
eine That gethan und eine Schuld abgetragen zu haben. Auch der große
Mann schien mit der ihm widerfahrenen Ehre nicht gerade ganz unzu¬
frieden. Noch zufriedener indeß war er offenbar, als er den Wunsch äußerte,
jetzt seine Schlafstätte im Billardsaal aufsuchen zu dürfen, und der Redner dies
um keinen Preis der Welt leiden wollte, sondern ihn zu einem guten Bett in
seinem, des Redners, Hause einlud.

Die Einladung wurde angenommen, der eine der ursprünglichen drei Mit¬
glieder der Gesellschaft durfte als Freund des großen Mannes ebenfalls mit¬
gehen. Ein wohleingcrichtetes behagliches Hauswesen empfing uns. Morgens
Vortrefflicher Kaffee — in den Herzogtümern nicht häufig zu haben — eine
freundliche Hausfrau voll patriotischen Gefühls und Eifers, ein paar hübsche
Kinder, gleichfalls schon gute Schleswig-Hvlsteiner, kurz alles, was das Herz
begehrte.

Mit schönem Dank für die genossene Gastfreundschaft verließen wir das
Haus, und der erste Act des Jntermezzos war zu Ende. Nach dem Namen
des großen Schriftstellers zu fragen, war unserem Redner und Quartiergeber
nicht eingefallen. Nicht aus Zerstreuung. Der zweite Act zeigt, daß er ihn
wußte, wenn auch nicht so gut wie sein Vorgänger auf der Bahn der Wohl¬
thätigkeit, Honvratus Bvnnevie, von dem sich sein Duzbruder beiläufig am
nächsten Morgen nach dem Abschluß des erwähnten Freundschaftsbündnisses sein
Versprechen, ihn sofort zu begleiten, gegen die Zusage, ihn und ganz Angeln
in einigen Wochen zu besuchen, wieder einwechselte.

Der zweite Act ist kurz. Gestern Abend sitzen wir in einem andern
Zimmer bei Raven. Da hören wir in der Nebenstube die lauten Worte:

„Und ich wette, daß er's nicht ist. Muß ihn doch kennen. Dazu ist der
viel zu still und gelassen."

Eine andere Stimme antwortet: „Und ich sage, daß er's ist. Werde gleich
fragen übrigens, obwohl ich meiner Sache ganz gewiß bin."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/442>, abgerufen am 24.07.2024.